Die Bundestagswahl endete mit einem politischen Erdbeben. Der Schock über den Wahlerfolg der AfD ist groß. Wie soll sich DIE LINKE nun aufstellen? Fünf Thesen vom Netzwerk marx21
1. Das Ergebnis der Bundestagswahl drückt eine Krise des politischen Systems aus. Das historisch gewachsene politische Zentrum aus CDU und SPD verliert. Die AfD gewinnt mit einer klaren Anti-Establishment-Haltung und dem Anknüpfen an rassistischen Ressentiments.
Es ist passiert: Die AfD zieht mit 94 Abgeordneten in den Bundestag ein. Der Abgang von Frauke Petry am Tag nach der Wahl zeigt zugleich an, wer in Fraktion und Partei den Ton angibt: der gestärkte neofaschistische Flügel um Alexander Gauland und Björn Höcke.
Nach Trump und Le Pen nun also Gauland – in Deutschland läuft ein ähnlicher politischer Prozess ab wie in vielen anderen Ländern: das politische Zentrum erodiert. Der Jubel von Angela Merkel über ihren »Wahlsieg« ist angesichts des schlechtesten Ergebnisses von CDU/CSU seit 1949 eine Farce. Jahrzehnte sozialer Verwüstungen durch neoliberale Politik und bürgerliche Regierungen, die ihre Politik für die Reichen und Konzerne als alternativlos darstellten, haben bei Millionen eine tiefe Ablehnung gegen »die da oben« hervorgerufen – gegen die Parteien, die Konzernpresse, die Eliten. Hinzu kommen die Widersprüche des »Merkel-Booms«. Von dem enormen Reichtumswachstum kommt bei großen Teilen der Bevölkerung nichts an, 40 Prozent verdienen sogar weniger als im Jahr 2000. Angesichts dieser Erfahrungen ist die Anti-Establishment-Stimmung berechtigt. Sie muss nicht automatisch rechts sein, sondern könnte auch nach links gewendet werden, in einen gemeinsamen Kampf für ein besseres Leben für alle. Elemente davon haben wir in den inspirierenden Wahlkampagnen von Jeremy Corbyn in Großbritannien und Bernie Sanders in den USA gesehen.
Bei der Bundestagswahl ist das Gegenteil passiert: Die Stimmung richtet sich nicht gegen oben, sondern gegen unten, gegen diejenigen, die schwächer sind. 85 Prozent der AfD-Wähler geben an, sie hätten die Partei gewählt, »weil sie damit ihren Protest ausdrücken können«. 60 Prozent sagen, sie wählen die AfD, weil diese »gegen alle anderen Parteien« sei. Offensichtlich haben große Teile der AfD-Wählerschaft ihre Stimmabgabe als die größtmögliche Kampfansage an den verhassten Status Quo gesehen. Gleichzeitig meinen 55 Prozent der AfD-Wählerschaft, dass sich die Partei nicht genug von rechtsextremen Positionen distanziert. Trotzdem sind diese Proteststimmen alles andere als politisch unbestimmt. Das zeigt ein Blick auf die Gründe von AfD-Wählern und -Wählerinnen. Sie sagen, die »Menschen fühlen sich nicht mehr sicher« (99 Prozent), der Einfluss des Islam solle verringert (99 Prozent) und der Zuzug von Flüchtlingen begrenzt werden (96 Prozent). Zudem sorgen sie sich um den Verlust der deutschen Kultur (95 Prozent) und befürchten eine Veränderung des Lebens in Deutschland (94 Prozent) [Quelle: Forschungsgruppe Wahlen und infratest dimap]. Die AfD hat erfolgreich bestehende Wut und Ängste in Richtung Rassismus und Law-&-Order-Politik gelenkt. Die AfD-Wähler und -Wählerinnen sind also weder nur ein bisschen wütend – und mit mehr sozialer Gerechtigkeit von ihren mittlerweile verfestigten rassistischen und autoritären Positionen zu lösen – noch sind sie in ihrer überwältigenden Mehrheit Fans davon, eine faschistische Diktatur zu errichten. Die soziale Misere ist der Nährboden, auf dem die Wut gedeiht und die AfD wächst.
