Die Präsidentschaft Trumps in den USA hat die Diskussion über die Aktualität des Faschismus belebt. Das ist gut. Eine fehlerhafte Verwendung des Begriffs ist jedoch gefährlich. Von Jan Maas
Mauerbau, Drohungen gegen die Presse, Angriffe auf Frauenrechte und Rassismus gegen Muslime: Schon in seiner ersten Amtswoche hat Donald Trump Millionen Menschen entsetzt. Kein Präsident war bei seinem Amtsantritt unbeliebter als er.
Rückkehr des Faschismus?
Doch schon drohen weitere Wahlerfolge von Rechten: In Frankreich wird Marine Le Pen vom Front National derzeit sicher in die zweite Runde zur Präsidentschaftswahl 2017 kommen und bei den Parlamentswahlen in den Niederlanden erhält Rechtsaußen Geert Wilders in den Umfragen bis zu 20 Prozent. Der Journalist Jakob Augstein spricht bereits von der »Rückkehr des Faschismus«. Er sagt, es sei »schon zu spät«. Damit allerdings überspannt er den Bogen. Nicht nur, dass diese Einschätzung falsch ist, sie lädt zudem zur Tatenlosigkeit ein.
Was ist Faschismus?
Es ist wichtig, darüber zu sprechen, was Faschismus heute ist. Es gibt die Tendenz, den Begriff vor allem historisch zu verwenden: Faschismus, das war früher, in Italien und Deutschland; schlimm, aber lange vorbei. Doch faschistische Parteien gibt es tatsächlich noch heute. Sie stehen rechts der etablierten und sie sind gefährlich: die Goldene Morgenröte in Griechenland etwa, oder Jobbik in Ungarn. Auch in der AfD arbeiten im Flügel um Björn Höcke und in der Patriotischen Plattform um Hans-Thomas Tillschneider Faschisten mit.
Trump und der historische Faschismus
Trump jedoch spielt in einer anderen Liga. Zur Erklärung ein Blick zurück: Der historische Faschismus wuchs und gedieh vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs, der großen, aber gescheiterten Welle proletarischer Revolutionen und der Weltwirtschaftskrise. Die faschistischen Parteien setzten angesichts dessen auf die Mobilisierung Hunderttausender – darunter vieler ehemaliger Soldaten – zum Kampf gegen die linken Parteien und Gewerkschaften, die sie für den verlorenen Krieg und ihr Elend verantwortlich machten.
Der Kern des Faschismus
Die faschistischen Parteien durchliefen zudem eine Entwicklung von ihrem Keimstadium über die Aufbauphase bis zur Entfaltung. Nur Deutschland und Italien haben einen radikalisierten Faschismus an der Macht erlebt. Ein wesentliches Merkmal dieser Regime war die völlige Zerschlagung jeglicher Opposition. Und das ist – bei allen Unterschieden – der Kern des Faschismus: Eine gewalttätige Bewegung zur Vernichtung jeden Widerstands mit einer von Staat und Kapital zunächst weitgehend unabhängigen Massenbasis auf der Straße.
Völlige Zerschlagung jeglicher Opposition bedeutet unter anderem: keine freien Parteien, keine freien Gewerkschaften, keine freie Presse. Politische Aktivität findet im Untergrund statt oder im Exil. Solche Verhältnisse drohen in den USA nicht. Trump ist nicht Präsident einer faschistischen Partei rechts von den etablierten, sondern war Kandidat der Republikaner. Er kann auch keine SA ins Feld führen. Aber: Unter seiner Präsidentschaft können Faschisten aufbauen, und sie wittern bereits Morgenluft.
Die Gefahr des Faschismus
Selbst wenn Marine Le Pen oder Norbert Hofer ihre jeweilige Präsidentschaftswahl gewännen, herrschte in Frankreich oder Österreich noch kein Faschismus. Zwar sind beide Faschisten, die faschistische Parteien mit entsprechender Tradition angehören, aber sie haben – noch – keine Schlägertrupps auf der Straße. Le Pen und Hofer würden – wenn sie gewännen – den bürgerlichen Staatsapparat führen. Mit SS vergleichbare Parallelapparate sind gegenwärtig nicht in Sicht.
Es ist schlimm genug, dass Trump, Hofer und Le Pen so weit gekommen sind. Falsche Analysen machen die Lage allerding nur schlimmer. Wer Trump einen Faschisten nennt, verschleiert, was Faschismus bedeutet, und verdeckt die Gefahr durch echte Faschisten. Es ist in den USA, Österreich und Frankreich absolut möglich, offen gegen die Regierung und die Konzerne zu protestieren. Und das ist auch bitter nötig, um der ohnmächtigen Wut auf das Establishment eine gegen den Kapitalismus gerichtete Alternative entgegenzustellen.
Foto: Stephen D. Melkisethian
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