Der Spitzensozialdemokrat und der grüne Spitzenmann treten jetzt im wahlkämpferischen Duett auf, als Bankenbändiger nur zum Auftakt, der Clou ihrer Darbietung ist: Zweistimmig singen Peer Steinbrück und Jürgen Trittin das Lied von der Wiederkehr des deutschen Wohlfahrtsstaates. Sie hat nur eine einzige Voraussetzung, wenn man ihrem Gesang glaubt: Angela Merkel muss abgelöst werden, SPD und Grüne müssen regieren. Arno Klönne geht der Frage nach, wie es zu dieser Aufführung kam und ob sie zum Publikumserfolg werden kann
Das herausgehobene Wahlkampfthema ist gesetzt, bei den Sozialdemokraten wie bei den Grünen, und schon deren Parteitage waren darauf ausgerichtet: Der Nachweis sozialer Kompetenz soll diesen beiden Parteien eine Mehrheit bringen, die dazu reicht, die CDU/CSU/FDP in der Bundesregierung abzulösen.
Da die Aussichten dafür denn doch ungewiss sind, hat die eine Partei wie auch die andere eine Ersatzlösung in petto: notfalls lässt sich auch einzelparteilich eine Koalition mit der CDU bilden. Denn oberstes Ziel ist das Regieren oder Mitregieren.
Dass über mögliche Partnerschaften mit der CDU/CSU erst einmal nicht mehr öffentlich gesprochen werden soll, ist selbstverständlich, denn das könnte potenzielle Wählerinnen und Wähler in Verwirrung bringen.
Soziales Profil
Woher die neuerdings so leidenschaftlich sich darbietende Neigung von Politikern wie Peer Steinbrück und Jürgen Trittin zum sozialen Profil? Trat nicht der eine bisher als Krisenmanager in Sachen Finanzen, der andere als Erfinder der Energiewende auf?
Diese beiden Themen sind im bevorstehenden Wahlkampf keine Knüller. Das Publikum hat ja mitbekommen, dass SPD und Grüne jener Art von Rettung des Euro-Systems beipflichten, bei der Angela Merkel die Regie führt. Und Ökoenergie ist kein Alleinstellungsmerkmal grüner Politik mehr.
Soziale Kälte
Also braucht es einen anderen, zugkräftigen Schwerpunkt beim Wahlmarketing, und die Demoskopie hat ihn identifiziert: Eine große Mehrheit der Bevölkerung befürchtet, in Zukunft könne es in der Soziallandschaft auch hierzulande recht ungemütlich werden für Alt und Jung, die Renten, die beruflichen Aussichten, die Einkommen für die Normalos betreffend.
Zudem genießt Angela Merkel nach wie vor Spitzenvertrauen, was ihre Regierungskünste angeht, aber man weiß ja, sie ist mit anderen Problemen reichlich beschäftigt. Da ist also eine große Lücke politischer Performance, wer sie ausfüllt, kann Stimmengewinn erhoffen.
Soziale Turbulenzen
Bei einem solchen wahlstrategischen Kalkül ist nicht die Schicht derjenigen im Blick, die schon prekarisiert sind. Von denen gehen die meisten, so vermuten es die Berater von SPD und Grünen, so oder so nicht zur Wahl.
Es geht vielmehr darum, in der viel beschworenen Mitte der Gesellschaft, auch bei der noch leidlich entlohnten Facharbeiterschaft, bei den kleinen Gewerbetreibenden und bei den Besserverdienenden in öffentlichen Diensten das beunruhigende Gefühl von kommenden sozialen Turbulenzen zu zerstreuen. Darum die Botschaft: Alles wird gut, wenn nur wir, die beiden richtigen Parteien, sich administrativ ums Soziale kümmern.
Soziale Gerechtigkeit
Und so wetteifern nun SPD und Grüne darin, sozialpolitische Vorschläge in die Medienwelt zu setzen. Wohlweislich hüten sie sich davor, gesellschaftliche Konfliktlagen deutlich zu machen, Gegenkräfte zu benennen, Bürgerinnen und Bürger zu eigenem Engagement zu ermuntern oder Kampagnen für die hoch gelobte soziale Gerechtigkeit anzuzetteln. Die könnten Eigendynamik entwickeln, das wäre riskant.
Es geht vielmehr um partei- und wahlpolitischen Zugewinn an Aufmerksamkeit, um die Herstellung von diffusen Sympathiewerten, um Zubereitung von Vertrauen in Regierungsfähigkeiten.
Rot-grüner Sozialabbau
Einen Haken hat dieser Plan: Im Publikum ist nicht völlig vergessen, dass es eine sozialdemokratisch-grüne Bundesregierung war, die mit der Agendapolitik den Sozialstaat nachhaltig verschlankte. Er leidet seitdem unter Auszehrung.
Auch sind denn doch manche Bürgerinnen und Bürger imstande, zwischen den zwei Phasen parteipolitischen Verhaltens zu unterscheiden – der vor und der nach einer Wahl. Steinbrück und Trittin geben sich jetzt siegesgewiss – aber das unterm Strich kommt später erst, auch geschäftsbeflissene Parteien können sich verrechnen.
Zuletzt in Klönnes Klassenbuch:
- Der Krisenmanager: SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück versucht sich möglichen SPD-Wählern als Krisenmanager anzudienen. Als Finanzminister hat er aber vor allem den Banken geholfen, meint Arno Klönne
- Deutsche Russlandpolitik – werteorientiert: Der deutsche Bundestag zeigte der russischen Regierung rhetorisch die Faust – die Bundeskanzlerin machte wirtschaftswerbende Visite in Russland. Weiß die politische Klasse hierzulande nicht, was sie russlandpolitisch will? So oder so ist es nicht ihre Absicht, der Masse der Bevölkerung im Putinland beizustehen – motivierend sind innerdeutsche politische und ökonomische Interessen, das erfordert einiges an Arbeitsteilung. Meint Arno Klönne
- Rentenschwindel mit verteilten Rollen: Die jüngsten Beschlüsse der bundesregierenden Koalition von CDU/CSU und FDP und ebenso die Stellungnahmen von SPD und Grünen dazu haben gar nicht im Sinn, soziale Probleme zu lösen. Beide Seiten wollen die Wählerinnen und Wähler hinters Licht führen, meint Arno Klönne