US-Präsident Donald Trump beginnt seine erste Arbeitswoche. Wir sprachen mit Alan Maass, Herausgeber von SocialistWorker, über den politischen Kurs der neuen Regierung und die Perspektiven für Widerstand
Ist der Amtsantritt von Donald Trump eine Niederlage für die Linke?
Die neue Ära unter Trump stellt die Linke vor enorme Herausforderungen. Die Zeit seit der Wirtschaftskrise von 2007/8 ist eine der politischen Polarisierung, der Radikalisierung – sowohl auf der Linken wie auf der Rechten. Aber die Novemberwahlen haben überraschenderweise den politischen Mainstream noch weiter nach rechts verschoben.
Die neue Regierung wird von Reaktionären angeführt, die noch vor wenigen Jahren am äußersten Rand der amerikanischen politischen Landschaft agierten. Manche Gestalten, die ins Weiße Haus einziehen, haben Verbindung zu Hitler verehrenden Gruppierungen. Auch die mehr konventionellen unter ihnen verfechten eine extreme Agenda, die viel Leid mit sich bringen wird. Und außerhalb der offiziellen Politik fühlt sich die extreme Rechte von Trumps Wahlsieg gestärkt, was sich in einer Zunahme von Hassverbrechen zeigt.
Aber Trumps Einzug als »Tag der Niederlage« zu betiteln, ist irreführend, denn es impliziert einen Sieg für die Linke, hätte stattdessen Hillary Clinton gewonnen. Aber Clinton und die Demokraten haben ihren Wahlkampf unter dem Banner der Großkonzerne mit ihrer arbeiterfeindlichen Politik geführt. Die Hauptursache für ihre Wahlniederlage war eben die massenhafte Ablehnung ihrer Politik des Weiter So.
Wie soll es denn nun weitergehen?
Die Linke steht vor der schwierigen Aufgabe, diese zunehmend selbstbewusste Rechte in die Schranken zu weisen, wenn sie aktiv vor Ort wird, und eine landesweite Widerstandsbewegung von unten gegen den reaktionären Angriff aufzubauen. Die Chancen dafür stehen gar nicht so schlecht. Trump wird als der unpopulärste Präsident der modernen Geschichte sein Amt antreten. Die Proteste anlässlich seiner Amtseinführung haben die Zahl der rechten Trump-Unterstützer überflügelt. Und wir können damit rechnen, dass die Protestwelle auch in den kommenden Monaten nicht abebben wird.
Trump sagt: »Ich werde der Präsident aller Amerikaner sein.« Wie passt das zu der Zusammensetzung seines Kabinetts?
Allein im Hinblick auf Geschlecht oder ethnische Herkunft sieht sein Regierungsteam überhaupt nicht wie Amerika aus. Es umfasst einen einzigen Afroamerikaner. Die Latinos mit einem Bevölkerungsanteil von 20 Prozent sind gar nicht vertreten. Und nur eine von fünf Spitzenbeamten ist eine Frau.
Aber ihr gemeinsamer Nenner ist nicht nur die Hautfarbe und das Geschlecht. Was sie vereint, ist vor allem ihr enormer Reichtum. Betsy Devos, die künftige Bildungsministerin, die staatliche Schulen abschaffen will, ist Milliardärin. Ihre Familie besitzt die für Menschenrechtsverbrechen im Irak berüchtigte Sicherheitsfirma Blackwater. Rex Tillerson, Trumps designierter Außenminister, war Chef von ExxonMobil.
Aber auch in anderer Hinsicht ist sein Team nicht repräsentativ. Während zwei Drittel aller Amerikaner für die Beibehaltung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch sind, bekämpfen seine Leute das Recht der Frau auf ihre eigene Entscheidung. Sie glauben nicht an den Klimawandel und sie alle sind für weitere Steuersenkungen zugunsten der Superreichen, was die übergroße Mehrheit der Bevölkerung ablehnt.
Was erwartest du von der Trump-Regierung?
Donald Trump hat die Wahlen eigentlich verloren, ihm fehlten fast drei Millionen Stimmen. Nur dank des undemokratischen Wahlmännersystem werden die Republikaner das Weiße Haus, beide Kongresskammern, das Verfassungsgericht und das Bundesgericht kontrollieren.
