Mit den Wahlerfolgen im Rücken kann die LINKE jetzt wachsen und die Bewegung für soziale Gerechtigkeit in und außerhalb der Parlamente voranbringen.
Bei den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen kam eine deutliche Linksverschiebung in der Bevölkerung zum Ausdruck. Herausragende Ergebnisse sind der erstmalige Einzug der LINKEN in die Landtage beider Bundesländer und der Verlust der Mehrheit der CDU/FDP-Koalition im hessischen Landtag.
Tabelle 1: Vorläufiges amtliches Endergebnis (Quelle: Landeswahlleiter Hessen und Niedersachsen)
Bundesland | Wahlbet. | Zweitstimmenanteile 2008 | ||||||
CDU | SPD | FDP | Grüne | LINKE | Sonst. | |||
Hessen | % | 64,3 | 36,8 | 36,7 | 9,4 | 7,5 | 5,1 | 4,5 |
Niedersachsen | % | 57,0 | 42,5 | 30,3 | 8,2 | 8,0 | 7,1 | 3,9 |
Zweitstimmenanteile bei der Landtagswahl 2003 | ||||||||
Hessen | % | 64,6 | 48,8 | 29,1 | 7,9 | 10,1 | – | 4,3 |
Niedersachsen | % | 67,0 | 48,3 | 33,4 | 8,1 | 7,6 | 0,5 | 2,5 |
Veränderung 2008 gegenüber der Landtagswahl 2003 | ||||||||
Hessen | % | -0,3 | -12,0 | +7,6 | +1,5 | -2,6 | +5,1 | +0,2 |
Niedersachsen | % | -10,0 | -5,8 | -3,1 | +0,1 | +0,4 | +6,6 | +1,4 |
Abgegebene gültige Stimmen 2008 | ||||||||
Hessen | 2.742.709 | 1.009.749 | 1.006.154 | 258.554 | 206.606 | 140.488 | 121.158 | |
Niedersachsen | 3.422.552 | 1.455.687 | 1.035.894 | 279.557 | 273.934 | 243.106 | 134.374 | |
Veränderung der abgegebenen Stimmen gegenüber 2003 | ||||||||
Hessen | +7.717 | -324.114 | +210.578 | +42.444 | -69.670 | +140.488 | +7.991 | |
Niedersachsen | -561.457 | -469.368 | -294.262 | -43.550 | -30.598 | +221.546 | +54.781 |
DIE LINKE konnte in beiden Bundesländern mit dem Einzug in die Landtage ihr Wahlziel erreichen. Zusammen stimmten 383.594 Wählerinnen und Wähler für DIE LINKE (für die PDS stimmten 2003 in Niedersachsen 0,5 % = 21.560 Wählerinnen und Wähler, in Hessen hatte die PDS 2003 nicht kandidiert). Dem hessischen Landtag werden 6 LINKE, dem niedersächsischen Landtag 11 LINKE angehören.
Die CDU musste in beiden Bundesländern schwere Verluste an Wählerstimmen hinnehmen, zusammen 793.482 Stimmen. Trotzdem kann die CDU in Niedersachsen zusammen mit der FDP weiter regieren, in Hessen hat die Regierung Koch keine Mehrheit mehr im Parlament.
Während die SPD in Hessen 210.578 Stimmen hinzu gewinnen konnte, verlor sie in Niedersachsen 294.262 Stimmen. Ein ähnliches Bild bietet das Wahlergebnis auf niedrigerem Niveau für die FDP. Die Grünen haben in beiden Bundesländern Stimmen verloren.
Zum Wahlkampf und zu den Wahlgründen
In beiden Bundesländern hat DIE LINKE einen engagierten Wahlkampf geführt. Im Mittelpunkt standen Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit (Mindestlohn, Armut bekämpfen, Hartz IV) und Forderungen im Bildungsbereich. Das entspricht den von infratest-dimap ermittelten entscheidenden Gründen für die Wähler der LINKEN, dieser Partei ihre Stimme zu geben. Dort wurde an erster Stelle genannt soziale Gerechtigkeit, gefolgt von Arbeitsmarktpolitik, Wirtschaftspolitik und Bildungspolitik.
Der Wahlkampf verlief in beiden Bundesländern sehr unterschiedlich, was sich auch auf die Wirkungsmöglichkeiten der LINKEN auswirkte.
