Die Streikbewegung für mehr Personal im Krankenhaus geht in die nächste Runde. Die Berliner Charité hat die Lunte gelegt, jetzt brennt sie im Saarland. Fünf Gewerkschaftsaktivistinnen und Unterstützer berichten uns über den Pflegeaufstand, die Demokratisierung ihrer Streiks und die Notwendigkeit von Solidarität
Grit Wolf ist Gesundheits- und Krankenpflegerin aus Berlin, Mitglied der ver.di-Tarifkommission an der Charité sowie Kernaktivistin im ersten Streik für mehr Personal im Krankenhaus 2015.
Wenn ich Kolleginnen und Kollegen aus anderen Häusern von unserem Kampf für mehr Personal an der Charité berichtete, bekam ich in den letzten Jahren immer wieder eines zu hören: »Bei uns ist das niemals möglich.« Viele können sich einfach nicht vorstellen, dass sie und ihre Kolleginnen auch in der Lage sind kraftvoll zu streiken. Es ist aber ein Mythos, dass uns an der Charité die Streikmacht in die Wiege gelegt wurde. Unsere Stärke ist auch nicht vom Himmel gefallen. Erst durch die Kämpfe der letzten Jahre sind wir nach und nach durchsetzungsfähiger geworden. Die Unzufriedenheit ist in allen Krankenhäusern groß. Gewerkschaften müssen aber erst einmal beweisen, dass sie etwas bewegen wollen und auch können, dann gewinnen sie auch Mitglieder und Kampfkraft. Abkürzungen gibt es da nicht.
Deshalb bin ich umso glücklicher, dass nun die Kolleginnen und Kollegen im Saarland unsere Bewegung aufgegriffen haben und unseren Kampf für mehr Personal fortführen. Uns an der Charité war von Beginn an klar, dass wir den Kampf gegen Personalmangel und Arbeitsverdichtung letztlich nur gewinnen können, wenn wir die Politik zu einer gesetzlichen Regelung zwingen. Uns war aber auch klar, dass Appelle nicht ausreichen. Um der weiteren Ökonomisierung der Krankenhäuser einen Riegel vorzuschieben und die Abwärtsspirale aus Personalabbau und steigendem Kostendruck zu stoppen, müssen wir da ansetzen, wo es weh tut — und das bedeutet Streik.
Ein neues Modell von Tarifarbeit
Besonders freut mich , dass unser Tarifberatermodell nun auch in vielen anderen Kliniken im ganzen Land zum Einsatz kommt. Wir haben hier ein neues Modell von Tarifarbeit mitentwickelt. Tarifberaterinnen und Tarifberater sind Delegierte der einzelnen Stationen und Bereiche, die uns in der Auseinandersetzung unterstützen, die Streiks mit vorbereiten und an der Charité jetzt eine wichtige Rolle für die Umsetzung des Tarifvertrags spielen. Das entlastet uns Mitglieder der Tarifkommission, bedeutet aber auch eine Politisierung eines größeren Kreises von Beschäftigten und nicht zuletzt auch eine Demokratisierung der Gewerkschaftsarbeit. Für ein Projekt wie unseren Kampf für eine Mindestbesetzung ist es zentral, dass die Kolleginnen und Kollegen die Auseinandersetzung als ihren Kampf wahrnehmen und sich mit ihrer Expertise einbringen. Viele Tarifberaterinnen und Tarifberater bei uns haben im Streik großes Selbstbewusstsein gewonnen und sind zu Kernaktiven geworden. Nun könnten die Tarifberater zu einem ganz neuen, demokratischen gewerkschaftlichen Organisationsmodell im Krankenhaus und auch darüber hinaus werden.
Hier geht es zu den weiteren Statements von Katharina Stierl, Meike Saerbeck, Bernd Riexinger und Daniel Anton.
Mach mit.
Solidaritätsarbeit: Du willst auch in deiner Stadt die Kolleginnen und Kollegen im Krankenhaus in ihrer Auseinandersetzung für mehr Personal unterstützen und suchst nach Ideen, wie das geht, oder nach potenziellen Verbündeten und bereits bestehenden Solidaritätsstrukturen? Dann melde dich bei uns, wir helfen gerne weiter! Einfach E-Mail an redaktion (ät) marx21.de
Informationen: Wie es im Saarland und mit dem bundesweiten Aufstand der Pflege weitergeht, erfährst du auf unserer Homepage marx21.de. Dort begleiten wir die Bewegung mit Artikeln, Interviews und Hintergrundberichten und halten dich immer auf dem Laufenden.
Debatte: Auch auf unserem Kongress »MARX IS’ MUSS 2017« werden der Streikbewegung im Krankenhaus mehrere Veranstaltungen gewidmet. Unter anderem sprechen auch Grit Wolf, Meike Saerbeck und Bernd Riexinger. Jetzt anmelden!
Foto: Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
Schlagwörter: Betten- und Stationsschließungsstreik, Charité, Charité-Streik, Entlastung, Gewerkschaft, Krankenhaus, Krankenhausstreik, mehr Personal, Pflege, Pflegeaufstand, Pflegenotstand, Pflegestreik, Saarland, Streik, Tarifbewegung, Ver.di, Verdi