Eine Perspektive für eine solidarische Überwindung dieser Misere und des Widerstands gegen die Angriffe auf Lohnabhängige und die sozialen Sicherungssysteme aufzubauen ist nun eine wichtige Aufgabe. Die Wurzel aber, mit der sich die AfD in diesem Nährboden verankert, ist der Rassismus – insbesondere gegen Muslime. Er muss gesondert bekämpft werden, durch gute Argumente und gemeinsame Kämpfe.
Für DIE LINKE sollte das Wahlergebnis ein Weckruf sein. Sie darf die radikale Systemopposition nicht der AfD überlassen, sondern muss erkennbar sein als antikapitalistische Kraft. Das ist ihr tatsächlich in Ansätzen gelungen: Die scharfe Kampfansage gegen Banken, Konzerne und ihre Parteien und die Bewegungsorientierung, ausgedrückt zum Beispiel durch die Kampagne für bessere Pflege, hat zu den starken Ergebnisse der LINKEN im Westen beigetragen. Doch das hat den Einbruch um 6,1 Prozentpunkte im Osten mit massiven Stimmverlusten an die AfD nicht verhindern können.
Der Ansatz, Verantwortung in Landesregierungen zu übernehmen, hat angesichts der geringen Gestaltungsspielräume und einer rechten SPD als Partnerin offensichtlich nicht die erhoffte Attraktivität entfaltet. DIE LINKE konnte sich nicht so stark von »den anderen« absetzen, als dass sie dem Abwatschen der »Etablierten« entgangen wäre. Die Zustimmung der LINKEN in Sachsen zur Schuldenbremse und in Thüringen, Brandenburg und Berlin zur Autobahnprivatisierung konterkarierte die antikapitalistische Profilierung der Partei.
2. Es ist kein Naturgesetz, dass eine massenhafte Abkehr vom politischen System nach rechts führt. Die Chance steigt aber massiv, wenn die Bürgerlichen – Parteien, vor allem aber auch die Medien – versuchen, die kleinbürgerliche Rechte dadurch zu bekämpfen, dass sie deren Agenda übernehmen. Das AfD-Ergebnis ist logische Konsequenz eines Wahlkampfs, in dem sie mit aller Gewalt die Themen Geflüchtete, Islam, Terror und Innere Sicherheit ins Zentrum rückten.
Das geradezu grotesk verlaufene TV-Duell zwischen Martin Schulz und Angela Merkel verdeutlichte, dass die AfD viele Wahlhelfer außerhalb ihrer eigenen Reihen hatte. Mit großer Hartnäckigkeit lenkten die Moderatoren die gesamte Veranstaltung auf Zuwanderung, Muslime und Terror, während Themen wie Pflege, Bildung und die vom Merkel-Boom Abgehängten komplett ausgeblendet wurden. Zuvor hatte man schon den Eindruck, dass die Redaktion der »Bild« personalidentisch mit dem AfD-Vorstand ist, diverse Vorderseiten waren von AfD-Wahlplakaten nicht zu unterscheiden.
Alle Parteien mit Ausnahme der LINKEN schwenkten auf diese Themensetzung ein oder hielten sich wie im Falle der Grünen bedeckt. Die FDP stellte neben dem altbekannten Sammelsurium von Arbeitgeberpositionen die Aufrüstung von Polizei und Militär ins Zentrum und bediente sich in der Flüchtlingsfrage bei der AfD. So forderte die Lindner-Partei, abgelehnte Asylbewerber schneller abzuschieben, die Grenzen mit »modernsten Überwachungsmitteln« abzuschotten und zu schließen, wenn viele Menschen auf einmal flüchten.
