Die Thüringer Landesregierung, unter Führung des LINKEN Ministerpräsidenten Bodo Ramelow, will ein neues Einwanderungsgesetz. Doch der vorliegende Text widerspricht Grundsätzen linker Politik und befördert den Nützlichkeitsrassismus meinen Ali Al Dailami und Jules El-Khatib
Das Kabinett Ramelow, das erste Regierungsbündnis aus LINKE, SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf Landesebene, stellt gemeinsam mit den mit den Landesregierungen Niedersachsens, Schleswig-Holsteins und Rheinland-Pfalz, einen Entschließungsantrag an den Bundesrat. Unter dem Titel: »Für ein Einwanderungsgesetz: Einwanderung offensiv gestalten und effektiv regeln« wird darauf abgezielt Einwanderung nach den Bedürfnissen der Wirtschaft zu steuern und somit für gewisse Personengruppen einzuschränken. Im Text heißt es: »Das Einwanderungsgesetz soll durch nachvollziehbare, aktuell zu erhebende Indikatoren Engpassberufe definieren, die nicht mit dem inländischen Fachkräftepotenzial gedeckt werden können.« Und an anderer Stelle: »Dies liegt im ureigenen deutschen Interesse, um attraktiver zu werden für qualifizierte und talentierte Fachkräfte, die wir in Zukunft unabweisbar brauchen werden«.
Grundsätze der LINKEN und das Einwanderungsgesetz
Solche Äußerungen widersprechen dem Grundsatzprogramm der Partei. Dort heißt es: »Deutschland ist ein Einwanderungsland. DIE LINKE lehnt eine Migrations- und Integrationspolitik ab, die soziale und politische Rechte danach vergibt, ob Menschen für das Kapital als »nützlich« oder »unnütz« gelten. Wir wollen die soziale und politische Teilhabe für alle in Deutschland lebenden Menschen erreichen.«
Sowohl im Bundestagswahlprogramm 2013 als auch im Beschluss der Bundestagsfraktion vom 24. März 2015, der sich explizit auf die Debatte um ein Einwanderungsgesetz bezieht, werden neoliberalen Gedankenspielen und einer Neuauflage der gescheiterten Gastarbeiterpolitik zurecht eine Absage erteilt. Vielmehr wird auf einen Ausbau der vorhandenen Gesetze und eine zügigere Anerkennung der beinahe 500 000 im Ausland erworbenen Abschlüsse gedrungen. Denn jeder soll die Möglichkeit haben seinen erlernten Beruf auch ausüben zu dürfen, anstatt sich als Taxifahrer, Leiharbeiter oder anderen im Niedriglohn angesiedelten Berufen zu verdingen. Hier geht es aus linker Sicht insbesondere um die Würde der betroffenen Menschen. Doch von dieser Perspektive ist im entsprechenden Entschließungsantrag nichts zu lesen. Stattdessen werden deutsche Wirtschaftsinteressen zur Grundlage der Argumentation.
Verlogene Debatte
Die Thüringer Landesregierung stimmt mit der Unterstützung des Entschließungsantrages in den Chor jener ein, die eine hysterische und verlogene Debatte über »illegale Masseneinwanderung« führen. So heißt es dort: »Eine wirksame Reduzierung irregulärer und damit nur sehr bedingt steuerbarer Migrationsströme ist jedoch nur möglich, wenn neben diesem Weg auch legale Zuwanderungsmöglichkeiten geschaffen werden«.
Die Hauptursachen der illegalisierten Migration nach Deutschland, wie das Abschaffen des Grundrechts auf Asyl und das Dublinverfahren, nach der Geflüchtete dort ihren Asylantrag stellen müssen, wo sie zuerst EU-Boden betreten, unabhängig wo sie eigentlich hin wollen oder bereits Familienangehörige haben, sollen weder angetastet noch abgeschafft werden. Auch stellt der Antrag die Ursachen von Flucht nicht infrage, so wird weder ein Ende von Waffenlieferungen noch von Kriegen gefordert. Das neoliberale Wirtschaftsregime, welches die Zerstörung der Lebensgrundlage von immer mehr Menschen zur Folge hat, soll nicht angetastet werden.
Einwanderungsgesetz: Kapitalinteressen als Motiv
Der Entschließungsantrag geht von der Annahme aus, Deutschland, gemeint ist die deutsche Wirtschaft, brauche Einwanderung, da durch die demografische Entwicklung der Bedarf an akademischen wie nicht-akademischen Fachkräften steige. Weiterhin heißt es wörtlich »Für die Sicherung des Wohlstandes unseres Landes ist es unerlässlich, dass der Wirtschaft auch zukünftig die benötigten Arbeitskräfte zur Verfügung stehen.« Wenig später wird argumentiert :«Dies liegt im ureigenen deutschen Interesse, um attraktiver zu werden für qualifizierte und talentierte Fachkräfte, die wir in Zukunft unabweisbar brauchen werden«.
Mit einer linken Politik, die den Menschen in den Vordergrund stellt hat der Antrag wenig gemein, wie schon am Sprachgebrauch deutlich wird. Hier genauer werden: Nicht Nation sondern Klasseninteressen. Jedoch ist inhaltlich ebenso wenig eine Verbesserung zu verbuchen. Zunächst ist in Frage zu stellen, ob ein Zusammenhang zwischen der demographischen Entwicklung und einem Fachkräftebedarf besteht. So stellte das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung, welches zur Bundesagentur für Arbeit gehört, unlängst fest, dass es keinen flächendeckenden Fachkräftemangel gibt. Im Gegenteil, das Institut kommt zu dem logischen Schluss, dass es Unternehmen vorwiegend um die schnellere und günstigere Besetzung von offenen Stellen geht.
