Die Bundesregierung will für ihre internationalen militärischen Operationen Kampfdrohnen anschaffen. Ein weiterer Schritt auf dem Weg zur »Enttabuisierung« nicht nur des Militärischen, sondern auch des Angriffskriegerischen – meint Arno Klönne
Auch das deutsche Militär braucht Kampfdrohnen, sagt der zuständige Bundesminister Thomas de Maizière. Sie gehören heutzutage zum qualifizierten Standard, und die Bundeswehr will offenbar nicht als ein rückständiger Betreiber des Waffenhandwerks dastehen. Als Kritiker tritt der grüne Spitzenmann Jürgen Trittin auf. Er wendet ein: Da seien erst noch einige Fragen zu klären, auch ethische.
Die Kampfdrohnen werden womöglich zum Thema der völkerrechtlichen Diskussion bei der UNO. Die Aussichten, dass die Regierung der Vereinigten Staaten daraufhin nun ihre Predator-Drohnen verschrottet, sind aber äußerst gering.
Welche Interessen verbinden sich mit dieser Waffe? Wie hat sich in der Bundesrepublik jene militärpolitische Logik entwickelt, aus der das Begehren nach den Kampfdrohnen resultiert? Ist von den Grünen (und der SPD) eine wirksame Opposition gegen diese Art militärischer Modernisierung zu erwarten?
Eigene Risiken im Krieg mindern
Es ist nicht so, als sei die Mehrheit der Bevölkerung in den NATO-Staaten von den ständigen Einsätzen des Militärs »out of area« begeistert. Nicht in den USA, nicht in der Bundesrepublik, nicht in anderen Ländern der so genannten westlichen Wertegemeinschaft. Unmut kommt insbesondere dann auf, wenn Opfer des kriegerischen Engagements auf der eigenen Seite vielzählig in Erscheinung treten. Dann wird öffentlich gefragt, ob solche bewaffneten Exkursionen in ferne Gegenden der Welt denn überhaupt sinnvoll sind, ob die »Leistungen« dem menschlichen »Preis« entsprechen.
Also überlegen sich Politiker und Militärs, wie sie Akzeptanz für kriegerische Zugriffe schaffen oder sichern können. Technologisch hochentwickelte Nationen sind da im Vorteil; es werden Waffensysteme entwickelt, die beim Einsatz das Risiko für die eigenen Leute minimieren. Die Kampfdrohne ist ein Beispiel für diese Fortentwicklung des militärischen Instrumentariums, mit asymmetrischem Effekt: Für die zu Feinden erklärten Menschen ist sie tödlich, wer sie aber besitzt und aus der Distanz einsetzt, kommt nicht in Gefahr. Außerdem kann er das angenehme Gefühl haben, sich in einem Computerspiel zu befinden, fernab mörderischer Realität.
Drohnen – ein lukratives Geschäft
Die Drohnen sind teuer, Hochtechnik ist nicht für billiges Geld zu haben. Umso besser – für die Rüstungsunternehmen. Mit solchen Geräten ist viel Gewinn zu machen, schon mit Aufträgen in geringer Stückzahl. Auch lässt sich damit ein Höchststand an Forschung, Entwicklung und herstellerischen Fähigkeiten ausweisen.
Das ist nützlich auch für andere Angebote dieser Unternehmen im Rüstungsmarkt. Dort herrscht Konkurrenz, die potenziellen Kunden müssen beeindruckt werden. Die deutschen Anbieter in der Branche, zum Teil in multinationale Konsortien eingebunden, stehen nicht schlecht da. Immerhin rangiert die Bundesrepublik an dritter Stelle des Rüstungsexports weltweit. Eine solche Marktposition bedarf der stetigen Pflege.
Rüstungsprodukte sind nur zu verkaufen, wenn sie sich im Einsatz »bewährt« haben. Ohne Kriegshandlungen käme das Geschäft der Waffenproduktion zum Erliegen. Selbstverständlich wäre es nicht geschäftsförderlich, wenn Waffenproduktion und demonstrativer Einsatz von Waffen allzu ungeniert als kommerzielle, kapitalverwertende Aktivitäten auftreten würden. Sie brauchen, zumal sie die Steuerzahlerinnen belasten, so etwas wie Legitimation anhand höherer Werte.
