Sparpakete, Erdgas und eine geteilte Insel: In keinem anderen Land Europas ist die Troika-Politik so eng mit einem geopolitischen Konflikt verflochten. Von Leandros Fischer
Die neuen Pläne der zypriotischen Regierung zur Rettung der Zahlungsfähigkeit sind durch ein Sparpaket begleitet, das von Sozialkahlschlag wie in Griechenland und von für zypriotische Verhältnisse ungewöhnliche Brutalität gekennzeichnet ist. Die neue Vereinbarung sieht eine die Schließung der maroden Laiki Bank vor sowie den Transfer aller Anlagen unter 100.000 Euro in die Bank of Cyprus und eine Zwangsabgabe von bis zu 40 Prozent für die Kunden letzterer Bank.
Vor über einem Monat waren die konservative Regierung von Nikos Anastasiades und die Eurogruppe an ihrer höchst kontroversen Maßnahme zur Rückzahlung der Bankenschulden der krisengeplagten Mittelmeerinsel gescheitert: Die Einführung einer Zwangsabgabe von 6,75 Prozent für Anlagen unter 100.000 Euro und 10 Prozent für Anlagen über 100.000 Euro.
Die parlamentarische Mehrheit entschied sich damals aufgrund des massiven Widerstands der Bevölkerung gegen diese Maßnahme. Selbst die Abgeordneten der regierenden Konservativen enthielten sich der Stimme. Das war ohne Zweifel ein Teilerfolg der Protestbewegung, der deutlich zeigte, dass das Troika-Diktat nicht unbesiegbar ist und somit ein neues Paradigma setzte. Doch er ist nicht das Ende der Geschichte.
Keine gerechte Lösung
Deutsche Medien priesen die neue Zwangsabgabe für Anlagen über 100.000 Euro großenteils als sozial gerechte Maßnahme, die vor allem »russische Oligarchen« treffe. So bezeichnete Philip Faigle in der Zeit am 25. März die neue Zwangsabgabe als »vernünftiger als viele andere Lösungen«, um am Ende mit der Überheblichkeit des großzügigen Retters festzustellen, dass »gerechte Lösungen so schmerzhaft wie alle andere sind«.
Diese Art von Analysen relativiert nicht nur die künftigen und gegebenenfalls tödlichen Auswirkungen des dabei angehängten Sparpakets, sondern sie übersieht dazu noch, dass die Troika praktisch die komplette wirtschaftliche Basis Zyperns über Nacht zerstört hat. Man kann sich gut vorstellen, wie die Auswirkungen hierzulande wären, wenn über Nacht die Automobilhersteller und Chemie-Unternehmen im »Exportweltmeister Deutschland« verschwinden würden.
Katastrophale Sackgasse
Dass ein Wirtschaftsmodell wie das bis vor Kurzem von der Republik Zypern praktizierte extrem labil und problematisch ist, steht außer Frage. Doch Anlagen über 100.000 Euro besitzen nicht nur russische Oligarchen, sondern auch eine ganze Reihe mittelständischer zypriotischer Unternehmen. Die eine Handvoll zählenden zypriotischen Milliardäre, die die Wirtschaft fest im Griff haben, legen ihr Geld schon seit langem in Schweizer Konten an.
Die Folgen sind dementsprechend nicht schwer zu schätzen: Künftige Entlassungen, Massenarbeitslosigkeit, Armut und Obdachlosigkeit. Sowohl die neue Zwangsabgabe wie auch das künftige Sparpaket führen Zypern in die gleiche katastrophale Sackgasse wie Griechenland zuvor.
Ausweitung der Eurokrise
Bevor hier über die Alternativen gesprochen wird, ist es wichtig, die Gründe für diese einzigartige Behandlung Zyperns durch die Troika zu analysieren. In vielerlei Hinsicht handelt es sich hier um eine weitere Auswirkung der Eurokrise im europäischen Süden.
Der zypriotische Bankensektor, der deutlich mehrmals größer als das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Landes war, war in Griechenland sehr aktiv involviert. Durch den griechischen Schuldenschnitt gingen die zypriotischen Banken, vor allem die Laiki Bank, Pleite und mussten sich zur Rekapitalisierung an die Regierung wenden. Diese wendete sich dann mangels eigener Ressourcen an den Rettungsschirm ESM.