Die CDU führte einen klassischen »Law & Order«-Wahlkampf unter völliger Ausblendung der sozialen Themen und betonte die vielen »Errungenschaften« der Partei bei der Schleifung des Asylrechts. Eine besonders unrühmliche Rolle spielte die SPD: Martin Schulz war Anfang August der Erste, der mit aller Gewalt die Flüchtlingsfrage als Bedrohungsszenario wieder in den Wahlkampf holte. Kein Wunder, dass mit 44 Prozent fast jeder Zweite sagte, Einwanderung sei das wichtigste politische Problem im Land – noch vor sozialer Gerechtigkeit und zusammen mit dem Thema Innere Sicherheit in der gleichen Größenordnung wie die Summe der sozialen und wirtschaftlichen Themen. Genützt hat es nur der AfD. Bezeichnend das Ergebnis in Bayern: Hier hat die CSU Merkel durchgehend in der Flüchtlingsfrage von rechts angegriffen – immer mit dem erklärten Anspruch, die AfD klein zu halten. Stattdessen holte die AfD hier mit 12,4 Prozent ihr stärkstes Ergebnis im Westen.
In Deutschland wiederholt sich jetzt, was in Frankreich und Österreich in Bezug auf den Front National und die FPÖ seit Jahren zu beobachten ist: Bürgerlichen Parteien bis zur Sozialdemokratie und die Medien versuchen, Rechtsaußenparteien das Wasser abzugraben, indem sie deren Agenda übernehmen. Doch letztlich stärkt das nur die rechten Parteien. So kann die AfD-Führung mit Fug und Recht behaupten, dass sie als kleine Partei und aus der Opposition heraus die gesamte Agenda des Wahlkampfs gesetzt hat. Das ist durchaus ein Triumph für die Partei.
3. Das gute Abschneiden der AfD ist auch dem niedrigen Niveau von sozialen Kämpfen geschuldet. Die Diskussion über eine Strategie gegen den rechten Vormarsch sollte die Frage der Kampffähigkeit der Gewerkschaften nicht aussparen.
Der Silberstreif am Horizont einer insgesamt unerquicklichen öffentlichen Debatte im Wahlkampf war die Intervention eines jungen Pflegers in der Sendung »Wahlarena«, der Merkel scharf für die menschenunwürdigen Zustände in den Krankenhäusern angriff. Kurz darauf folgten Protestaktionen an diversen Krankenhäusern. Plötzlich drehte sich für zwei kurze Tage die gesamte Dynamik: Der eigentliche gesellschaftliche Frontverlauf zwischen den Plünderern der öffentlichen Daseinsvorsorge in den Regierungen und Konzernzentralen und der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung, ob biodeutsch, muslimisch oder geflüchtet, wurde wieder deutlich. Die großen Parteien überboten sich in Versprechungen, den Pflegenotstand zu beheben.
Was wäre wohl gewesen, wenn die Gewerkschaftsführungen, allen voran die stark von der Ausblutung des öffentlichen Sektors betroffene ver.di, statt der praktizierten Stillhaltepolitik eine massive Mobilisierung ihrer Mitglieder für bessere Pflege, Bildung und öffentliche Infrastruktur veranlasst hätte? Doch sie haben es nicht, im Gegenteil: Aktivistinnen aus den Krankenhäusern und protestwillige Gewerkschaftssekretäre berichteten übereinstimmend von enormen Widerständen im Apparat, selbst bei der Vorbereitung dieser kleineren Streik- und Protestaktionen. Das verweist auf ein tieferliegendes Problem: Das beste Gegengift gegen die AfD wäre der gemeinsame Kampf der Vielen für ihre politischen und sozialen Rechte. Dadurch würden Ohnmachtsgefühle überwunden, Bande zwischen diesen Menschen geknüpft und der Blick auf den eigentlichen Gegner geschärft. Dem Rassismus der AfD stünde die reale Solidaritätserfahrung gegenüber, die Wirkmächtigkeit der Spaltungsideologie würde auf Barrieren treffen.
Doch ein solcher Kampf findet in Deutschland nicht im ausreichenden Maße statt und dafür tragen die Gewerkschaftsführungen eine wesentliche Verantwortung. Gleich dreimal haben sie sich in letzten 15 Jahren ins eigene Bein geschossen und die eigene Kampfposition verschlechtert: Die Nichtunterstützung der Anti-Hartz-Bewegung 2003 (»Montagsdemos«) legte den Grundstein für ein Jahrzehnt Lohn-stagnation und teilweisen Lohnabbau, indem die Angst vor dem Hartz-bedingten Absturz die Belegschaften erpressbar machte.
