Die Piratenpartei zieht weiterhin Wähler an, die mehr soziale Gerechtigkeit wollen. Stefan Bornost schlägt vor, wie DIE LINKE darauf reagieren kann
Die Haupterkenntnis der Saarlandwahl lautet: Der Erfolg der Piratenpartei letzten Herbst in Berlin war nicht allein der speziellen Konstellation von Rot-Rot geschuldet.
Die Partei schaffte aus dem Stand heraus 7,4 Prozent. Und das ohne einen stehenden Parteiapparat und größere finanzielle Ressourcen.
CDU frisst FPD
Die restlichen Ergebnisse der Wahl waren unspektakulär: Die CDU verlor zwar an absoluten Stimmen (-12.000 Stimmen), wurde aber stärkste Kraft, weil sie Stimmen aufsog, die wiederum der FDP zum Wiedereinzug fehlten.
Die SPD, die bei der letzten Landtagswahl angesichts der Konkurrenz durch Lafontaine und DIE LINKE sehr stark eingebrochen war, holte sich aus allen politischen Lager Stimmen zurück (8.000 von der FDP, je 7.000 von CDU und LINKEN, 6.000 von den Grünen), verlor aber an Piraten und Nichtwähler. Bei den Grünen wird vermehrt klar, dass der Höhenflug nach Fukushima und Stuttgart 21 eine vorübergehendes Erscheinung war.
LINKE zwischen den Stühlen
Das Ergebnis der LINKEN liegt mit 16,1 Prozent weit über dem, was sonst für DIE LINKE in Westdeutschland drin ist. Vor dem Wahlkampfauftakt lagen die Umfragen bei rund 12 Prozent.
Im Wahlkampf hat insbesondere Oskar Lafontaine Boden gut gemacht. Lafontaine hatte in seinen Auftritten scharf polarisiert und die Klassenspaltung im Land angegriffen.
Doch auch er konnte das sehr starke Ergebnis von 2009, nämlich 21,3 Prozent, nicht halten. Das reflektiert die momentane Schwäche der Partei, die nach innen gewendet, bieder und wenig profiliert erscheint.
Protestpartei Piraten
In die Nische der frechen Protestpartei, welche die Etablierten ärgert, stoßen jetzt die Piraten. Deren Erfolg ist nicht durch das Thema Netzpolitik zu erklären. 40 Prozent der Piratenwähler gaben an, »soziale Gerechtigkeit« sei ihr Hauptthema, nur 27 Prozent sagten Netzpolitik.
94 Prozent der Piratenwähler gaben an, die Partei sei eine gute Alternative für Nichtwähler, 84 Prozent sagten, sie seien eine gute Alternative zu den etablierten Parteien. 83 Prozent sagten, die Piraten sorgten dafür, dass die Politik offener und transparenter wird.
Gegen die Etablierten
Durch die Wahl der Piraten drückt sich ein Protest gegen die etablierten Parteien und den etablierten Partei-und Politikbetrieb aus, und zwar auf einer sozialen Grundlage, der Wahrnehmung einer sozialen Schieflage der Gesellschaft.
Bei den Piraten landet eine diffus linke Proteststimmung, und zwar relativ unabhängig davon, welche Positionen die Piraten vertreten. Die Saar-Piraten standen beispielsweise für die Schuldenbremse.
DIE LINKE vertritt zwar linkere Positionen als die Piraten und ist grundsätzlich die Formation mit dem härteren antikapitalistischen Profil – wird aber offensichtlich von vielen, gerade jungen Wählern unter »Establishment« einsortiert.
Widersprüche und Herausforderung
Während die Piraten mit 8.000 Stimmen mit Abstand um meisten von dem Nichtwählern gewonnen haben, hat DIE LINKE mit 17.000 Stimmen mit Abstand am meisten an die Nichtwähler verloren. Das ist ein scharfer Kontrast zu den Wahlzyklus 2008-9, wo DIE LINKE, meistens als einzige Partei, unter den Nichtwählern mobilisierte.
Natürlich surfen die Piraten jetzt auf einer Welle, vor der niemand weiß, wie lange sie rollt. Zudem sind sie inhaltlich widersprüchlich und organisatorisch fragil. Dennoch stellen sie für DIE LINKE eine Herausforderung da, da sie Wähler und, viel wichtiger noch, junge Aktivisten an sich bindet, die eigentlich DIE LINKE gewinnen sollte.
Linkes Profil schärfen
Diese Vorschläge können dabei helfen: DIE LINKE sollte daran arbeiten, in den kommenden sozialen Protesten profiliert aufzutreten, um deutlich zu machen, dass Aktivität gegen die herrschenden Verhältnisse nach wie vor ihr Kerngeschäft ist.
Die Piraten haben einen Wahlkampf ohne Parteiapparat geführt, im wesentlichen über Netzwerke und Basisaktivierung über die Mitgliedschaft hinaus. Ähnliche Konzepte hat DIE LINKE im Rahmen des »Aktiv-Wahlkampfs« 2009 auch entwickelt – es wäre an der Zeit, diese Konzepte im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 wieder in der Partei zu verankern
DIE LINKE sollte sich mit einem antikapitalistischen Profil gegen Konzerne in die Debatte um Netzpolitik einmischen.
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