Nach Jahren der Spaltung bilden Fatah und Hamas eine Einheitsregierung. Doch für die Palästinenser bedeutet das nichts Gutes, meint Paul Grasse
Anfang Februar einigten sich die palästinensische Hamas und die Fatah in Doha (Hauptstadt von Katar) auf die Bildung einer Übergangsregierung. Diese soll aus unpolitischen Experten bestehen und die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen vorbereiten. Ministerpräsident dieser Verwaltungsregierung soll Mahmud Abbas werden, der unter anderem bereits Präsident der Autonomiebehörde und Vorsitzender der PLO ist.
Mit seiner Zustimmung riskiert Hamas-Chef Maschal die Spaltung. Sein Alleingang ist in der Organisation auf empörte Kritik gestoßen. Unterstützt wird er durch den bürokratischen Flügel, während vor allem Teile der militärischen Abteilung befürchten, dass die beabsichtigte Neustrukturierung des Unterdrückungsapparates zu ihrem Nachteil sein würde. Ein weiterer Grund für Proteste ist die gleichzeitige Besetzung von Präsidenten- und Ministerpräsidentenamt durch Abbas.
Israelische Rhetorik
Die israelische Regierung warf den Palästinensern die beabsichtigte Zerstörung Israels vor: »Sollte Präsident Abbas umsetzen, was heute in Doha unterzeichnet wurde, so wird er den Pfad des Friedens verlassen und sich den Feinden des Friedens anschließen«, so Ministerpräsident Netanjahu.
Es ist die alte Rhetorik, es gäbe keinen Partner für den Frieden. Entgegen der israelischen Propaganda bedeutet die Einigung in Doha alles andere als die Vereinigung der palästinensischen Parteien zum Kampf gegen die Besatzung. Die Hintergründe sind eher unpolitisch.
Fatah hat verspielt
Sowohl Hamas als auch die von der Fatah dominierte Autonomiebehörde sind enorm geschwächt. Letztere, weil seit dem gescheiterten Antrag auf Anerkennung der Staatlichkeit Palästinas vor der UN im vergangenen Jahr der Zufluss an Hilfsgeldern aus dem Westen abgeebbt ist. Politisch hat die Fatah unter der Führung von Abbas in den Jahren seit Oslo ihren Ruf als Widerstandsorganisation verspielt.
Seit 1994 wurde in der Westbank ein umfassender Unterdrückungsapparat aufgebaut, der die Aufgabe hat, jede wirkliche Opposition gegen die israelische Besatzung niederzuhalten. Die Situation für die unter Besatzung lebenden Palästinenser hat sich seitdem kein bisschen verbessert, im Gegenteil.
Hamas liefert nicht
Hamas auf der anderen Seite verwaltet seit mehr als fünf Jahren den Gazastreifen. Auch nachdem Israel sich aus Gaza zurückgezogen hat, geht die Besatzung in Form der Isolation Gazas und ständiger Bombardierungen weiter. Die Situation in Gaza hat sich nicht verbessert. Proteste werden auch in Gaza niedergeschlagen. Hamas ist durch die von Israel mit dem gelegentlichen Beschuss mit selbstgebauten Raketen gerechtfertigten Bombenkampagnen gezwungen worden, selbst gegen oppositionelle Gruppen vorzugehen.
Die politische Erfolglosigkeit versucht sie mit der Einführung konservativer gesellschaftlicher Normen zu kompensieren. Durch die Sanktionen gegen den Iran und den Umzug der Hamas-Exilleitung vom syrischen Damaskus nach Jordanien und Katar sind der Hamas zwei wichtige Geldquellen verloren gegangen. Hamas war in Syrien mehr und mehr vom Regime Assads unter Druck gekommen.
Palästinenser abhängig
Beide Gruppen – die Hamas-Verwaltung in Gaza und die Autonomiebehörde in der Westbank – haben riesige Verwaltungs- und Sicherheitsapparate aufgebaut, von denen hunderttausende Palästinenser ökonomisch abhängig sind. Die Alternative, die sich in Doha auftat, war eine Finanzierung durch Katar selbst.
Zusätzlich haben sich die arabischen Außenminister bei einem Treffen in Kairo darauf geeinigt, der Autonomiebehörde monatlich rund 100 Millionen Dollar zur Verfügung zu stellen, um die Gehälter weiter bezahlen zu können. Für Hamas-Ministerpräsident Haniyya ist die versprochene Finanzierung der Gehälter und des Wiederaufbau Gazas mit diesen Geldern ausreichender Grund, dem Abkommen zuzustimmen.
Keine demokratische Besatzung
Für den Widerstand gegen die Besatzung Gazas und der Westbank ist die Vereinbarung von Doha höchstens ein Schritt zur Seite. Die Gelder Katars sind wie auch eine Finanzierung durch arabische oder westliche Staaten nicht umsonst, sondern nur im Austausch für politische Zugeständnisse zu haben. Die Technokraten, die in der Übergangsregierung sitzen werden, sind nicht demokratisch gewählt. Auch die vorzubereitenden Wahlen sind reine Augenwischerei. Es kann unter israelischer Besatzung keine demokratische Regierung geben, sondern nur eine von Israels Gnaden.
Die Autonomiebehörde ist wirklich nur das: Eine Behörde zur Verwaltung der israelischen Besatzung durch die Palästinenser selbst. Das wird sich weder durch ein Abkommen über die Aufteilung von Hilfsgeldern noch durch einen Waffenstillstand zwischen Hamas und Fatah ändern, solange die Autonomiebehörde sich nicht als Koordinatorin von Widerstand gegen die Besatzung, sondern als deren Verwalterin begreift.
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