Anders als in Griechenland lag die Staatsverschuldung auf ähnlicher Höhe wie in Kerneuropa. Während beispielsweise 2012 die Staatsverschuldung in Deutschland 80,5 Prozent des BIP ausmachte, betrug sie in Zypern 80,9 Prozent. Andere Gründe wie der abnehmende Tourismus spielten zweifelsohne auch eine wichtige Rolle, doch der Löwenanteil der Schuld für die jetzige Lage geht auf das Konto der Zentralbank Zyperns, die gemäß den Spielregeln des Neoliberalismus jenseits der öffentlichen Kontrolle liegt. Deren mangelnde Beaufsichtigung war für die Auswirkungen durch den katastrophalen griechischen Schuldenschnitt verantwortlich. Der ehemalige Zentralbank Chef Athanassios Orphanides ermutigte sogar die Banken, sich am Kauf toxischer griechischer Staatsanleihen zu beteiligen.
Kritisches Wirtschaftsmodell
Politiker wie Wolfgang Schäuble betonen oft, dass ein Wirtschaftsmodell wie das zypriotische nicht tragbar sei. Und sie haben dabei absolut Recht. Zypern hat den Weg der eindimensionalen Entwicklung eingeschlagen, als sicherer Ort für Kapital – nicht nur, aber auch aus dubiösen Quellen in Osteuropa.
Hohe Zinsen für Anleger, eine niedrige Gewerbesteuer, sowie die geographische Lage zwischen Europa und Nahost wirkten als verlockende Anreize. Vor allem russische Firmen nutzten Zypern als Basis, um in ihre Heimat zurück zu investieren, sowie um den Auswirkungen eines dort instabilen Bankensystems zu entfliehen.
Es entstehen jedoch zwei wichtige Fragen. Erstens: Warum war für die EU – vor allem Deutschland – dieses Modell beim EU-Beitritt Zyperns im Jahr 2004 nicht problematisch? Zweitens: Warum erleben Länder wie Luxemburg oder Malta oder gar Großbritannien, dessen Finanzsektor sogar fünfmal so groß ist wie das BIP, keine ähnliche Behandlung?
Schlag gegen Russland
Die Gründe dafür sind nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch politischer Natur. Zypern befindet sich in einer äußerst wichtigen strategischen Lage. Zudem ist ein großer Teil des Landes seit 1974 vom NATO-Staat Türkei militärisch besetzt.
Ein anderer NATO-Staat, Großbritannien, nutzt die Insel als Spionage- und Nachschubstützpunkt für Kriege im Nahen und Mittleren Osten. Es ist hier nicht der Platz, die Ursachen dieser komplizierten Konstellation zu analysieren. Es genügt aber zu sagen, dass diese ihre Ursprünge im Zerfall des osmanischen Vielvölkerreiches, in der Entwicklung zweier rivalisierender bürgerlicher Nationalismen auf der Insel, sowie in der äußerst schädlichen »Teile und Herrsche«-Politik des britischen Kolonialismus hat, der bis 1960 die Insel formal regierte.
Um in ihrem Konflikt mit der Türkei politischen Rückhalt, vor allem im UN-Sicherheitsrat, zu bekommen, hatte die griechisch-zypriotische herrschende Klasse historisch enge politische Beziehungen zur Sowjetunion und später zur Russischen Föderation aufgebaut. Zypern trat nie der NATO bei und war während des Kalten Krieges zusammen mit Jugoslawien und Malta eines der drei blockfreien Länder Europas. Aufgrund dieser engen politischen Bindung an Russland wurde die Republik Zypern ab Anfang der 90er ein beliebtes Ziel für Kapital aus der ehemaligen Sowjetunion.
Zwischen Russland und Deutschland
Dass sich der linke Vorgänger Dimitris Christofias während seiner Amtszeit zwischen 2008 und letzten Februar weigerte, dem NATO-Vorstufenprogramm »Partnerschaft für den Frieden« (PfP) beizutreten, führte dazu, dass Zypern in europäischen Regierungskreisen zunehmend in undiplomatischer Weise als »lästig« bezeichnet wurde, da die Zusammenarbeit zwischen EU und NATO-Strukturen damit erschwert wurde.
