Der neoliberale Hardliner im argentinischen Präsidentenpalast, Mauricio Macri, will seinen Sparkurs fortsetzen. Doch der Widerstand wächst. Von Ivan Lucic
Während sich Ende September der argentinische Präsident Mauricio Macri am Rande der UN-Vollversammlung in New York mit Donald Trump sowie Investoren und Finanzhaien aus aller Welt trifft, beginnt in seinem Heimatland ein 36-stündiger Generalstreik. Der gewaltige Unmut der letzten Monate entlädt sich auf den Straßen: Zehntausende Eisenbahner, Fluglotsinnen, Müllarbeiter, Lehrerinnen und Pflegekräfte beteiligen sich an dem landesweiten Ausstand. Schulen, Universitäten, Behörden, Banken und Teile der Krankenhäuser bleiben geschlossen. Zahlreiche Flüge werden gestrichen. Busse, U-Bahnen und Züge verkehren nicht mehr. Und auch Industrie und Handel ruhen größtenteils. Zum Höhepunkt der Großdemonstration in der Hauptstadt Buenos Aires protestieren über eine halbe Million Menschen auf den Straßen.
Macri will Investoren anlocken
Es ist bereits der vierte Generalstreik in diesem Jahr. Die Menschen in Argentinien leiden unter grassierender Inflation, schwindenden Reallöhnen und einer rapiden Verschlechterung ihrer Lebensverhältnisse. Während die Regierung von Präsident Macri versucht, sich als erfolgreiche Reformerin zu präsentieren, um das »Vertrauen der Märkte« zu gewinnen und Investoren anzulocken, muss die Bevölkerung bluten.
Die marktliberale Ausrichtung und der Fokus auf die Wünsche der internationalen Kreditgeber haben dramatische Auswirkungen: Der argentinische Peso hat seit Jahresbeginn bereits 50 Prozent an Wert zum US-Dollar eingebüßt. Im Juli lag die Inflation bei 20 Prozent, bis zum Jahresende könnten es 30 Prozent sein. Gleichzeitig ist die Arbeitslosigkeit auf den höchsten Stand seit mehr als einem Jahrzehnt gestiegen. Etwa ein Drittel der argentinischen Bevölkerung gilt offiziell als arm – tatsächlich sind die Zahlen noch wesentlich höher.
Die Rückkehr des IWF
In Sprechchören und auf Bannern werfen die Streikenden Macri auf dem Platz vor dem Präsidentenpalast vor, das Land dem Spardiktat des Internationalen Währungsfonds (IWF) auszuliefern. Tatsächlich geht der aktuelle Sparkurs auf einen Deal zurück, den Macri im Gegenzug für Hilfskredite in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar mit dem IWF aushandelte.
Bei seiner Rede vor der UN-Vollversammlung betonte Macri, Argentinien sei »entschlossen, die geforderten Maßnahmen mit Demut umzusetzen« und verpflichte sich, die bereits »großartigen Anstrengungen« dafür noch weiter zu verstärken. Auch IWF-Chefin Christine Lagarde hatte sich über den Kurznachrichtendienst Twitter zuversichtlich gezeigt, dass man sich erneut auf weitere Zahlungen einigen werde. In ihrem Beisein hatte Macri am Tag zuvor einen Preis des Atlantic Council für »seine politische Führungsstärke und sein Engagement« erhalten – während zur gleichen Zeit in Argentinien über 500.000 Menschen gegen seine Politik Sturm liefen.
Gewerkschaftsbewegung ist gespalten
Mehr als fünfzehn Jahre ist es her, dass in Argentinien ein Massenaufstand die Regierung stürzte und die IWF-Vertreter aus dem Land verjagte. Das gleiche Schicksal könnte auch die Regierung von Präsident Macri ereilen. Ob er mit seiner marktradikalen Sparpolitik durchkommen wird, hängt insbesondere vom Agieren der Gewerkschaftsbewegung ab. Die Gewerkschaften verfügen in Argentinien nach wie vor über eine starke Basis, aber sie sind auch so zerstritten wie in kaum einem anderen Land.
Genau wie sein Nachbarland Brasilien steuert Argentinien auf turbulente Zeiten zu: Weder scheint Macri gewillt dem Druck der Straße nachzugeben, noch wird der Widerstand gegen die soziale Verwüstung, die seine Politik hinterlässt, von alleine nachlassen.
Foto: Mauricio Macri
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