Noch den ganzen Sommer über präsentiert das »Barbie Dreamhouse« in Berlin eine rosa Plastikwelt. Gegen die Eröffnung protestierte die Gruppe »Occupy Barbie Dreamhouse«. Zu Recht, findet Paula Nikolai
Am 16. Mai öffnete das »Barbie Dreamhouse« in Berlin seine Pforten. Auf pinken 2500 Quadratmetern können Besucherinnen und Besucher in alle Facetten aus dem Leben einer Plastikpuppe eintauchen und zwischen Cupcakes, Cocktailkleidern und Catwalk das komplette »Barbie-Erlebnis«, wie es die Veranstalter nennen, erfahren.
Nicht alle sind mit der Ausstellung einverstanden. Bereits vor Wochen hat sich die Gruppe »Occupy Barbie Dreamhouse« gegründet, die zur Eröffnung vor dem Haus demonstrierte.
Protest gegen Frauenunterdrückung
»Das ist doch den Protest nicht wert«, schreibt hingegen »Zeit online«. Auch in Onlinedebattenforen stolpert frau öfters über die Frage, ob es nicht durchaus wichtigere Themen als ein Kinderspielzeug gäbe.
Selbstverständlich gibt es andere und wichtigere Probleme. Trotzdem ist der Protest ebenso richtig wie wichtig und sollte nicht klein geredet werden. Es gibt für ihn einen Grund und der heißt: Frauenunterdrückung.
Ausdruck eines Rollenbildes
Barbie ist natürlich nicht Ursache der Frauenunterdrückung, aber Ausdruck eines Rollenbildes, das durch sie gespiegelt und gefestigt wird. Solange sich Mädchen und Frauen primär dadurch auszeichnen sollen, hübsch und emotional zu sein – während von Jungs und Männern Rationalität und Tatkraft erwartet werden – müssen weder Löhne noch Aufstiegschancen dieselben sein.
Die Kindererziehung können sie »nebenbei« übernehmen oder, wenn das Einkommensniveau stimmt, an andere Frauen delegieren. Lohndruck und Konkurrenz innerhalb der gesamten Arbeiterklasse sind die Folge. Letztlich profitieren von der Frauenunterdrückung nur die herrschenden ein Prozent.
Begleitmusik von Barbie
Barbie und Co. sind die ideologische Begleitmusik zu diesen strukturellen Gegebenheiten und sollten keineswegs unterschätzt werden: Nicht nur, dass laut Mattel momentan 90 Prozent aller Mädchen zwischen drei und zehn Jahren eine Plastikpuppe besitzen: Das antiquierte Frauenbild, für das Barbie steht, ist keine Ausnahme. Im Gegenteil, konservative Vorstellungen erhalten wieder vermehrt Einzug ins Kinderzimmer und »geschlechtsspezifische« Spielsachen haben Konjunktur.
So brachte Lego im vergangenen Jahr mit »Lego Friends« eine Serie heraus, die bewusst Mädchen ansprechen soll. Im Zentrum stehen Familie, Mode und »Lifestylethemen«. Auch Ferrero brachte ein rosa Überraschungsei auf den Markt, laut Werbung ausdrücklich »nur für Mädchen«. Figuren wie die hochgradig sexualisierte Prinzessin Lillifee, die hauptsächlich dürr und niedlich ist und einen befliegbaren Kleiderschrank ihr Eigen nennt, erfreuen sich zunehmender Beliebtheit.
Für die Arbeiterinnen von morgen
Von frühster Kindheit an werden so Geschlechterverhältnisse trainiert und den Arbeitnehmerinnen von morgen vorgeführt, welche Rolle sie in Zukunft einnehmen sollen. Hier setzt die Kritik von »Occupy Dreamhouse« an. Daher legen die Aktivistinnen und Aktivisten Wert darauf, sich auch an gewerkschaftlichen Kämpfen von Arbeitnehmerinnen zu beteiligen – beispielsweise am Lehrerinnen-Streik der GEW am 14. Mai in Berlin.
Wer den »Barbie-Protest« als rein konsumkritisch abtut, wird ihm nicht gerecht. Vielmehr sollte man den Kampf gegen das überdimensionale Barbie-Traumhaus oder sexistische Werbung genauso unterstützen wie den Kampf für höhere Löhne, für den Ausbau sozialstaatlicher Strukturen, für Tarifverträge und gegen ein allgemein vorherrschendes Spardiktat.
So lange Frauen immer noch 24 Prozent weniger verdienen als Männer, hauptsächlich in Teilzeit und Minijobs arbeiten, befristete Verträge haben, der Doppelbelastung von Arbeit und Familie ausgesetzt sind und sich auf eine »Herdprämie« freuen sollen, so lange ist das Barbie Dreamhouse fehl am Platz und lässt die Farbe pink zum Himmel stinken.
Zur Person:
Paula Nikolai ist Redakteurin von marx21.
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