In der Magdeburger AfD-Fraktion toben Machtkämpfe. Abgeordnete der regierenden CDU leisten stellenweise Schützenhilfe. Von Vincent Streichhahn
Die Alternative für Deutschland (AfD) ist inzwischen in 11 der 16 deutschen Landtage eingezogen – teils mit hohen zweistelligen Ergebnissen. Bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt im März letzten Jahres gelang der Partei mit 24 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis. Sie wurde zur Oppositionsführerin gegen die schwarz-rot-grüne Koalition. Die meisten der 25 AfD-Abgeordneten haben allerdings kaum parteipolitische Erfahrung. Drei besaßen früher ein CDU-Parteibuch, einer war bei der SPD, ein anderer bei der DKP. Die Führungsfigur des Landesverbandes ist André Poggenburg, der sich selbst euphemistisch als Vertreter des »nationalkonservativen Flügels« bezeichnet und zum Thüringer Chefideologen Björn Höcke ein vertrauensvolles Verhältnis pflegt.
Die parlamentarische Arbeit der AfD ist bislang bescheiden. Bis Mitte Juli waren die Anträge der Fraktion an einer Hand abzählbar. Danach ging das Parlament in die Sommerpause. Ihr erster Antrag, den sogenannten Asylkompromiss der Bundesregierung zu unterstützen und dadurch die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, löste Entsetzen aus, weil in der Antragsbegründung auf Asylmissbrauch und Kriminalität verwiesen wurde. Im Bundesrat hat sich Sachsen-Anhalt nur aufgrund der Ablehnung der Grünen enthalten.
Schützenhilfe von der CDU
Schützenhilfe für die braunen Parlamentsneulinge kommt indes von der CDU. Dass CDU-Ministerpräsident Rainer Haseloff die Zusammenarbeit mit der AfD noch vor der Landtagswahl kategorisch ausgeschlossen hat, scheint Teile seiner Fraktion nicht zu stören. Der 53-Jährige Daniel Rausch (AfD), der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die vermeintliche »Frühsexualisierung« in Kitas und Schulen zu verhindern, wurde im April 2016 zum Landtagsvizepräsidenten gewählt. Wulf Gallert schaffte es, anders als Rausch, nicht im ersten Wahlgang. Zahlreiche CDU-Mitglieder müssen für Rausch, aber gegen den dreimaligen Landesspitzenkandidaten der LINKEN Gallert gestimmt haben. Rausch ist inzwischen von seinem Posten zurückgetreten – aus privaten Gründen, wie es heißt.
So viel Unterstützung erhält teils nicht mal eine eigene Koalitionspartnerin. Ende November 2016 ließen vermutlich CDU-Abgeordnete die Fraktionsvorsitzende der Grünen bei der Wahl zum stellvertretenden Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) durchfallen – nachdem die AfD für ihre PKK-Vertreter bereits im Juni im ersten Anlauf eine Mehrheit bekam. Am 24. November sorgte die CDU sogar dafür, dass die AfD einen Platz mehr in der Bundesversammlung erhielt, als ihr zustünde.
Flügelkämpfe innerhalb der AfD
Es wäre verkehrt, die Magdeburger AfD-Fraktion als einen monolithischen Block zu verstehen. Landeschef Poggenburg und seine Anhänger erzeugen eine Menge Reibung – manch einer stößt sich an Poggenburgs Alleinherrschaftsanspruch, andere an seinen Versuchen, die AfD weiter nach rechts zu öffnen. In einem Brandbrief »Ruf der Vernunft aus Sachsen-Anhalt« vom Juni 2016 kritisierten die Kreischefs und 15 der 25 Landtagsabgeordneten die Landesspitze. Auslöser war die Forderung des AfD-Abgeordneten Hans-Thomas Tillschneider nach einer Kooperation mit der Identitären Bewegung, da es beiden Akteuren um eine »deutsche Identität« ginge.
Unmut gegenüber Poggenburg ist auch fraktionsintern laut geworden. Nach Angaben der Mitteldeutschen Zeitung hätten sich in einer geheimen Abstimmung im Sommer 2016 12 der 25 Abgeordneten unzufrieden mit Poggenburgs Führung im Landtag gezeigt. Beklagt wurde eine Ämterhäufung und eine merkliche Überlastung. Auf dem Landesparteitag im Mai 2016 wurde Poggenburg noch mit deutlicher Mehrheit erneut zum Landeschef gewählt, wobei Poggenburg ursprünglich angekündigt hatte, für den Posten nicht erneut zu kandidieren. Einige Parteimitglieder warfen ihm Wortbruch vor.
Der neuste Eklat: Im März dieses Jahr flog eine vorstandskritische Gruppe in Sachsen-Anhalt auf, die Poggenburg stürzen wollte. Dieser kündigt indes an, die Direktkandidaten für die Bundestagswahl in den Wahlkreisen der Unruhestifter neu wählen zu lassen. Den beteiligten Kreischefs droht er mit Amtsenthebung.
Ausblick: Wie weiter?
Eine zweistellige Zahl von CDU-Abgeordneten reichte bisher immer aus, um AfD-Abgeordnete in Ämter zu hieven. Manche sehen darin eine Bestrafung der CDU-Spitze, weil deren Basis der Kenia-Koalition sehr skeptisch gegenüber stehe. Ob die gegenwärtige Koalition hält, ist ungewiss. Andere ahnen wiederum, dass dies der Beginn eines braun-schwarzen Duos ist – erste Gehversuche gibt es. Um so wichtiger ist es, der AfD bei ihrem Bundesparteitag in Köln die Show zu stehlen.
Foto: Metropolico.org
Schlagwörter: AfD, Alternative für Deutschland, André Poggenburg, CDU, Grüne, Inland, Magdeburg, Sachsen-Anhalt, SPD