Zuletzt war jeder neue Band der traditionsreichen Asterix-Comicserie eine herbe Enttäuschung. Doch nun gibt es wieder Hoffnung für den schlagkräftigen Gallier und seinen Freund mit dem Hinkelstein. Von Marcel Bois
Wir befinden uns im Jahr null. Ein unbeugsamer Zeichner hat endlich aufgegeben. Albert Uderzo, mittlerweile 86 Jahre alt, entwickelt fortan nicht mehr die Abenteuer des kleinen Galliers Asterix. Und das ist gut so.
Nach dem frühen Tod des begnadeten Texters René Goscinny im Jahr 1977 hatte Uderzo die Reihe alleinverantwortlich fortgeführt. Je länger er das tat, desto mehr verloren die Geschichten an Niveau. Zeichneten sich die früheren Abenteuer durch subtilen Humor aus, so überwog zuletzt platter Klamauk. Den traurigen Tiefpunkt dieser Entwicklung stellte der Band »Gallien in Gefahr« aus dem Jahr 2005 dar, in dem Außerirdische und Superhelden das antike gallische Dorf besuchten.
Goldene Goscinny-Ära
Der 35. Band der Asterix-Reihe ist nun also der erste, der ohne seine beiden Schöpfer zustande gekommen ist. Autor Jean-Yves Ferri und Zeichner Didier Conrad haben übernommen – und versuchen an die Traditionen aus der goldenen Goscinny-Ära anzuknüpfen. Deren Markenzeichen waren die vielen Reisen des kleinen Galliers und seines Freunds Obelix. Auch in »Asterix bei den Pikten« zieht es die beiden in die Ferne.
Diesmal geht’s ins historische Schottland. Die dort lebenden Völker wurden von den Römern als Pikten (lateinisch: picti) bezeichnet. Übersetzt bedeutete das »die Bemalten« und war ein Hinweis auf deren Sitte, sich auffällig zu tätowieren.
Die spinnen, die Römer
Auf einen Vertreter dieser Ethnie treffen Asterix und Obelix beim Spaziergang am heimischen Strand. In einem Eisblock eingefroren hat ihn das Meer angespült. Der zunächst Sprachlose entpuppt sich bald als schottischer Clanchef. Seine Widersacher wollten ihn loswerden, um mit Hilfe der Römer die Herrschaft über die Stämme im Norden der britischen Insel an sich zu reißen. Da dauert es nicht lange, bis sich Asterix und Obelix auf eine abenteuerliche Rettungsmission begeben.
Gespickt ist die Geschichte, wie in jedem Asterix-Band, mit allerhand kulturellen und regionalen Stereotypen. So sind die antiken Schotten begnadete Baumstamm-Weitwerfer, trinken Malzwasser und tragen karierte Kilts. Auch ein Vorfahre von Nessie, dem Ungeheuer von Loch Ness, darf nicht fehlen. Das ist mal mehr, mal weniger lustig. Sehr gelungen ist in der deutschen Übersetzung die Namensgebung der Pikten. Einer der Schurken heißt Mac Ymesserh und der neue Freund der Gallier trägt den Namen Mac Aphon. Diese Anspielung erhält einen zusätzlichen Witz, da der Pikte im Eis seine Stimme verloren hat und zunächst nur gestikulieren kann. Ziemlich bemüht wirkt hingegen der vermeintliche Running Gag, dass Mac Aphon permanent Songs des 20. Jahrhunderts anstimmt.
Politische Anspielungen
Zeitgenössische Gesellschaftsentwicklungen spielten in den Frühwerken stets eine wichtige Rolle: In »Asterix als Legionär« wurde die Fremdenlegion aufs Korn genommen, bei »Asterix in Spanien« der moderne Massentourismus persifliert und in »Asterix bei den Olympischen Spielen« das Thema Doping aufgegriffen. Mit »Die Trabantenstadt« kritisierten Goscinny und Uderzo die seinerzeit von Pariser Stadtplanern entworfenen Satellitenstädte. Und als Asterix und Obelix in »Die Odysee« nach Mesopotamien aufbrachen, um ihrem Druiden das dringend benötigte Steinöl zu besorgen, war der Verweis auf die in den Jahren vor Erscheinen des Bandes eskalierte Ölkrise nicht zu übersehen.
Diesmal hätte sich beispielsweise angeboten, die regionalen Unabhängigkeitsbestrebungen in Europa zu thematisieren. So weit geht Ferri leider nicht. Doch wer genau hinsieht, entdeckt zumindest die ein oder andere politische Anspielung – etwa wenn der Dorfchef Majestix sagt: »Für uns Gallier ist Recht auf Asyl kein leeres Versprechen.«
Bei diesem Band war Uderzo noch beratend tätig. Möglicherweise ist das eine Erklärung für manch inhaltliche Schwäche. Doch oft genug blitzt das erzählerische Potential von Ferri auf. Für die Zukunft lässt das hoffen.
Weiterlesen:
Jean-Yves Ferri (Text), Didier Conrad (Zeichnungen)
Asterix bei den Pikten
Egmont Ehapa Verlag
Berlin, Köln 2013
50 Seiten
6,50 Euro
Foto: roudou
Schlagwörter: Bücher, Comic, Kultur, Schottland