»Enttabuisierung des Militärischen«
Horst Köhler hat vor einigen Jahren sein Amt als Bundespräsident verloren, weil er etwas naiv über den Zweck deutscher Militäreinsätze gesprochen hatte: auch dem Freihalten von Handelswegen beispielsweise könnten diese dienen. In der Substanz war eine solche Äußerung überhaupt nicht sensationell, aber sie entbehrte des Klanges von »moralischer Verpflichtung«.
Spätestens seit der deutschen staatlichen Einheit hat sich die Militärpolitik der Bundesrepublik der Hemmungen entledigt, die ihr bei der Aufstellung der Bundeswehr zunächst auferlegt waren: Nur auf Verteidigung sollte sie ausgerichtet sein, jeder Angriffskrieg war grundgesetzlich verboten.
Das war bei Köhlers Rücktritt in der Praxis längst Vergangenheit. Schon in den Verteidigungspolitischen Richtlinien von 1992 wurde deutsches Militär als Werkzeug beschrieben, um deutsche machtpolitische Interessen im globalen Terrain zur Geltung zu bringen. Das Militärische wurde, wie Gerhard Schröder als Sozialdemokrat es regierend empfahl, »enttabuisiert«, und der Einsatz der Bundeswehr gegen Jugoslawien wie auch in Afghanistan sorgte für die Normativität des Faktischen. Krieg wird nun wieder als ganz normales Mittel auswärtiger Politik verstanden.
Wenn die Bundeswehr sich an einem Militäreinsatz von Verbündeten nicht beteiligt, wie beim Krieg gegen Gaddafi, beklagen das deutsche Medien als Drückebergerei. Allerdings besteht ein hoher Bedarf an schönem ideologischen Outfit , wenn die Bundeswehr in Kampfdienst genommen wird. Und hier kommt die Partei der Grünen ins Spiel…
Krieg führen – mit gutem Gewissen
Als unter einer sozialdemokratisch-grünen Bundesregierung deutsches Militär für Operationen verwendet wurde, die als Akte der Landesverteidigung nur schwerlich auszugeben waren, waren es grüne Politiker, allen voran der damalige Außenminister Joseph Fischer, die eine ethische Begründung lieferten: Gerade die Bundesrepublik sei, angesichts der deutschen Vergangenheit, zum kämpfenden Engagement für Menschenrechte verpflichtet, zu Militärschlägen gegen Gewaltherrscher oder despotische Systeme.
Nun gibt es deren in der Gegenwartswelt viele, und auch ein so potentes Militärbündnis wie die NATO kann nicht überall zuschlagen. Also muss je nach der Konstellation militärisch interveniert werden, was sich dann glücklich zusammenfügt mit den nicht so gern herausgestellten profanen Interessen, den geopolitischen und wirtschaftlichen.
Grüne finden Gründe
Postmaterialismus als Befindlichkeit findet zusammen mit handfest materiellen Bedürfnissen, machtstrategischen und ökonomischen. So können Kriege geführt werden unter deutscher Beteiligung, ohne dass selbst die Grünen, viele von ihnen einst friedensbewegt, ein schlechtes Gewissen bekommen.
Jürgen Trittin, der jetzt die Beschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr hinterfragt, neulich jedoch für den Krieg Frankreichs in Mali mehr deutsche Unterstützung verlangte, wird gewiss eine Lösung finden, ganz diskursiv, um auch den Einsatz von Drohnen zu ethifizieren. Vor allem dann, wenn die Grünen wieder an einer Bundesregierung beteiligt werden.
»Gute Krieger«
Nun ließe sich nachprüfen, etwa am Fall Afghanistan, was aus den Menschen geworden ist, deren Rechte durch den Militärschlag angeblich geschützt werden sollten, und was aus einer Gesellschaft, die mit Waffengewalt angeblich zivilisiert werden sollte. Aber so empirisch geht man in dieser Ethik nicht vor.
»Gute Krieger«, wie Eric Chauvistre sie genannt hat, müssen sich nicht den Kopf zerbrechen über das, was ihr Krieg anrichtet. Sie bekommen das auch gar nicht mehr zu sehen, der militärtechnische Fortschritt macht es möglich. Posttraumatische Belastungsstörungen? Nur noch beim minderen Teil des Personals. Und in den militärischen Stabsstellen hat man nie darunter gelitten.
Zuletzt in Klönnes Klassenbuch:
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