Bei der Oberbürgermeisterwahl in Freiburg holte Monika Stein als Kandidatin eines linken Bündnisses im ersten Wahlgang 26,2 Prozent, im zweiten immer noch 24,1 Prozent — gegen den amtierenden grünen Oberbürgermeister Dieter Salomon und den von der SPD unterstützten und nun neu gewählten Oberbürgermeister Martin Horn. Von Dirk Spöri und Helena Pantelidis
Das ist das bisher beste Ergebnis für eine Kandidatin links von SPD und Grünen bei OB-Wahlen in Baden-Württemberg. In mehreren Stadtteilen konnte Monika Stein sogar Ergebnisse zwischen 40 und 50 Prozent erzielen.
Monika ist Stadträtin der Grünen Alternativen. Die Gruppe spaltete sich von den Grünen ab, unter anderem nachdem Grüne und CDU 2006 unter Dieter Salomon versuchten, die gesamten städtischen Wohnungen zu privatisieren. Eine breite Bewegung konnte das damals mit Protesten und einem Bürgerentscheid verhindern. Seitdem lautet ein Slogan der Mieterbewegung: »Kein Mieter wählt Dieter«. Dies drückte sich im ersten Wahlgang in einem Stimmenverlust von 20 Prozent gegenüber der letzten OB-Wahl aus — und dem Ergebnis von Monika sowie dem Sieg des bis dato vollkommen unbekannten und mit leeren Worthülsen für den »Wechsel« werbenden SPD-Kandidaten im ersten Wahlgang.
Teures Freiburg
Bei sozialen Fragen folgte die Politik des grünen OB und der grün-schwarzen Mehrheit im Gemeinderat dem Muster der ebenfalls grün-schwarzen Landesregierung unter Kretschmann: mit Luxussanierungen und Politik im Interesse von Investoren wurde eine Wohnungspolitik mit grünem Anstrich gemacht, die Freiburg einen bundesweiten Spitzenplatz bei den Mieten bescherte. Das Sozialticket für Bus und Bahn wurde erbittert bekämpft und verhindert, bis es mit den Stimmen der FDP gegen Grün-Schwarz durchgesetzt werden konnte. Ebenso verlief es mit der 50 Prozent-Quote für sozialen Wohnungsbau, die seitdem vom OB und der Verwaltung permanent auszuhebeln versucht wurde. Parallel dazu unternahm Salomon immer wieder Anläufe, »Recht und Ordnung« zu schaffen. Ein Kommunaler Ordnungsdienst wurde wieder gegen Grün-Schwarz verhindert, ein Alkoholverbot auf öffentlichem Plätzen scheiterte vor Gericht.
Die Grünen in Baden-Württemberg haben sich von sozialer Politik ebenso verabschiedet wie von Bürgerrechten. Sie unterscheiden sich von der CDU nur noch im ökologischen Anstrich.
Schlappe für die AfD
Nur an einem Punkt weicht Salomon von der Politik der Grünen im Land ab: Er kritisiert vehement Tübingens OB und rassistischen Scharfmacher Boris Palmer. Zudem sprach und spricht er sich gegen Abschiebungen aus, wobei hier trotzdem der konkrete Einsatz gegen Abschiebungen aus Freiburg fehlte.
Monika Stein hat sich von allen am deutlichsten gegen rechts und gegen Rassismus positioniert, sowohl mit einem eigenen Plakat als auch mit der Beteiligung am Europaweiten Aktionstag gegen Rassismus im März. Das starke Ergebnis von Monika ist auch ein deutliches Signal, dass der Kampf für soziale Gerechtigkeit und der Kampf gegen Rassismus zusammengehören.
Der AfD-nahe Kandidat Wermter hatte entsprechend wenig Chance. Er wurde nicht nur von »Aufstehen gegen Rassismus« als Rechtsaußen entlarvt, sondern auch von Salomon und anderen angegriffen. Offensiv gegen Wermter und gegen Rassismus aufzutreten bescherte ihm ein Ergebnis von lediglich drei Prozent. Das ist deutlich weniger als die AfD bei der Bundestagswahl erreichte, obwohl Wermter versuchte, sich als parteilos zu präsentieren und massiv die hohen Mieten und »die da oben« anprangerte.
