Alles wird schlecht. Der Science-Fiction-Streifen »Elysium« zeigt eine brutalisierte Klassengesellschaft und erzählt damit auch eine Menge über das Heute. Von Alexander Schröder
So wie sich im echten Leben die Klassenverhältnisse zuspitzen, verändert sich im Hollywood-Film die Darstellung futuristischer Klassenunterdrückung. »Equilibrium«, »Repo Men« und »In Time« gehören zu den bekannteren Beispielen düsterer Zukunftsbilder. Der aktuelle Actionfilm »Elysium« hat Dietmar Dath dazu verleitet, wohlwollend darüber zu schreiben, er sei »Science-Fiction für Leute, die nicht wissen, dass sie in einer Dystopie leben, die man nicht 2154 nennt, sondern 2013.«
Im Jahr 2154 genießen die Megareichen die Früchte der menschlichen Arbeit auf der paradiesischen Raumstation Elysium, während für die armen Teufel auf Erden die Hölle herrscht. Wer nun einen Aufstand der Armen erwartet, wird enttäuscht.
Die ganze Action wird dadurch ausgelöst, dass der Held Max (Matt Damon) zum Alleingang gegen »die da oben« gezwungen wird, weil sein Arbeiter-Dasein in einer Roboterfabrik ihm eine lebensgefährliche radioaktive Verstrahlung einbringt. Heilung kann er sich nur auf Elysium erhoffen, wo allen Bürgern eine High-Tech-Wundermedizin zur Verfügung steht. Übersüßt wird der Film durch die Liebesgeschichte zwischen Max und einer herzensguten Krankenschwester, deren kleine Tochter zudem sterbenskrank ist.
Verschwörung auf Elysium
Der direkten Aktion des Helden, wie sie für den moralgetriebenen Hollywood-Individualisten typisch ist, steht eine ebenso vereinzelte wie unmoralische Verschwörung im Staatsapparat auf Elysium entgegen. Eine Sicherheitspolitikerin plant einen Putsch gegen die anderen Herrschenden.
Ihre Boshaftigkeit wird veranschaulicht, als sie die Ermordung von illegalen Erdflüchtlingen auf Elysium durch einen faschistoiden Söldner anordnet. Anschließend erinnert die Putschistin mit ihrem heraufbeschworenen Bild einer unkontrollierbaren Immigration nach Elysium an die rassistische Politik und Argumentation heutiger Politiker.
Konflikt von Klassen
Die Fluchtversuche aus dem Erd-Ghetto leuchten ein. Kinder laufen dort in schmutzigen Lumpen durch verwüstete Städte. Die Erwachsenen sehen auch nicht besser aus. Die meisten dürften deklassierte Lohnabhängige ohne geregelte Arbeit sein.
Im Film geht es aber nicht bloß um Arm und Reich, sondern um den Konflikt von Klassen, den Bertolt Brecht so ausdrückte: »Reicher Mann und armer Mann standen da und sah’n sich an. Da sagt der Arme bleich: ‚Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.’«
Zwischen den ganz Armen und den ganz Reichen bilden Zwischenschichten eine konfliktreiche Klassenstruktur. Max produziert ausgerechnet diejenigen sadistischen Robocops, von denen er bei einer »Routine-Kontrolle« krankenhausreif geprügelt wird. Er wird kurz darauf von seinem zynischen Vorarbeiter vor die Wahl gestellt, seine Gesundheit mit Radioaktivität zu ruinieren oder seinen Job zu verlieren.
Faschistoide Diktatur
Die Krankenschwester kann dem verstrahlten Max auch nicht helfen, da es die Wundermedizin nur auf Elysium gibt. Der wild gewordene Söldner, der schon zuvor die Flüchtlinge ermordet hat, will seine eigene faschistoide Diktatur aufbauen. Nur Max, der heldenhafte Arbeiter, kann ihn aufhalten.
Ein Internet-Gangster wird zunächst von seinen kleinbürgerlichen Interessen angetrieben, hilft dem Helden aber schließlich bei seiner Mission. Auf seinem Weg nach Elysium gelangt Max nämlich an Informationen, die ausreichen könnten, um »ihr ganzes System zu überschreiten«.
Den Lauf der Geschichte ändern
Der mit Max zusammen radikal gewordene Internet-Kleinbürger ruft begeistert aus: »Wir können den Lauf der verdammten Geschichte ändern.«Als Nebenprodukt seiner Selbstrettung befreit Max mit diesen revolutionären Informationen die gesamte Menschheit vor der Klassenunterdrückung.
Trotz übertriebener Sentimentalität und seines Hollywood-Individualismus ist »Elysium« einer der radikalsten Hollywood-Streifen der letzten Jahre. Die packende Dramatik des insgesamt gelungenen Films wird durch epische Hintergrundmusik und futuristische Bilder noch gesteigert. Dietmar Dath hat Recht, denn die Konflikte der Zukunft gibt es bereits im Hier und Jetzt. Und Hollywood hat sie selten klarer dargestellt als in »Elysium«.
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