Die Regierung wird ihr Programm am ehesten in jenen Fragen verwirklichen können, in denen sich die Republikaner einig sind und sie die Unterstützung der kapitalistischen Klasse genießt. Angriffe auf die Gewerkschaften werden zunehmen, gesetzliche Auflagen für Firmen und Banken gestrichen. Die Wall Street, die sich eigentlich Hillary Clinton als Präsidentin gewünscht hatte, frohlockt.
Aber es gibt auch strittige Fragen. Wirtschaftsnationalismus ist wahrscheinlich Trumps wichtigstes ideologisches Standbein. Er glaubt, dass das US-Kapital im Wettkampf mit anderen Nationalwirtschaften den Kürzeren gezogen hat und bestehende Handels- und Wirtschaftsabkommen neu verhandelt oder ad acta gelegt werden müssen. Damit vertritt er aber eine Minderheit der kapitalistischen Klasse und auch seine eigene Regierungsmannschaft zählt viele Vertreter des freien Handels in ihren Reihen.
Was bedeutet das für den politischen Kurs der neuen Regierung?
In solchen Fragen ist es schwer, Voraussagen zu treffen. Wird es Trump gelingen, ein neues Regime des Protektionismus durchzusetzen? Und wie wird sich die Opposition dagegen unter den bedeutendsten Kapitalfraktionen, die auf freien Handel angewiesen sind, formieren?
Das zweite unvorhersehbare Element ist natürlich der Widerstand von unten. Vor zehn Jahren, unter George W. Bush, kontrollierten die Republikaner sowohl das Weiße Haus als auch den Kongress und die Rechten wollten drakonische Antimigrationsgesetze verabschieden, die die Kriminalisierung von schätzungsweise 13 Millionen Menschen ohne Aufenthaltsrecht nach sich gezogen hätte. Der Aufstand von unten nahm die Form von eintägigen landesweiten Generalstreiks von Latino-Arbeitern und Arbeiterinnen und ihren Unterstützern an. Millionen strömten auf die Straße. Diese Massenproteste wendeten das Blatt und das rechte Gesetzesvorhaben kam nicht durch.
Was machen die Demokraten gegen Trump?
Die Demokraten sind in einem erbärmlichen Zustand. Sie hatten fest mit einem Wahlsieg ihrer unternehmerfreundlichen Kandidatin Hillary Clinton gerechnet. Nun rätseln sie, warum Trump eine Mehrheit in Staaten gewinnen konnte, die traditionell von ihnen dominiert werden.
Anstatt ihre Wahlstrategie der Fortsetzung einer Politik des Kahlschlags in Frage zu stellen, fokussieren sie auf die angebliche Einmischung Russlands zugunsten Trumps. Auch wenn es diese gegeben haben sollte, geht Clintons Wahlniederlage im Wesentlichen auf ihr eigenes Konto. Und im Nachhinein mischt sich ihre Empörung über die russischen Cyberspione mit einem zunehmend versöhnlichen Ton. Barack Obama, Hillary Clinton und ihre Leute sprechen davon, »im gleichen Team« zu spielen und Trump in Fragen, in denen beide Parteien übereinstimmen, unterstützen zu wollen.
Und die linken Kräfte und Gewerkschaften?
Die Linke in den USA ist geschwächt und kompromittiert wegen ihrer langen Tradition der bedingungslosen Unterstützung für die Demokratische Partei, mit der sie auch nach dem jüngsten Wahldebakel nicht brechen will. Richard Trumpka, Präsident des wichtigsten Gewerkschaftsdachverbands der USA, hat nichts unternommen, um die kommenden Massenproteste gegen Trump zu unterstützen. Stattdessen traf er sich mit dem designierten Präsidenten in dessen glitzernden Trump-Tower und verkündete danach, es seien »produktive Gespräche« gewesen.
Das Wochenende der Amtseinführung war von großen Protesten begleitet. Wer hat sie organisiert und was sind ihre Forderungen?
Trotz der Tatenlosigkeit der Gewerkschaften und der liberalen Organisationen des Mainstream haben die von der radikalen Linken und kleineren liberalen Gruppen organisierten Proteste gegen die Rechten, die Trumps Wahlsieg in Washington feiern wollen, überflügelt.