Die Wahl von Nikos Anastasiades war somit durchaus erwünscht. Als erste Tat nach dieser kündigte Anastasiades die Einreichung eines Mitgliedsantrags für PfP an. Der erste Schlag gegen Russland war somit vollzogen.
Die Wahl von Nikos Anastasiades war somit durchaus erwünscht. Als erste Tat nach dieser kündigte Anastasiades die Einreichung eines Mitgliedsantrags für PfP an. Der erste Schlag gegen Russland war somit vollzogen.
Den zweiten und heftigeren Schlag erzielte die Zwangsabgabe. In einer Ära, in der sich wirtschaftliche Konkurrenz zunehmend in geopolitische Konflikte übersetzt, war diese ein Signal der EU an Russland, dass Zypern zur westlichen Einflusssphäre gehört. Die Insel liegt somit an der geopolitischen Bruchlinie zwischen einem selbstbewussten Russland und einer zunehmend von Deutschland bestimmten EU-Politik.
Spaltung der herrschenden Klasse
Doch die herrschende Klasse war sich in ihrer Strategie historisch nie einig. Während ein Teil traditionell an eine »ausgeglichene«, nach West und Ost gleichermaßen blickende Außenpolitik zum Zweck der die Rückgewinnung der besetzten Hälfte der Insel glaubte, bevorzugte ein anderer die einseitige Integration in den westlichen Sicherheitsstrukturen.
Beide Kapitalfraktionen profitierten gleichermaßen vom Status Zyperns als Steueroase und Finanzzentrum und beide waren enthusiastische Befürworter der EU- und Euro-Beitritte, die vor allem mit der Zypernfrage zusammenhängende politische Hintergründe hatten. In den letzten Jahren haben sich die Unterschiede zwischen beiden angesichts der Weltwirtschaftskrise und ihrer Gegnerschaft zur früheren linken AKEL-Regierung weiter verringert.
Ihre jeweiligen Parteien, die traditionell prowestliche DISY von Anastasiades und die DIKO sind gerade Koalitionspartner und unterstützen wie alle andere Kräfte außer der AKEL den PfP-Beitritt. Unterschiede existieren vor allem in der Zypernfrage, wo die DISY flexibler ist als die DIKO. Es ist möglich, dass diese Unterschiede wieder auftauchen werden, falls die EU und die USA die aktuelle Krise nutzen werden um eine Lösung der andauernden Zypernfrage durchzupressen.
Euroskeptiker gespalten
Auch das breite euroskeptische Lager in Zypern ist nicht nur aus linken Kräften zusammengesetzt. Manche wirtschaftliche und politische Kreise sehen ihre Interessen zum jetzigen Zeitpunkt besser durch einen Euro-Austritt bedient. Das ist mehr als ironisch, da die gleichen Kräfte vor dem 15. März jede Stimme geißelten, die einen Euro-Austritt auch nur in Erwägung zog.
Sie, und dazu zählt auch die mächtige Kirche Zyperns, sind nicht sozialer orientiert als die Mainstream-Rechte, die die Möglichkeit eines Euro-Austrittes immer noch kategorisch ausschließt. Die Existenz dieser populistischen Strömung stellt jedoch für die Linke eine wichtige Herausforderung dar. Ihre äußerst chauvinistische Haltung zur Zypernfrage bietet Anknüpfungspunkte für explizit neofaschistische Organisationen die – wie Griechenland auch – in Zypern aktiv sind.
Erdgas – Segen und Fluch
Einen verkomplizierenden Faktor stellen die kürzlich entdeckten Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer dar. Durch bilaterale Abkommen zur Erdgasförderung mit Israel, dem Libanon und Ägypten hoffte die griechisch-zypriotische herrschende Klasse, den potenziellen Erdgasreichtum als Anreiz für eine Lösung der Zypernfrage unter ihren Bedingungen gegenüber dem traditionell wirtschaftlich schwächeren türkischen Norden zu stellen.
