Diktieren die Banken wirklich die Politik in der Eurozone? Thomas Walter antwortet auf unser Interview mit Costas Lapavitsas im aktuellen Heft von marx21
Ich finde es müßig, darüber zu spekulieren, ob das deutsche Kapital seine Interessen richtig erkennt oder ob es ohne »einen Funken Weitsicht« dasteht. Die Interessen des deutschen Kapitals sind nicht die Interessen der Arbeiterklasse und auch nicht die Interessen des angelsächsischen Kapitals. Costas Lapavitsas könnte hier dahingehend missverstanden werden, dass es so etwas wie ein klassenübergreifendes Interesse an ausgeglichenen Leistungsbilanzen gäbe, was aber das deutsche Kapital noch nicht so richtig erkannt hätte.
Es fällt nämlich schon auf, dass die deutsche Wirtschaftswissenschaft geschlossen hinter der Regierung steht. Von den Eurokritikern aus der Wissenschaft, dies es ja mal gegeben hat, hört und sieht man nichts mehr. Widerstände aus den eigenen Reihen der konservativen Parteien schaffen es oft nicht einmal in die Medien. Das wird man nicht auf den fehlenden Funken Weitsicht zurückführen können, sondern auf handfeste deutsche Kapitalinteressen.
Gestärkt durch die Krise
Das deutsche Kapital hat sehr viel in den Euro und in die eigenen Exportüberschüsse investiert. Davon kann und will es jetzt nicht mehr weg. Zumal im Moment Deutschland ja tatsächlich »gestärkt aus der Krise« gekommen zu sein scheint, ein Merkel-Spruch, über den man vor ein paar Jahren noch geschmunzelt hat. Das deutsche Kapital bastelt jetzt an einem EU-Superstaat unter deutscher Führung.
Die südeuropäischen Staaten könnten zukünftig die Rolle verlängerter Werkbänke für die deutsche Exportindustrie spielen. Das deutsche Kapital muss dazu gegen konkurrierende Interessen auch Drohpotentiale aufbauen. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung steht ganz deutlich: wenn das deutsche Kapital die Eurobonds jetzt schon erlauben würde, würde es sein Drohpotential für das Erzwingen von Zugeständnissen aus der Hand geben.
Südliche Eliten eingebunden
Costas Lapavitsas glaubt, dass »die großen linken Parteien in Deutschland« sich der herrschenden Strategie unterworfen hätten. Aber nicht nur die. Es fällt auf, wie wenig Widerstand gegen Deutschland die Eliten der Südländer leisten. Es scheint dem deutschen Kapital gelungen zu sein, diese Eliten in die eigenen Interessen einzubinden. Des weiteren haben Länder außerhalb der EU-Zone immer noch großes Interesse unter Bedingungen, die die deutsche Regierung setzt, der EU beizutreten. Jüngste Beispiele wären Mazedonien und Serbien.
Eine schwierige Diskussion ist, wie die Linke mit der Standortpanik der deutschen Gewerkschaften, mit der Angst um die Arbeitsplätze in der Exportindustrie umgehen soll.
Die Stunde der Wahrheit wird mit dem nächsten Weltwirtschaftseinbruch kommen. Ob Deutschland seine jetzige – relative – Stärke wird behaupten können, ist bei einem erneuten Einbruch der deutschen Exporte sehr fraglich. Dann dürften die Karten neu gemischt werden. Allerdings haben viele Linke schon beim letzten Exporteinbruch – fälschlicherweise – erwartet, dass dem Exportmodell Deutschland die Luft ausgeht.
Der Staat hat das Sagen
Zu einfach finde ich Costas Lapavitsas' Darstellung der Allmacht der Banken gegenüber dem Staat. Wenn der Staat die Banken rettet, ist es erstmal der Staat, der das Sagen hat, und nicht die Banken. Zwischen Banken und Staat besteht eine wechselseitige Abhängigkeit und der Staat als »ideeller Gesamtkapitalist« geht schon mal gegen einzelne Kapitalisten, einzelne Kapitalgruppen, einzelne Banken, ja auch gegen die Banken insgesamt vor. Kürzlich hat Ackermann seinen Widerstand gegen die Kernkapitalquote von 9 Prozent der Bilanzsumme plötzlich, zumindest öffentlich, eingestellt. Das könnte damit zusammenhängen, dass in den Medien ebenso plötzlich darüber berichtet wurde, dass sich die Deutsche Bank in Las Vegas verzockt hätte. In solchen Machtkämpfen, auch zwischen den Banken, werden auch den Banken die Grenzen ihrer Macht gezeigt. Das eröffnet Spielräume für Gegenwehr.
Costas Lapavitsas erklärt überzeugend, dass es eine Alternative von unten gegen den Euro geben kann. Vielleicht sollten auch die Linken in Deutschland noch einmal darüber nachdenken, ob sie kampflos dem Euro zustimmen oder nicht besser dieses Europa im Kapitalinteresse auch grundsätzlich in Fragen stellen sollten.
Zur Person:
Thomas Walter ist Ökonom und Mitglied der LINKEN
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