An der Berliner Universitätsklinik Charité haben Gespräche für einen neuen Tarifvertrag begonnen. Es geht um die Qualität der Pflege. marx21 dokumentiert ein Flugblatt der LINKEN Berlin-Gesundbrunnen
Die Überlastung der Pflegekräfte in deutschen Krankenhäusern hat eine Grenze erreicht, die sowohl für die Pflegekräfte als auch für die Patienten ernste gesundheitliche Risiken zur Folge hat.
Ende Oktober ist ein Neugeborenes im Virchow-Klinikum an einer Blutvergiftung gestorben. Derzeit ist nur eine Schwester für drei bis vier Babys zuständig. Die wachsende Überlastung der Charité-MitarbeiterInnen macht solche Fälle noch wahrscheinlicher. Jutta Schauer-Oldenburg, ehemalige Patientenfürsprecherin am Campus Virchow sagte: »Ich konnte das nicht mehr ertragen. Im Klinikalltag findet eine ständige Leistungsverdichtung statt. Da passieren Dinge, die nicht passieren dürfen … Das Outsourcing ist tödlich.«
Die ver.di Betriebsgruppe an der Charité hat die Klinikleitung der landeseigenen Charité schon im Juni dieses Jahres zu einer neuen Tarifrunde aufgefordert. Die Pflegekräfte kämpfen nicht für höhere Löhne, sondern für eine ausreichende Besetzung der Stationen mit Pflegern und Schwestern. Davon würden alle profitieren, denn krank werden kann jeder einmal. Und jeder wünscht sich dann wohl, dass die Pfleger und Schwestern genügend Zeit für alle haben.
Nachdem das Pflegemanagement jahrelang die Lücken im Dienstplan notdürftig mit Leiharbeitern gestopft hatte, kündigte es an, die Kosten dafür künftig sparen zu müssen. Die dadurch entstehende Unterbesetzung auf den Stationen sollte durch die ohnehin schon bis an die Grenze belastete Stammbelegschaft und – vertragswidrig – durch Auszubildende zusätzlich gestemmt werden. Schon ist es so, wie eine Frau der Berliner Zeitung erzählte: »Ich putze mein Bad inzwischen selbst, weil die Reinigungskraft für jedes Zimmer nur wenige Minuten Zeit hat.«
Laut ver.di haben die knapp 4000 Pflegekräfte der Charité über 100.000 Überstunden angesammelt. Allein diese Überstunden entsprechen 50 neuen Stellen in der Pflege. Trotzdem wurden in den letzten vier Jahren ungefähr 200 Stellen in der Pflege gestrichen. Nun fordert die ver.di Betriebsgruppe an der Charité eine tarifvertragliche Festlegung der nötigen pflegerischen Mindestbesetzung, die sich an der realen Zahl der Patienten orientiert. Die Charité ist die erste Klinik deutschlandweit, in der eine solche Auseinandersetzung beginnt.
Für den Fall, dass die Klinikleitung nicht zu Tarifgesprächen bereit sein sollte, haben die Pfleger und Schwestern bereits angekündigt, notfalls auch mit einem Streik für die Mindestbesetzung an der Charité zu kämpfen. Einer erfolgreicher Streik an der Charité wäre beispielhaft für die Beschäftigten in anderen Kliniken. Dadurch würde ein starkes Signal gesetzt werden, die angemessene personelle Besetzung von Pflege zum Wohl der PatientInnen und Pflegenden nicht dem wirtschaftlichen Kalkül zu unterwerfen.
DIE LINKE Bundestagsfraktion sagt den Charité MitarbeiterInnen: »Ihr seid Vorreiter einer Bundesweit neuen Tarifbewegung für Gesundheitschutz, gegen prekäre Beschäftigung … Euer Kampf ist auch die gegen die neoliberale Gesundheitspolitik der letzte Jahr. Wir unterstützen Euch wo und wie wir können.« Falls es an der Charité zum Streik kommt, wird DIE LINKE in Gesundbrunnen – und anderswo – sich mit Solidaritätsarbeit beschäftigen. Bitte mach mit!
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