Diskutiert wurde sogar die Errichtung einer Anlage für die Verflüssigung vom israelischem Erdgas und dessen Export in Richtung Europa auf Zypern. Somit bliebe die Türkei, der Hauptsponsor der international nicht anerkannten »Türkischen Republik Nordzypern«, aus dem Spiel. Dies hätte wiederum Zypern einen strategischen Vorteil in den Verhandlungen verliehen.
Es ist jedoch ein offenes Geheimnis, dass die für alle Parteien preisgünstigste Transportvariante für das Erdgas in der Region über Pipelines in der Türkei verläuft. Diese Variante ist von der EU und Deutschland vor allem explizit erwünscht. Denn die Abhängigkeit im Energiebereich entwickelt sich zunehmend zum politischen Hindernis bei einem offensiveren Umgang mit Russland; Alternativen sind erwünscht und der NATO-Staat Türkei ist da ein bevorzugter Partner.
Karten neu gemischt
Der Besuch von Obama in Israel letzten März und die türkisch-israelische Annäherung mischten die Karten beim Pokern um die Erdgasreserven in der Region neu. Es ist anzunehmen, dass Israel, das kürzlich als erstes Land mit der Erdgasförderung begonnen hat, sich für die Vermarktung seiner Erdgasreserven in Europa jetzt eher in Richtung der aufstrebenden Regionalmacht Türkei und nicht in die des politisch-instabilen Zyperns orientieren wird. Und es wurde zunehmend klar, dass innerhalb eines Monats zwei Trümpfe der Republik Zypern und ihrer Eliten für künftige Verhandlungen – die wirtschaftliche Stärke aufgrund des Bankensektors und die unabhängige Verfügung über das Erdgas – endgültig zunichte gemacht wurden.
Zu erwarten ist jetzt die Nutzung der Erdgaskarte nicht für, sondern gegen die Republik Zypern. Unter dem Motto: »Wenn ihr aus der Krise rauskommen wollt, dann akzeptiert eine auf die türkischen Interessen zugeschnittene Lösung der Zypernfrage und teilt euch das Erdgas.« Ob die neoliberale Türkei von Erdogan, Troika, NATO, oder die eigene herrschende Klasse – Zypern scheint fest im Griff von wirtschaftlichen und politischen Interessen zu sein, denen das Wohl der Masse der Bevölkerung auf beiden Seiten der geteilten Insel nicht unbedingt ans Herzen liegt.
Das Euro-Dilemma
Was wäre also die Alternative für Zypern? Im Gegensatz zu Griechenland ist die Möglichkeit eines Euro-Austrittes kein Tabu in der politischen Diskussion. Das hat nicht unbedingt mit linkeren Konstellationen in der Politik zu tun, sondern mit der nüchternen Feststellung, dass mit der Zwangsabgabe nicht nur die Arbeitnehmer der Insel einen herben Schlag erlitten haben, sondern auch ein Großteil der bürgerlichen Mittelschichten. Es stellt sich also die logische Frage, inwiefern ein Austritt aus dem Euro wirklich den Interessen der Arbeitnehmer zugute kommen würde.
Der linke griechische Ökonom Costas Lapavitsas plädiert für eine »isländische Lösung« und einen Austritt. Der erste Schritt – die Bankenpleite – sei dafür vollzogen. Jetzt fehle nur noch die Rückkehr zum zypriotischen Pfund. Die ersten drei oder vier Jahre wären laut dieser Variante schwierig; die Preise würden steigen und die Löhne würden senken. Dazu würde die neue Währung nur etwa 30-50 Prozent vom Wert des Euros ausmachen – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Kleinanleger.Als Ausgleich dazu könnte der Tourismus fungieren, der – anders als jetzt – wieder wettbewerbsfähig sein würde, sowie Investitionen in den Bereichen von Forschung, Bildung und Innovation, da Zypern eine der höchsten Quoten von Uni-Absolventen eines Jahrgangs in der EU besitzt. Das wäre auf jeden Fall viel besser – oder weniger schlimm – als wenn Zypern den irrsinnigen Weg der Sparpakete eingehen würde.