Der hessische Wahlkampf wurde von CDU und SPD stark polarisierend geführt, was zu einer starken Mobilisierung der Anhänger beider Parteien führte. In der Schlussphase des Wahlkampfes setzte die CDU, besonders ihr Spitzenkandidat Roland Koch, auf die Wirkung einer im Kern rassistischen Entlastungsoffensive. Seine Kampagne gegen „zu viele junge kriminelle Ausländer" hat sich allerdings als politischer Bumerang erwiesen. Seine Polarisierung bestärkte die ohnehin vorhanden „Koch muss weg"-Stimmung in breiten Arbeitnehmerschichten. Davon profitierte insbesondere die SPD mit ihrer Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti, die für die Einführung eines Mindestlohns eintrat, ohne allerdings einen konkreten Betrag zu nennen, und für Reformen im Bildungsbereich. Allerdings konnte die SPD nicht nennenswert Arbeiter, Arbeitslose und Rentner zurückgewinnen (lediglich +1%) – jene Schichten, die am härtesten von der unsozialen Agenda-Politik betroffen sind.
Für die hessische Linke entstand so eine schwierige Lage. Es galt, die „Koch-muss-weg"-Stimmung aufzugreifen ohne zum Anhängsel der Ypsilanti-SPD zu verblassen. In einem Massen-Flyer mit hoher Auflage (Vorderseite „Koch abwählen – Das geht nur mit LINKS", Rückseite: „Die Linke für einen Politikwechsel") wurde Andrea Ypsilanti „unehrlicher Wahlversprechen" bezichtigt, wenn sie einerseits Mindestlöhne und gleiche Bildungschancen fordert, andererseits erklärt, lieber mit der FDP oder gar mit der CDU koalieren zu wollen.
Oskar Lafontaine und Gregor Gysi haben mit ihren Wahlkampfauftritten ebenfalls hervorragend diesen politischen Balanceakt bewältigt. Den 1200 Menschen, die eine Wahlveranstaltung der LINKEN in Frankfurt am Main besuchten, gab Lafontaine die Botschaft mit, dass ein Regierungswechel kein Selbstzweck sein dürfe. DIE LINKE kämpfe für einen Politikwechsel, der nicht ohne Massenstreiks wie in Frankreich durchzusetzen sei.
Es spricht für die Qualität des Wahlkampfes der hessischen LINKEN, dass sie in dieser polarisierten Situation ihr eigenes Profil im Wahlkampf deutlich machen konnten und Wählerinnen und Wähler für die Politik der LINKEN und für die Abwahl der Koch-Regierung mobilisieren konnten.
Eine vergleichbare Polarisierung zwischen CDU und SPD fand im niedersächsischen Wahlkampf nicht statt. Einem „integrierend" auftretenden Wulf (CDU) stand ein farbloser Jüttner (SPD) gegenüber. Hier konnte eindeutiger die Forderung nach einem Politikwechsel unmittelbar mit der Wahl der LINKEN verbunden werden, was im Vergleich zu den relativ niedrigen Umfrageergebnissen vor der Wahl zu einem relativ hohen Stimmenergebnis führte. Bemerkenswert ist hier, dass die LINKE von 25 % der Arbeitslosen und 11 % der Arbeiter gewählt wurde (in Hessen wurden Stimmen aus diesen Bereichen in stärkerem Maße von der SPD gewonnen).
DIE LINKE konnte in beiden Bundesländern Stimmen von bisherigen Nichtwählern gewinnen (Hessen 26.000, Niedersachsen 30.000). Ansonsten bekam die Politik der LINKEN Zustimmung von Wählerinnen und Wählern, die bisher andere Parteien gewählt hatten:
Tabelle 2: Wählerwanderungen zur LINKEN
CDU | SPD | Grüne | FDP | Nichtwähler | Sonstige | |
Hessen | 16.000 | 32.000 | 19.000 | 5.000 | 26.000 | 27.000 |
Niedersachsen | 27.000 | 79.000 | 31.000 | 10.000 | 30.000 | 18.000 |
Zur Bedeutung des Wahlergebnisses für DIE LINKE
Mit dem Einzug in die Landtage von Hessen und Niedersachsen wurde erneut bestätigt, dass mit der Bildung der LINKEN das bundesdeutsche Parteiensystem verändert wurde. In zwei wichtigen Flächenländern der Bundesrepublik besteht nun die Möglichkeit außerparlamentarische Aktivitäten mit parlamentarischer Präsenz zu verbinden. Das schafft neue Möglichkeiten für DIE LINKE, sich in gesellschaftlichen Strukturen zu verankern und die politischen Kräfteverhältnisse nach links zu verschieben.
Die politischen Alternativen, mit denen DIE LINKE in die Wahlkämpfe eingegriffen hat, zeigen Wirkung und ermöglichen ein schnelleres Wachsen der Partei, wenn es gelingt, Wählerinnen und Wähler enger an DIE LINKE zu binden. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf die Erstwähler gelegt werden. In Hessen (3 %) und in Niedersachsen (6 %) wurden in dieser Altersgruppe ebenso wie bei den Frauen (Hessen 4 %, Niedersachsen 6 %) unterdurchschnittliche Ergebnisse erzielt.
Die Wahlergebnisse sind eine große Ermutigung für die bevorstehenden Landtags- und Kommunalwahlen sowie die Europa- und Bundestagswahlen 2009.