Es gab zwei Protestzentren. Das erste unter dem Slogan »Amtseinführung des Widerstands« wurde von der radikalen Linken organisiert und stellt sich bedingungslos gegen die Agenda Trumps. Das zweite Protestzentrum war der »Frauenmarsch auf Washington«. Der Marsch findet jährlich statt und fokussiert auf die Verteidigung und Erweiterung der Frauenrechte. Die Demonstrationsführung hatte sich aber im Vorfeld erweitert und umfasst eine breite progressive Plattform. Die Organisatoren unterstützen zwar die Demokratische Partei, aber der Protestzug selbst hat viele Menschen zusammengebracht, die mehr wollen als die Demokraten. Angesichts der Abstinenz der Gewerkschaften war dieser Protest der wichtigste des Wochenendes. Hunderttausende beteiligten sich alleine in Washington, landesweit lagen die Schätzungen bei bis zu 4,5 Millionen.
Wie wird die Linke nach diesem Protestwochenende weiterarbeiten?
Schon unmittelbar nach Trumps Wahlsieg kam es zu nie dagewesenen, tagelangen Protesten in Städten quer durchs Land. Lokale Netzwerke von Aktivisten verfestigen sich oder kommen zum ersten Mal zusammen. Organisationen der sozialistischen Linken gewinnen neue Mitglieder und erreichen ein neues Publikum. Aber angesichts der nach wie vor bestehenden Unterstützung für die Demokraten in breiten Teilen der Linken sind die Vertreter einer unabhängigen politischen Alternative eine kleine Minderheit.
Daher waren die Proteste nach dem Wahlgang zwar militant und entschlossen, aber nur ein kleiner organisierter Rumpf mit einer Perspektive für längerfristige Aktivitäten fand sich zusammen. Das ist eine Herausforderung für uns in den USA, aber auch weltweit. Die Zeit seit der letzten Wirtschaftskrise hat Massenkämpfe wie Occupy Wall Street und Black Lives Matter hervorgebracht, die das Ausmaß linker Radikalisierung zeigen, aber die Organisationen und Netzwerke der Linken haben sich nicht in dem erforderlichen Ausmaß entwickelt, um eine Wende gegen die neoliberale Offensive zu bewerkstelligen. Die Wucht des rechten Angriffs unter Trump wird aber noch größere Widerstandskämpfe hervorrufen, die neue Tore für unser Projekt aufstoßen werden.
Was sind die konkreten Aufgaben?
Die erste Aufgabe der Linken besteht in der Organisation von defensiven Kämpfen gegen die anstehenden Angriffe. Die Uni-Campi und die Communitys rechnen damit, dass Trump die Zahl der Deportationen von Migranten ohne Aufenthaltstitel noch weiter steigert, nachdem bereits Obama eine Rekordzahl von Menschen aus dem Land deportiert hat. Dafür müssen wir Schulen und Städte zu Zufluchtsorten für Flüchtlinge erklären und Notfallpläne gegen Razzien der Einwanderungspolizei entwickeln. Die Mehrheitseinstellung gegen Sexismus und für Frauenrechte muss mobilisiert werden, um eine Wende für reproduktive Rechte und gegen sexuelle Übergriffe zu schaffen.
Der Sieg der Eingeborenen und ihrer Unterstützer gegen die Öl-Pipeline im ländlichen North Dakota war ein inspirierendes Beispiel dafür, wie der vereinte Widerstand sich gegen alle Widrigkeiten durchsetzen kann. Die Herausforderung besteht darin, diese Lehren in allen Kämpfen, die unter Trumps Präsidentschaft aufflammen werden, anzuwenden und den von seiner Politik angewiderten Menschen das Vertrauen zu geben, dass sie kämpfen und siegen können.
Innerhalb der Proteste finden sich viele Menschen, die sich von der radikalen und sozialistischen Linken angezogen fühlen. Diese neue Generation, inspiriert vor allem durch Bernie Sanders Präsidentschaftskampagne letztes Jahr, hält Ausschau nach dem nächsten Schritt. Sie müssen die Geschichte und die Traditionen der Vergangenheit neu entdecken und sich in dauerhaften Organisationen zusammenschließen. Das ist eine Priorität für die Linke in den kommenden Monaten. Sie mag kleiner sein, als wir sie uns wünschen, aber ich bin zuversichtlich, dass ihre lebhafte Medienpräsenz und ihre wachsenden Organisationen sich dieser Herausforderung stellen können.
Das Interview führte Yaak Pabst. Aus dem Englischen von David Paenson
Foto: AirmanMagazine
Schlagwörter: #Occupy, Black lives matter, Clinton, Demokraten, Donald Trump, Obama, Protektionismus, Republikaner, Sanders, Standing Rock, Trump, USA, Washington