In ähnlicher Weise argumentiert auch der frühere Lafontaine-Vertraute Heiner Flassbeck. Sowohl er als auch Lapavitsas wurden neulich von der kommunistischen AKEL eingeladen, der größten Oppositionspartei der Insel, um bei der Formulierung eines Plans zum Euro-Austritt mitzuwirken. Dieser wird dann voraussichtlich in den kommenden Wochen von der Partei zum Referendum vorgeschlagen.
In ähnlicher Weise argumentiert auch der frühere Lafontaine-Vertraute Heiner Flassbeck. Sowohl er als auch Lapavitsas wurden neulich von der kommunistischen AKEL eingeladen, der größten Oppositionspartei der Insel, um bei der Formulierung eines Plans zum Euro-Austritt mitzuwirken. Dieser wird dann voraussichtlich in den kommenden Wochen von der Partei zum Referendum vorgeschlagen.
Kampagne gegen Troika
Der linke britische Ökonom Michael Roberts polemisiert andererseits gegen die Befürworter eines Euro-Austritts. In zypriotischen Banken seien laut Roberts mindestens 30 Milliarden Euro fragwürdiger ausländischer Individuen und Firmen angelegt, die durch eine Zwangsabgabe von 50 Prozent zur Rückzahlung der Bankenschulden beitragen könnten, ohne dass zypriotische Anleger betroffen wären.
Abstrakt betrachtet ist letzterer Vorschlag sehr attraktiv. Roberts befürwortet eine Kampagne gegen die Troika bei gleichzeitigem Verbleib in der Eurozone. Das ist mehr oder weniger der Weg, der von der Syriza-Führung in Griechenland zurzeit eingeschlagen wird.
Unrealistische Strategie
Doch beim Blick auf das aktuelle politische Gleichgewicht entpuppt sich diese Strategie als unrealistisch. Zum einen befürworten laut Umfragen bis zu 70 Prozent der Zyprioten einen Euro-Austritt, wenn auch aus verschiedenen Gründen, die mit der jeweiligen Klassenstellung zu tun haben.
Zweitens werden hier die Plutokraten anderer Länder, vor allem Russlands, zur Kasse gebeten. Die lokalen wirtschaftlichen und politischen Eliten, die zum aktuellen Chaos beitrugen, blieben dann mehrheitlich verschont. Der Vorschlag würde sich außenpolitisch nahtlos in die westliche Strategie für Zypern einfügen.
Zweitens werden hier die Plutokraten anderer Länder, vor allem Russlands, zur Kasse gebeten. Die lokalen wirtschaftlichen und politischen Eliten, die zum aktuellen Chaos beitrugen, blieben dann mehrheitlich verschont. Der Vorschlag würde sich außenpolitisch nahtlos in die westliche Strategie für Zypern einfügen.
Schließlich bedeuten die aktuellen politischen Konstellationen, dass als einzige realistische Alternative zum Euro-Austritt die Abschaffung der Demokratie auf Zypern mittels Sparpaketen und Troika-Diktat wie in anderen südeuropäischen Ländern übrig bleibt. So eine Situation wird sich auf die Spielräume der zypriotischen Linken katastrophal auswirken, nicht zu sprechen von den unmenschlichen Zuständen, die ein Euro-Verbleib in der Praxis bedeutet.
Radikaler Bruch notwendig
Unter diesen Bedingungen wäre ein Austritt aus der Eurozone die politisch, wirtschaftlich und taktisch klügere Entscheidung für die Interessen der Arbeitnehmer Zyperns. Der persönliche Charakter des politischen Lebens auf dieser kleinen Insel bedeutet, dass es für die Linke viel einfacher ist, die lokalen Kapitalfraktionen in Nikosia zu bekämpfen als diejenigen in Brüssel. Die Aufgabe der Linken hierzulande ist es wiederum nicht, konkrete Vorschläge für oder gegen einen Euro-Austritt Zyperns zu machen, sondern das Recht des Landes auf wirtschaftliche Selbstbestimmung, jenseits einer Glorifizierung des kapitalistischen Euro-Projekts zu verteidigen.
