Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum ESM und Fiskalpakt wird die kräftige Besteuerung von Millionären und Milliardären immer drängender. Andernfalls drohen über Jahre hinweg massive Sozialkürzungen. marx21.de dokumentiert eine Stellungnahme von Michael Schlecht (Chefvolkswirt der Fraktion DIE LINKE) zur ESM-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
In der öffentlichen Debatte stehen die Auflagen für den ESM, den europäischen »Rettungsschirm«, im Vordergrund. Die Richter in Karlsruhe halten den ESM nur für verfassungsgemäß wenn völkerrechtlich geregelt wird, dass der deutsche Anteil von 190 Milliarden Euro nicht überschritten werden kann. Außerdem muss eine umfassende Unterrichtung des Bundestages und Bundesrates gewährleistet sein.
Dies ist ein eindeutiger Gewinn für die Demokratie und insofern hat sich der Gang nach Karlsruhe für DIE LINKE gelohnt. Allerdings ist der Erfolg sehr begrenzt. Denn der ESM wird Hilfsgelder nur vergeben mit scharfen sozialen Auflagen, die wie im Falle Griechenlands zu brutalen sozialen Verschlechterungen führen und das Land ökonomisch noch weiter in den Abgrund treiben. Weiterhin werden vor allem Banken gerettet ohne die wirklichen Ursachen der Eurokrise anzugehen.
Fiskalpakt durchgewunken
Das Verfassungsgericht hat den Fiskalpakt ohne Wenn und Aber durchgewunken. Dass diese grundgesetzliche Regelung in Zukunft auch von einer Zweidrittelmehrheit nicht mehr verändert werden kann, stört die Richter in Karlsruhe nicht.
Die Staaten dürfen sich nur noch mit rund 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes neu verschulden. Dies betrifft nicht nur den Bundeshaushalt, sondern im Grundsatz auch Landes- und Kommunalhaushalte. Über ihnen wird eine dicke Peitsche zum verschärften Sozialabbau und zur Streichung von Stellen im öffentlichen Dienst kreisen.
Schnitte in den Staatsausgaben
Zudem muss der Anteil der Staatsschulden am Bruttoinlandsprodukt innerhalb von 20 Jahren von jetzt etwas mehr als 80 Prozent auf 60 Prozent zurück geführt werden. Die Bundesregierung geht davon aus, dass in Zukunft das jährliche Wirtschaftswachstum bei drei Prozent, preisbereinigt bei 1,5 Prozent liegt. Schäubles Rechnung: Wenn die jetzigen Staatsschulden von 2,1 Milliarden Euro nicht weiter wachsen, dann werden diese sich in 20 Jahren zu einem deutlich angewachsenen Bruttoinlandsprodukt ins Verhältnis setzen. Die Forderung nach 60 Prozent aus dem Fiskalpakt wäre so erreichbar.
Diese Hoffnung ist jedoch hochgradig illusionär. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass die deutsche Wirtschaft 2013 abrutschen wird, möglicherweise wird das Wirtschaftswachstum sogar schrumpfen. Dann zwingt der Fiskalpakt der Regierung tiefe Schnitte in die Staatsausgaben auf. Verkündet werden sie nach der Bundestagswahl.
Reiche besteuern
Wenn die Wirtschaft in Zukunft nur halb so stark wächst wie von der Regierung erhofft, dann liegen in der Logik des Fiskalpaktes Kürzungen von 15 Milliarden Euro jährlich. Kommt es im langfristigen Schnitt zu einer Stagnation, dann drohen weitaus brutalere Einschnitte.
Die Alternative um derartigen Horrorszenarien zu entgehen: Die vom Fiskalpakt geforderte Zurückführung der Staatsschulden muss von den Reichen und Vermögenden finanziert werden.
umFAIRteilen am 29. September
Die Millionäre in Deutschland verfügen über ein Vermögen von knapp 1,9 Milliarden Euro. Wenn dies einmalig mit einer Vermögensabgabe von rund 30 Prozent belegt wird, dann sinkt die Staatsschuldenquote auf 60 Prozent!
Wer eine fortwährende Orgie der Sozialkürzungen verhindern will, muss Millionäre zur Kasse bitten. Dieses Ziel verfolgt die Bewegung »umFAIRteilen«, die am 29. September in vielen deutschen Städten einen großen Aktionstag veranstaltet.
Mehr auf marx21.de:
- umFAIRteilen – Reichtum besteuern: Die umFAIRteilen-Kampagne soll Druck für eine Vermögensteuer machen. Am 29. September startet mit Demonstrationen in Berlin, Köln, Frankfurt, Hamburg und weiteren Städten die Mobilisierungsphase. Hier ist das Video dazu
- Mehr und zugespitzter mobilisieren: Die umFAIRteilen-Kampagne für eine höhere Besteuerung von Vermögen gewinnt an Fahrt. Sie wird politisch auch von Teilen der SPD und den Grünen unterstützt. Wie soll die Linke damit umgehen? Stefan Bornost macht Vorschläge
- Europäischer Zentralstaat für die Bosse? »Großindustrie pro Euro«: So titelt die »Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung« in einem Kommentar zum EU-Gipfel, der vor genau einem Monat in Brüssel zur Eurokrise tagte. Doch wo kommt die Krise eigentlich her? Was hat dieser Gipfel gebracht? Und wie geht es weiter? Thomas Walter gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.