Die Akzeptanz des Leiharbeits- und Werkvertragswesens führte zur Spaltung der Belegschaften in Kernbelegschaften und Prekäre, die von Betriebsräten und auch den Gewerkschaften oft im Stich gelassen werden. Es folgte schließlich nach dem Kriseneinbruch von 2008 die Einbindung in den großen Krisenkorporatismus aus Staat, Unternehmen und Gewerkschaften, der unter anderem die Kosten der Krise voll auf die öffentliche Daseinsvorsorge abwälzte.
Insgesamt ist die Entwicklung der Gewerkschaften vor allem von zwei Problemen geprägt. Da ist zum einen die starke Einbindung in die Ideologie der Standortkonkurrenz – also die Hoffnung, dass durch die Stärkung des deutschen Kapitals im internationalen Wettbewerb auch etwas für die Arbeiterinnen und Arbeiter abfällt. Diese Ansicht ist im Wesentlichen in der Exportindustrie verbreitet. Zum anderen herrscht eine strategische Hilflosigkeit im Umgang mit der Misere, welche die Gewerkschaften selbst mitverursacht oder hingenommen haben (stark spürbar im öffentlichen Dienst in den Sektoren Bildung und Pflege).
Hier muss DIE LINKE ran, wenn sie nachhaltig etwas gegen die Rechtsverschiebung tun will. In den vergangenen Jahren hat sich eine Schicht von betrieblichen Aktiven und linken Sekretären auf unterer Ebene gebildet, die für eine andere, konfliktorientierte Gewerkschaftspolitik eintreten. DIE LINKE kann ein wichtiger Katalysator sein, um diese in einer neuen gewerkschaftlichen Strömung zu bündeln, die in der Lage ist, in die innergewerkschaftlichen Debatten einzugreifen und die Orientierung der Gewerkschaften zu prägen. Die Gewerkschaften haben als Großorganisationen auch eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe, sowohl im ökonomischen Kampf als auch in politischen Auseinandersetzungen wie dem Kampf gegen Rassismus. In diesen Fragen können sie mehr Druck von links gut gebrauchen.
4. Wer über den Erfolg der AfD redet, darf nicht über anderthalb Jahrzehnte antimuslimischen Rassismus schweigen. Jede Strategie gegen die AfD, die nicht den Kampf gegen Rassismus einschließt, wird scheitern.
Neben der Anti-Establishment-Haltung war der größte Wahlkampfschlager der AfD die Dämonisierung von Muslimas, Muslimen und Geflüchteten als vermeintliche Terroristen und Frauenfeinde. Das »Feindbild Islam« wurde nicht erst in diesem Wahlkampf erfunden und auch nicht von der AfD. Vor Gauland war schon Sarrazin. Die Kampagne gegen Muslime läuft mit Unterbrechungen seit dem 11. September 2001. Islamfeindlichkeit ist mittlerweile die dominierende Form des Rassismus in Deutschland. Die AfD und die rechte Szene können darauf setzen, dass sowohl Politikerinnen und Politiker der etablierten Parteien als auch ein Großteil der Medien das Feindbild »Islam« weiter aufbauen, indem sie die Religion gezielt mit negativen Schlagworten wie Terrorismus, Frauenunterdrückung, Homophobie oder Antisemitismus in Zusammenhang bringen. Die Auswirkungen sind verheerend, mehr als die Hälfte der Bevölkerung hat mittlerweile Angst vor Muslimen. DIE LINKE würde einen großen Fehler begehen, wenn sie sich aus Opportunismus gegenüber rassistischen Ressentiments ihrer eigenen Wählerinnen und Wähler vor dieser Frage wegducken würde. Rassismus spaltet und lähmt den Kampf, den wir bräuchten, um der AfD das Wasser abzugraben. Deshalb ist das Projekt soziale Gerechtigkeit, die es ohne außerparlamentarische soziale Kämpfe nicht geben wird, untrennbar mit dem Kampf gegen Rassismus verbunden.