Arbeitszeitverkürzung statt Niedriglöhne
Gleichzeitig wird die enorm gestiegene Produktivität in dem Antrag schlicht unterschlagen und die ungerechte Verteilung der dadurch angehäuften Vermögenswerte verschleiert. Ganz zu schweigen von den 200.000 erwerbslosen Akademikern, die dem oben konstruierten Zusammenhang widersprechen. Statt auf Arbeitszeitverkürzung und eine solidarische Gesellschaft zu setzen wird auf billigere Arbeitskräfte gehofft.
Der Entschließungsantrag macht sich hier die Thesen und Forderungen der deutschen Wirtschaftslobby zu eigen. Da ein Einwanderungsgesetz weder Aussichten auf politische noch gesellschaftliche Mehrheiten in Deutschland hatte, konzentrierten sich die Lobbyisten deutscher Unternehmen auf die EU. Unter großen Anstrengungen und mithilfe sogenannter Think Tanks setzten sie EU Richtlinien durch, die dann auch in Deutschland umgesetzt werden mussten. Dazu gehört die sogenannte Blue Card Regelung, welche von der Linken zurecht abgelehnt wurde. Wie sehr diese EU Richtlinie deutschen Wirtschaftsinteressen entspricht verdeutlicht die Tatsache, dass 87 Prozent aller innerhalb der EU vergebenen Blue Cards auf Deutschland entfielen. Die Blue Card stellt ein System zur Vergabe von Arbeitsplatzerlaubnissen dar. Sie erwies sich nicht nur als Flop, insgesamt wurden 2015 EU-weit weniger als 17.000 Blue Cards ausgestellt, sondern ist auch ein Instrument um die Lohnspirale nun auch unter Fachkräften nach unten zu drehen. So darf bereits heute ein aus dem Ausland angeworbener Ingenieur bis zu 48 Prozent weniger verdienen als sein in Deutschland ausgebildeter Kollege.
Das Einwanderungsgesetz und der »Brain Drain«
Unterschlagen wird auch der »Brain-Drain«. Also das Auswandern gut ausgebildeter Fachkräfte aus sogenannten Dritte Welt Ländern. Die Spirale der Abhängigkeit und Armut der bereits jetzt abgehängten Länder wird dadurch fortgesetzt. Wer diesen Staaten ihre dort ausgebildeten Fachkräfte offensiv abwirbt, beraubt sie zugleich auch ihrer Zukunft. Mit linken Grundsätzen und einer vernünftigen Entwicklungspolitik ist dieses Vorgehen nicht vereinbar.
Nützlichkeit statt Menschenwürde
Doch auch für Migranten bietet der Gesetzesentwurf wenig Hoffnung auf Verbesserung, denn der Zuzug soll nur jenen erlaubt werden, die den Ansprüchen deutscher Unternehmen genügen. Akademiker und gut Ausgebildete werden willkommen geheißen, für Arme und Menschen mit geringer Bildung bleiben somit die Grenzen dicht. Potentielle Migranten werden somit nach ihrer Nützlichkeit selektiert, während linke Politiker sich zu Gehilfen der Wirtschaft machen.
Die wenigen linken Punkte des Papiers wirken da eher wie eine Beruhigungspille für die eigenen Anhänger statt als positive Veränderung. So ist die Rede von moralischen und rechtlichen Verpflichtungen gegenüber Flüchtlingen oder davon, dass Einwanderer »gleichberechtigte Staatsbürgerinnen und -bürger« werden, wie dies geschehen soll, wird allerdings nicht konkretisiert. Die Rahmenbedingungen müssten attraktiv sein »damit gut ausgebildete Menschen zu uns kommen«. Eine Spaltung der willkommen geheißenen bleibt selbst hier bestehen.
Grenzenlose Solidarität statt Selektion
Der Antrag bietet kaum Ansätze, die den Ansprüchen von Sozialisten und Internationalisten genügen. Wohl wissentlich um die überwältigende Mehrheitsmeinung in der Linken gegen ein solches Einwanderungsgesetz kann es kaum verwundern, dass auf eine Diskussion mit Basis und Parteivorstand verzichtet wurde. Wir wenden uns daher gegen dieses Papier, welches Einwanderung anhand der Qualifikation gestalten will und eine konkrete Solidarität mit den Ärmsten vermissen lässt.
Linke Politik bedarf konkreter Überlegungen wie Migrierende Perspektiven erhalten und gleichzeitig Arbeitsstandards nicht abgesenkt und Konkurrenzkämpfe um Arbeitsplätze nicht verschärft werden. Dieses Papier genügt diesen Ansprüchen bei weitem nicht. Statt den Interessen der Menschen steht die Wirtschaft im Fokus, statt Gleichheit des Menschen wird »Qualifikation« zum Kriterium. Es bedarf daher keines Einwanderungsgesetzes. Es braucht die Wiederherstellung des Grundrechts auf Asyl und grundlegender Schritte zur Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, damit Konkurrenz um Arbeitsplätze und Nützlichkeitsrassismus keine Instrumente der Herrschenden bleiben.
Zu den Autoren:
Ein Beitrag von Ali Al-Dailami, Mitglied im geschäftsführenden Parteivorstand der Linken, und Jules El-Khatib, Mitglied im Landesvorstand der Linken NRW.
Schlagwörter: Asyl, Asylgesetz, DIE LINKE Thüringen, Einwanderer, Einwanderung, Einwanderungsdebatte, Einwanderungsgesetz, Einwanderungskontrollen, Einwanderungspolitik, Kanada, Linke, marx21, Migration