Ein weiterer Gast beim Kongress MARX IS MUSS 2013 ist Niema Movassat, Bundestagsabgeordneter für DIE LINKE. Sein Thema – »Hunger im Überfluss – Ursachen der Ernährungskrise«. marx21 veröffentlicht einen Auszug aus seinem Vortrag »Das Geschäft mit dem Hunger«.
Am 9. Mai startet der Kongress MARX IS MUSS 2013 in Berlin, organisiert vom marx21-Netzwerk. Um einen Vorgeschmack auf die Inhalte zu geben, wird an dieser Stelle in regelmäßigen Abständen eine Übersicht zu den verschiedenen Themenblöcken erscheinen – verbunden mit ausgewählten Texten. Dieses Mal geht es um den Themenblock »Ökologie«.
Die Welt wird immer wärmer, das Wetter unberechenbarer und die Krise unseres Klimas offensichtlich. Klimatische Veränderungen haben erhebliche Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion. Ernteausfälle durch Dürren oder Fluten führen zu Preissteigerungen auf den Weltmärkten, die vor allem die Armen hart treffen. Hinzu kommt die auf Profit ausgerichtete Produktion von und Spekulation mit Lebensmitteln und die von Großkonzernen dominierten Agrarmärkte, die den Armen den Zugang zu bezahlbarer Nahrung massiv erschweren.
Auf dem Kongress wird Niema Movassat mit uns über die Ursachen der Ernährungskrise« sprechen. Im folgenden ein Auszug aus seinem Vortrag zu dem Thema »Das Geschäft mit dem Hunger«. Den vollständigen Text findet ihr unter www.movassat.de/1000:
[…] Als Massenphänomen existiert Hunger auch jetzt im 21. Jahrhundert, was ein Skandal ist angesichts des gewaltigen technischen Fortschritts. Wir können Erkundungsroboter auf den Mars senden, aber auf der Erde hungern 870 Millionen Menschen! Alle sechs Sekunden stirbt ein Kind an den Folgen von Unterernährung. Es sind erschreckende Zahlen die man fortsetzen könnte – und an sich unvorstellbar, denn »Hunderttausend Tote sind Statistik, ein Toter jedoch eine Katastrophe«. […]Dabei gehört das Recht auf Nahrung zu den fundamentalen Menschenrechten. Bereits in Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 heißt es: »Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen«
[…]Ein […] Phänomen sind […] steigende weltweite Preise für Nahrungsmittelpreise. Seit wenigen Jahren, vor allem seit 2006, steigen die weltweiten Nahrungsmittelpreise an bzw. schwanken massiv- was auch erklärt, warum die relativen Zahlen in der Bekämpfung des Hungers bis 1997 zurückgegangen sind, seither aber wieder steigen.
Der wahre Grund für Hunger liegt also meist darin, dass sich Menschen die Nahrungsmittel schlicht nicht leisten können – es also durchaus ausreichend Nahrungsmittel gibt – es wird auch heute genug produziert um 12 Milliarden Menschen zu ernähren – aber nicht genug Geld seitens der Menschen vorhanden ist, sich diese Nahrung zu kaufen. Mais, Weizen, Reis – die Preise erreichen seit 2006 immer neue Rekorde.
So waren Anfang 2011 Nahrungsmittel so teuer wie nie in der Geschichte der Menschheit. Weizen kostete im Juli 2010 pro Tonne 200 Dollar, im Februar 2011 kostete eine Tonne 360 Dollar! Fast eine Verdopplung!
Auch während der Hungersnot in Ostafrika letztes Jahr gab es laut Welternährungsprogramm der UN in Kenia genug Nahrungsmittel. Aber die Preise waren zu hoch. Ähnliches gilt für Somalia. Laut Weltbank und der Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO stiegen die Preise in Somalia für Mais, eines der Grundnahrungsmittel, im Vergleich zum Vorjahr um 154 Prozent, die für Hirse um 240 Prozent. […]
Enorme Preissteigerungen für Nahrungsmittel und eine hohe Arbeitslosigkeit waren im Januar 2011 ein wichtiger Grund für die Proteste in Nordafrika. Welche Konsequenzen diese Proteste vor allem in Tunesien und Ägypten hatten, ist bekannt. Doch auch in anderen Ländern kam es wegen der gestiegenen Nahrungsmittelpreise zu Protesten: Zum Beispiel in Kenias Hauptstadt Nairobi, wo die Menschen monatelang jede Woche auf die Straße gingen, um gegen die hohen Lebensmittelpreise zu demonstrieren und die Regierung aufzufordern, die Preise für Mais zu subventionieren. Oder im Nachbarland Uganda, wo eine landesweite Kampagne gegen die steigenden Sprit- und Lebensmittelpreise ins Leben gerufen wurde.
Nun könnte man sagen: Was macht es schon, wenn ein Kilo Mais oder Weizen ein paar Cent mehr kostet. Denn: Gestiegene Preise bei Nahrungsmitteln machen sich bei uns in den seltensten Fällen bemerkbar. Natürlich, für Hartz IV Empfänger und Niedriglöhner hat es möglicherweise Auswirkungen, aber die Masse der Bevölkerung muss deswegen nicht großartig verzichten.
Denn wir geben nur 10-20 % unseres Einkommens für Lebensmittel aus. Die Auswirkungen im globalen Süden, in Afrika, Asien und Lateinamerika, sind dagegen dramatisch. In den ärmsten Ländern dieser Welt geben die Menschen nämlich einen Großteil ihres Einkommens – 60 bis 80 Prozent – für Nahrungsmittel aus.
Steigende Preise haben deshalb im globalen Süden heftige Konsequenzen. Die betroffenen Familien essen weniger Mahlzeiten, kaufen billigere Nahrungsmittel, die oft weniger nahrhaft sind, geben weniger Geld für Bildung und Gesundheit aus. Wenn es nichts mehr zum einsparen gibt, bleibt oft nur noch der Weg, ein Darlehen aufzunehmen, um zu überleben. Selbst wenn aber dann irgendwann die Preise für Nahrung wieder fallen, haben die Familien wegen der Darlehensrückzahlung Mehrkosten. Sie geraten in eine Schuldenfalle. Im schlimmsten Fall hungern sie und fallen in die anonyme Statistik der Millionen Hungernden.
Also führen hohe Nahrungsmittelpreise zusammengefasst zu: Hunger, Armut und noch mehr gewaltsamen Auseinandersetzungen. […]
Anmerkung der marx21-Redaktion:
Über weitere Themen des Ökologieblockes auf dem »MARX IS MUSS«-Kongress informieren wir rechtzeitig vor dem Kongress.
Der Kongress im Internet: