Marx wird als ökologischer Denker rehabilitiert. Das vorliegende Buch rekonstruiert dazu seine ökologische Kritik des Kapitalismus. Von Peter Oehler
Vielen gilt Karl Marx immer noch als wenig ökologisch. Dieser These widerspricht Kohei Saito jetzt entschieden und fundiert mit dem vorliegenden Buch. Saito ist Japaner und hat diese Arbeit als Dissertation an der Humboldt-Universität zu Berlin vorgelegt. Grundlage seiner Untersuchungen ist die neue historisch-kritische Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA²), insbesondere Abteilung IV (Exzerpte, Notizen, Marginalien), an der Saito mitgearbeitet hat.
Ökologische Kritik trotz Fortschrittsglaubens
Ein wesentlicher Vorwurf gegen Marx ist der des »Prometheanismus«, nämlich seinem unerschütterlichen Fortschrittsglauben. Anhand der MEGA², insbesondere zahlloser Exzerpte und anderer, zum Teil unveröffentlichter Dokumente von Marx, zeigt Saito dagegen, dass Marx sehr wohl diverse wesentliche Veränderungen in seinem Denken durchgemacht hat. Saitos Ziel ist dabei gewesen, eine »systematische Darstellung der Marx’schen ökologischen Kritik« des Kapitalismus aufzuzeigen.
Saito bestätigt die Fortschrittsgläubigkeit von Marx – zu seiner Zeit – und gibt auch zu, dass Marx am Anfang nicht ökologisch gedacht hat. Aber, und das macht das Wesentliche dieser Arbeit aus, er zeichnet plausibel die Entwicklung nach, die Marx im Laufe seines Lebens vollzogen hat. Dass Marx dabei nicht nur die soziale (Schatten-)Seite des Kapitalismus wichtig war, sondern gerade auch die stoffliche, zeigt sich darin, dass er sich intensiv mit den Naturwissenschaften auseinandergesetzt hat.
Marx Wende von 1868
Saito macht zunächst den Übergang vom jungen Marx zu seinem späteren Werk deutlich, als sich Marx von Feuerbach bzw. von der Philosophie ganz allgemein verabschiedet hat. Diese Entwicklung ist vielen eventuell noch bewusst. Weniger bekannt ist dagegen, dass Marx auch ab 1868 noch einmal sein ganzes Denken wesentlich ökologischer ausgerichtet hat.
Bereits vor 1868 hat Marx ja bereits eine ökologische Kritik am Kapitalismus formuliert, die ganz wesentlich auf der Stoffwechseltheorie von Justus von Liebig basiert. Nichtsdestotrotz gab es in Marx‘ Denken aber trotzdem noch eine gewisse Fortschrittsgläubigkeit, insbesondere was die Landwirtschaft betrifft. Ab 1868, nachdem also bereits der erste Band des »Kapital« erschienen war, gab es insbesondere durch den Liebig-Kritiker Carl Fraas eine geänderte Ausrichtung. Dies führte zu einer deutlichen Distanzierung von Marx gegenüber Liebig.
Die materiellen Bedingungen nachhaltiger Produktion
Saitos Buch macht deutlich, dass sich wesentliche ökologische Konzepte durch Marx‘ ganzes Lebenswerk konsequent hindurchziehen. Seine Stoffwechseltheorie: Dass der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur rationell, das heißt nachhaltig, regeln muss, um eine unüberwindbare stoffliche bzw. Naturgrenze zu respektieren. Seine Werttheorie: »dass der Wert als Vermittlung des übergeschichtlichen Stoffwechsels zwischen Mensch und Natur die materiellen Bedingungen für eine nachhaltige Produktion nicht erfüllen kann«. Auch die »internationale Ausbeutung von begrenzten Ressourcen« war Marx voll bewusst.
Ich kann dieses Buch auf alle Fälle jedem, der sich nicht nur mit Marx, sondern gerade auch mit Ökologie auseinandersetzen möchte, sehr empfehlen.
Das Buch:
Kohei Saito
Natur gegen Kapital. Marx‘ Ökologie in seiner unvollendeten Kritik des Kapitalismus
Campus Verlag
Frankfurt 2016
328 Seiten
39,95 Euro
Foto: Roberto Maldeno
Schlagwörter: Buch, Bücher, Buchrezension, Klima, Krise, Kultur, Marx, Natur, Ökologie, Peter Oehler, Umwelt