Um wirklich effektiv zu sein, muss eine Abkehr vom Euro durch weitere Maßnahmen ergänzt werden, vor allem durch die demokratische Kontrolle über die Banken, die Besteuerung des Reichtums der Großunternehmer und der Kirche, sowie die Entwicklung hin zu einer diversifizierten Wirtschaft. Ein Euro-Austritt, der lediglich darauf abzielt, Zypern wieder zum Finanzzentrum mit einem eindimensionalen Wirtschaftsmodell zu etablieren, wird zu denselben Problemen führen, mit denen das Land heutzutage konfrontiert ist.
AKEL entscheidend
Dafür ist die Rolle der AKEL, die ein Drittel der Wählerschaft hinter sich hat, entscheidend. Dass diese jetzt einen scheinbaren Linksruck erfährt, ist nach fünf Jahren der Zurückhaltung während ihrer Regierungszeit ermutigend. Die AKEL ist nicht nur eine Partei, sondern ein »sozialer Block« mit 35.000 Mitgliedern und mehr als 500 aktiven Zellen. Sie ist die politische Verkörperung von Werten wie soziale Gerechtigkeit und der friedlichen Koexistenz mit den türkischen Zyprioten in der Gesellschaft.
Um den aktuellen linken Kurs aufrechtzuerhalten ist Druck von unten, von der Linken innerhalb und außerhalb der AKEL notwendig. Denn die Gefahr eines Rückfalls in sozialpartnerschaftliche Illusionen und alten taktische Allianzen mit bürgerlichen Kräften des »kleineren Übels« ist durchaus real.
Über den Tellerrand schauen
Außenpolitisch sollte die Linke für eine Politik der Neutralität, eine Entmilitarisierung der Insel und eine Befreiung von den Diktaten der EU und der NATO kämpfen. Die kleine griechisch-zypriotische herrschende Klasse hat in den letzten zwei Monaten einen Rückschlag erlitten. Sie hoffte seit Jahren, mit ihrem prowestlichen Kurs und ihrem Vetorecht in der EU Druck auf die Türkei ausüben zu können, und suchte darüber hinaus eine Allianz mit Israel, um bei gleichzeitigem Ausschluss der Türkei das Erdgas als politisches Druckmittel zu benutzen.
Sie wurde jedoch von der EU und der Realpolitik des Nahen Ostens eines besseren belehrt. Sowohl für Israel, sowie für die EU ist die Türkei deutlich wichtiger. Angesichts des Versuchs des Westens, die Türkei besser einzubinden, ist es nicht falsch anzunehmen, dass die EU und die USA jetzt die Krise nutzen werden, um eine mit den türkischen Interessen konforme Lösung der lästigen Zypernfrage zu erzwingen.
Aufgabe der Linken ist es künftig, über den engen Rand der Realpolitik zu schauen und Bündnisse mit gesellschaftlichen Kräften in der Region, inklusive in Nordzypern und in der Türkei einzugehen, die für die gemeinsamen Interessen aller Arbeitnehmer kämpfen. Nur das und nicht ein durch die Großmächte betriebener Kuhhandel kann den Einwohnern Zyperns langfristig Sicherheit, Frieden und eine Wiedervereinigung garantieren.
Internationale Solidarität
Was in diesem Augenblick eine Notwendigkeit darstellt, ist eine Befreiung vom Troika-Diktat, auch wenn so etwas einem Euro-Austritt gleichkäme. Alles muss getan werden, um die jetzt schon eingeschränkte parlamentarische Demokratie nicht völlig durch die Ernennung von Technokraten seitens der EU abzuschaffen wie in Griechenland oder in Italien. Denn das ist erfahrungsgemäß die Wirkung der Sparpakete.
Zypern ist jedoch klein und wie vorhin beschrieben von einer Reihe mächtiger geopolitischer Interessen umzingelt. Um die Arbeitnehmer Zyperns in dieser schwierigen Aufgabe zu unterstützen, ist internationale Solidarität nötig. Besonders die Linke in Deutschland, das immer häufiger als hauptverantwortlich für die Misere des Landes angesehen wird, ist hier gefragt.
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