George Galloway, Kandidat für »Respect«, gewinnt mit absoluter Mehrheit die Nachwahl in der Stadt Bradford West und zieht ins britische Unterhaus ein. Von David Paenson
Das britische linke Wahlbündnis »Respect« ist mit dem Kandidaten George Galloway bei einer Nachwahl in das Unterhaus eingezogen. Bei einer Wahlbeteiligung von 50 Prozent erreichte Galloway in Bradford West in Mittelengland 18.341 Stimmen gegenüber 8.201 für den zweitplatzierten Kandidaten der sozialdemokratischen Labour-Partei. Das britische Mehrheitswahlrecht begünstigt normalerweise große Parteien.
George Galloway ist eine seit Jahrzehnten bekannte Figur auf der politischen Linken. Nicht wegen seiner etwas missglückten Teilnahme an der »Big Brother«-Reality Show vor nicht allzu langer Zeit, sondern wegen seiner prinzipiellen Haltung auf der Seite der kämpfenden Arbeiterklasse, gegen den britischen Imperialismus und seine Kriege, gegen Islamophobie und jede andere Form von Rassismus und für die Sache der Palästinenser.
Für Arbeitsplätze, gegen Islamophobie
Manche werden sich an seine sehr aktive und werbewirksame Unterstützung für die Fabrikbesetzung des Caterpillar-Werkes in Schottland Ende der 80er Jahre erinnern. Aus Protest nicht nur gegen den Verlust von 1.200 Arbeitsplätzen, sondern auch gegen die Schließung eines profitablen Werks und dazu noch eines, das potenziell nützliche Produkte für die Bau- und Landwirtschaft weltweit herstellte, bauten die besetzenden Arbeiter einen riesigen Traktor, den sie rosa-rot bemalten, in Erinnerung an den rosa-roten Panther, und schenkten ihn der schottischen Welthungerhilfe War on Want, deren Vorsitzender Galloway war. Sie sagten dazu: »Wir können und werden helfen, die Welt zu ernähren.«
Galloway, den man in unzähligen Reden gegen Ungerechtigkeit auf Youtube quasi live erleben kann, begeistert durch seinen Witz und seine Unerschrockenheit. Er griff beispielsweise ganz offen einen Labour-Abgeordneten an, der der Welle der Islamophobie nach Jahren der Standhaftigkeit schließlich nachgab, weil er meinte, damit seinen Parlamentssitz zu behalten, und zu einer Muslima sagte, er würde doch gern ihr Gesicht sehen, weil er sonst nicht mit ihr kommunizieren könne. Dazu stellte Galloway die Frage, ob dieser Abgeordnete folgerichtig auch nicht in der Lage wäre, am Telefon zu reden, weil man sein Gegenüber am Ende der Leitung bekanntlich auch nicht sehen kann.
Kampagne der jungen Menschen
Einer der Wahlkampfhelfer, Umit Yildiz, Dozent an der Bradforder Uni, meinte, die Kampagne hätte vor allem junge Menschen angezogen, die von Krieg und Kürzungen die Nase voll haben. Sie haben es satt, dass die Labour-Partei – traditionell ihre Partei – ihre Stimmen als Selbstverständlichkeit kassiert, aber für ihre Basis nichts tut. Labour hat 1000 städtische Arbeitsplätze vernichtet und über 70 Millionen Euro im Etat weggekürzt. Die Jobsituation ist katastrophal. Junge Menschen mit Uni-Abschlüssen kriegen bestenfalls einen Job im Callcenter in der nächsten Großstadt Leeds.
Shabana Bashir arbeitet als Lehrerin für Englisch als Fremdsprache. Sie ist seit einigen Jahren aktiv in »Respect« und hat bereits 2010 kandidiert. Sie beteiligt sich an der Kampagne gegen Krieg und auch an der Solidaritätsarbeit mit Palästina. Sie meinte, alles riefe nach einer anderen Politik. Eine Politik, die sich gegen die Vernachlässigung von Schulgebäuden und den kontinuierlichen Jobabbau stemmt. Als Mutter von drei Kindern macht sie sich Sorgen, in was für einer Welt sie groß werden. Und sie weiß, dass diese Sorgen alle Eltern, unabhängig von ihrer Herkunft, eint.
Platz links von Labour
Weder die Konservativen, traditionell die zweitstärkste Partei, noch die Liberal-Demokraten konnten vom Niedergang der Labour-Partei profitieren. Stattdessen trat »Respect« an ihre Stelle, mit seiner prinzipienfesten Haltung in vielen Fragen, die die Menschen bewegen und ihnen Sorgen machen.
Galloway hat eine lange parlamentarische Tradition. 18 Jahre lang vertrat er Glasgow, bis er wegen seiner Gegnerschaft gegen den Irakkrieg aus der Labour-Partei geworfen wurde. 2005 gewann er mit »Respect« den Sitz für Bethnal Green in London gegen die Pro-Kriegs-Labour-Kandidatin Oona King.
Danach verlor »Respect« erheblich an Schwung und Galloway bei den nächsten Wahlen seinen Sitz. Aber der riesige Erfolg von Bradford macht deutlich, dass eine Partei links von Labour immer noch nötig ist und auch Unterstützung finden kann, wenn die Sache nur mutig und entschlossen genug angepackt wird. Geduld und Standhaftigkeit werden belohnt.
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