Eine wirkliche Sammlungsbewegung
Monika Stein war als Kandidatin eines breiten Bündnisses aus LINKE, Linker Liste, Unabhängigen Frauen, Grüner Alternative, Junges Freiburg, die PARTEI und einem linksliberalen FDP-Stadtrat angetreten. Ihre Plakate griffen soziale Themen auf: »Bezahlbare Mieten«, »Busse und Bahnen kostenlos«, »Kitas und Pflege stärken«; aber auch andere linke Themen: »Gemeinsam gegen rechts: Solidarität statt Ausgrenzung und Vorurteile«, »Jugend beteiligen« oder »Mehr Mitbestimmung«.
Außerdem war Monika als einzige Kandidatin auf den Demos und bei den Warnstreiks der Uniklinik dabei. Damit war sie die einzige Kandidatin mit klaren Positionen, konnte die anderen Kandidaten von links und mit Forderungen unter Druck setzen und vor allem viele Menschen zur Mithilfe im Wahlkampf bewegen. Sie war zudem als Realschullehrerin keine Berufspolitikerin und die einzige Frau unter den Kandidatinnen und Kandidaten.
Aber vor allem die enorme Bereitschaft vieler bis dato unorganisierter Menschen, im Wahlkampf mitzuhelfen, war ein Schlüssel zum Erfolg. Ein Grundstein dafür waren die sehr konkreten Forderungen, für die es sich lohnte Wahlkampf zu machen und für die wir auch nach der Wahl kämpfen können und wollen.
Niederlage für Grün-Schwarz
Vor allem das schwache Abschneiden von Salomon im ersten Wahlgang und seine Abwahl markiert eine Zäsur für Grün-Schwarz in Baden-Württemberg. Salomon war der erste grüne Bürgermeister einer Großstadt in Deutschland. Kretschmann ist der erste und bisher einzige grüne Ministerpräsident. Doch beide stützten und stützen sich auf eine grün-schwarze Mehrheit. Die reale Politik der Landesregierung unter Kretschmann ist hingegen wenig grün: kein Atomkraftwerk wurde abgeschaltet, Stuttgart 21 wurde weitergebaut, Gemeinschaftsschulen nicht ausgebaut und Kretschmann stimmte im Bundesrat Asylrechtsverschärfungen zu. Die Politik von Salomon und Grün-Schwarz in Freiburg war ebenso wenig grün oder sozial wie die im Land. Die Mehrheit der Menschen konnte nur zuschauen, wie von Jahr zu Jahr in Folge hoher Mieten und teurer Lebenshaltungskosten weniger Geld auf dem Konto verblieb. Die Abwahl Salomons war ein Sieg dieser Mehrheit.
Druck von unten
Der Erfolg von Monika Stein zeigt, wie es möglich ist, eine Alternative zu dieser Politik aufzubauen: mit klaren politischen Forderungen und mit konkreten Kämpfen für diese Themen auch zwischen den Wahlen.
Die Erfahrungen in Freiburg zeigen aber auch, dass Politik auch gegen Mehrheiten und gegen den OB durchsetzbar ist. Trotz einer klaren Mehrheit im Gemeinderat konnte eine Massenbewegung 2006 den Wohnungsverkauf verhindern. Das Sozialticket wurde vor wenigen Jahren durch langjährige Proteste und ein breites Bündnis erkämpft. Abschiebungen wurden in Freiburg wie in anderen Städten immer wieder durch nächtliche und frühmorgendliche Proteste verhindert.
Linke Politik vor Ort bedeutet vor allem, die Menschen zu befähigen und zu unterstützen, selbst aktiv zu werden. Diesen Menschen hat Monika Stein und die Bündniskandidatur eine Stimme und mit dem starken Ergebnis viel Selbstbewusstsein gegeben.
Schlagwörter: Antikapitalismus, Antirassismus, DIE LINKE, Grüne, Kretschmann, Linke, Mieten, Rassismus, Wohnen