In der LINKEN ist dies bekanntermaßen umstritten. Sahra Wagenknecht deutete an, dass die Partei es sich in der Flüchtlingsfrage »zu leicht gemacht« habe, ließ aber offen, was sie genau damit meinte. Die Beantwortung der sozialen Fragen kann es nicht sein. DIE LINKE hat im Wahlkampf rauf und runter argumentiert, dass es in diesem reichen Land genug Ressourcen gibt, um allen, auch den Geflüchteten, gute Lebenschancen zu eröffnen – sie müssen nur umverteilt werden. Aus dem Wahlergebnis lässt sich die These, dass DIE LINKE sich durch ein starkes antirassistisches Profil isoliert, nicht belegen. In Berlin-Neukölln und Münster beispielsweise haben das Profil gegen die AfD und die Verteidigung von Muslimen eine wichtige Rolle gespielt, hier erzielte die Linkspartei mit 18,3 Prozent und 10,1 Prozent ihre bislang besten Ergebnisse in den jeweiligen Wahlkreisen. Es ist gut möglich, dass durch die klare Kante gegen Rassismus diffuse Protestwähler verprellt wurden – gleichzeitig konnte DIE LINKE aber in viel stärkeren Maße Nichtwähler und ehemalige SPD- und Grünen-Wählerinnen gewinnen, die sich angesichts opportunistischer Anpassungstendenzen ihrer Parteien gegenüber dem Rassismus eine andere Ansage gewünscht haben.
Der Verlust von mehr als 400.000 LINKEN-Wählerinnen und -Wählern an die AfD zeigt aber auch, dass wir unsere Mitglieder im Kampf gegen Rassismus schulen müssen, zum Beispiel durch das Bildungsmodul »Stammtischkämpferausbildung« des Bündnisses Aufstehen gegen Rassismus, um so gegen rassistische Vorurteile besser bestehen zu können. Zur Klassensolidarität gehört auch die Solidarität mit unterdrückten Minderheiten wie Geflüchteten und Muslimen, ebenso wie der Kampf gegen alle Formen sexistischer Unterdrückung.
5. Im Wahlergebnis der LINKEN stehen teils beträchtliche Zugewinne im Westen hohe Verluste im Osten gegenüber. Doch wir benötigen jetzt keine spaltende Ost-West-Debatte, sondern eine nüchterne Auseinandersetzung darüber, welche politische Ausrichtung für DIE LINKE richtig ist. Die Wahlergebnisse verschiedener Kreisverbände geben hier wichtige Hinweise.
Der Preis für die höchste Steigerung in einem Wahlkreis im Westen geht nach – Hamburg-Altona. Ausgerechnet Hamburg! Was hat DIE LINKE hier erdulden müssen, als die gesamte Konzernpresse sie wegen ihrer Unterstützung der G20-Proteste unter Feuer nahm. Doch letztendlich hat die Orientierung auf den Protest gegen die Zumutungen des Kapitalismus die Partei gestärkt, weil dies genau die Art profilierter systemkritischer Opposition ist, die sich viele wünschen. DIE LINKE kam in Hamburg auf starke 12,2 Prozent, in mehreren Stadtteilen des Bezirks Altona wurde sie stärkste Partei.
Doch Hamburg war kein Einzelfall: ein antikapitalistisches Profil, klare Positionen in der sozialen Fragen, ein hohes Profil gegen den rechten Vormarsch und eine gute Arbeit vor Ort führten an vielen Orten zu guten Wahlergebnissen.
Ein weiteres erkennbares Element für eine starke LINKE ist die Orientierung auf eine aktive Mitgliederschaft, die zusammen mit den sozialen Bewegungen politische Aktivität vor Ort entfaltet. Hinter dem starken Ergebnis in Nürnberg-Nord mit 11,7 Prozent stehen einhundert Neueintritte. Viele von ihnen organisierten eine Wahlkampfveranstaltung mit, zu der 3.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen. Hinzu kommt ein aktives Verhältnis zu den Konflikten in der Stadt, zum Beispiel der drohenden Abschiebung afghanischer Schüler, die erheblichen Widerstand hervorrief
Im Westbezirk Berlin-Neukölln erhielt die LINKE 18,3 Prozent der Zweitstimmen, ein Plus von 4,1 Prozent – im armen Neuköllner Norden sogar 30 Prozent.
Dieser Erfolg ist zu einem der politischen Ausrichtung des Bezirksverbandes geschuldet, der sehr aktiv gegen rechts war, aber auch soziale Proteste intensiv begleitet hat. Zum anderen ist er auch eine Bestätigung dafür, dass aktiver Parteiaufbau wirkt. Seit dem Jahr 2007 hat sich die Mitgliederzahl von 223 auf fast 500 mehr als verdoppelt.
So entsteht eine positive Dynamik: Mit mehr aktiven Mitgliedern kann DIE LINKE eine bessere politische Präsenz vor Ort aufbauen und besser in die gesellschaftlichen Konflikte eingreifen, die bessere Präsenz bringt wiederum neue Mitglieder.
Aufschlussreich ist auch der Blick nach Münster: Hier war DIE LINKE an diversen großen Proteste gegen die AfD beteiligt. Das Resultat: Münster ist die einzige Gemeinde in Deutschland, in der das Ergebnis der AfD unter fünf Prozent liegt.
Gleichzeitig konnte DIE LINKE ihre Stimmenzahl um zwei Drittel steigern. Natürlich ist eine westdeutsche Universitätsstadt nicht mit einem ostdeutschen Flächenkreis zu vergleichen. Doch wir sollten die Unterschiede in der Herangehensweise zum erfolgreichen Aufbau der LINKEN auch nicht größer machen als sie sind. Auch im Osten gibt es viele junge Menschen, die aufgeschreckt durch Trump und den AfD-Schock bereit sind, DIE LINKE als antikapitalistische Kraft gegen den rechten Vormarsch aufzubauen. Sie sind die Zukunft der Partei im Osten und brauchen ein entsprechendes Angebot vor Ort, welches sich nicht in einer Passivität ausstrahlenden Orientierung auf das Agieren linker Landtagsfraktionen oder linker Minister und Senatoren erschöpfen darf.
Gerade im Osten muss die Partei an die Front des antirassistischen und antifaschistischen Kampfs kommen und ihre beträchtlichen Ressourcen voll in den Dienst des Kampfes gegen die AfD stellen. DIE LINKE in Leipzig macht es vor. Sie war von Beginn an Teil des Dauerprotestes gegen den Pegida-Ableger Legida und wurde dadurch für viele attraktiv. Lohn der Arbeit war der Gewinn eines Direktmandats und ein halbwegs stabiles Ergebnis verglichen mit dem Absturz im übrigen Sachsen.
Antikapitalistisches Profil, klarer Fokus auf den Kampf gegen die AfD und deren Rassismus, Tuchfühlung zu den konfliktwilligen Kernen in den Gewerkschaften, umgesetzt durch eine aktive und aktivierende Mitgliederpartei: Das sind die Elemente für eine LINKE, die den jetzigen Herausforderungen gerecht wird.
Die AfD hat mit ihren rassistischen Parolen nicht nur hunderttausende Stimmen von der LINKEN gewinnen können, sie hat auch einen höheren Anteil an Arbeiterinnen und Arbeitern für ihren rassistisch umgeleiteten Anti-Merkel-Protest gewinnen können. DIE LINKE ist zurzeit nicht stark genug, Klassenkämpfe im größeren Ausmaß zu initiieren, die auch den abstiegsgefährdeten kleinbürgerlichen Wählerschichten Hoffnung und eine Perspektive des Fortschritts eröffnen könnten. Aber sie muss versuchen, das weitere Vordringen des rassistisch gewendeten Protests in das Arbeitnehmermilieu, vor allem in die Schichten prekär Beschäftigter und arbeitsloser Menschen zu stoppen.
Dafür muss sie selbst zu einer antikapitalistischen, sozialistischen Kraft werden, welche die sozialen Kämpfe aufgreift und politisch bündelt und sich zugleich den Kampf gegen Neofaschismus und Rassismus auf die Fahnen schreibt.
Ein erste Gelegenheit für die Umsetzung dieser Politik, ist die Weiterfährung der Kampagne für bessere Pflege an der Seite der Beschäftigten und ein kraftvoller Protest gegen die AfD bei der konstituierenden Sitzung des Bundestages am 24. Oktober und beim AfD-Parteitag in Hannover am 2./3. Dezember.
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