Karin de Miguel Wessendorfs hat für ihren Film »Die Rote Linie« über Jahre den Widerstand im Hambacher Forst dokumentiert. Phil Butland hat sich den Film für uns angeschaut
Der Sieg im Hambacher Forst war ein wichtiger Gewinn für die Klimabewegung. Karin de Miguel Wessendorfs neuer Film zeigt, dass der Sieg keine Selbstverständlichkeit war. Sie begann 2015, die Proteste der Bewohnerinnen und Bewohner von drei Baumhäusern und einer Handvoll von Anwohnern filmisch zu begleiten.
Anwohner und Aktivistinnen vereint
Clumsy ist Baumbesetzer aus Österreich. Er fühlt sich gezwungen zu agieren, und ist bereit, dafür Gesetze zu brechen, solange dabei keine Menschen oder Tiere verletzt werden. Michael Zobel ist Naturführer, der Waldspaziergänge durch den Hambacher Forst organisiert.
Lars Zimmer bleibt aus Protest in seiner Wohnung, auch als fast alle Einwohner und Einwohnerinnen Immerath verlassen haben. Das Dorf soll dem Tagebau zum Opfer fallen. Im Verlauf des Films verlässt auch Lars Freundin zusammen mit ihren Kindern das Geisterdorf. Obwohl sie sein Handeln völlig versteht und unterstützt, kann sie es selber nicht mehr tragen. Sie fragt sich, ob sie RWE für die Kosten ihrer Eheberatung verklagen kann.
Und dann gibt es noch Antje Grothus aus Buir, die vor 10 Jahren die große Menschenkette gegen Kohleabbau organisiert hat und als Vertreterin der Region in die Kohlekommission der Bundesregierung berufen wird.
Widerstand im Hambacher Forst
Am Anfang scheint der Kampf hoffnungslos zu sein. RWE ist zu stark – und hat die volle Unterstützung der schwarz-gelben Landesregierung. Aber die Protestierenden arbeiten zusammen – die Baumbesetzer werden von lokalen Unterstützern mit Essen und Kleidung versorgt. Ihr Verständnis als Aktivistinnen und Aktivisten ist allerdings unterschiedlich. Bei Einigen gibt es die Tendenz, »Gewalt auf allen Seiten« zu verurteilen, und zu versuchen, die Polizei auf ihre Seite zu ziehen. Nachdem die Polizei massiv Pfefferspray einsetzt, ändern manche ihrer Meinung.
Die Demos werden langsam größer. Nachdem Innenminister Herbert Reul die Demonstranten angreift, nehmen Tausende an einem von Michaels Waldspaziergängen mit Fahnen und Transparenten teil. Antje meinte dazu: »Minister Reul rief die radikalen G20-Aktivisten und es kam das Volk«.
Die Größe und Breite der Demonstrationen verunsichert die Polizei. Heiko Müller, stellvertretenden Vorsitzender der GdP sagt, die Polizei gehe mit »zweierlei Gefühl in den Einsatz, weil sie nicht wissen, ob er sinnvoll ist«. Trotzdem geht die Polizeigewalt ungebrochen weiter.
Die Bagger stehen noch
Dann kommt der Wendepunkt. Als bei einer Räumung ein Journalist zu Tode stürzt, sagt die Polizei, dass es nichts mit ihrem Einsatz zu tun hat. Bald wird bekannt, dass der Journalist versucht hat, den Polizeieinsatz zu filmen. Der RWE-Vorstandsvorsitzender Rolf Martin Schmitz sagt, der Journalist »wäre für eine Illusion gestorben, die sowieso nicht zu erfüllen ist«. Kurz danach setzte das Oberverwaltungsgericht Münster die Rodung des Hambacher Forsts bis 2020 aus.
Der Sieg wäre ohne drei Faktoren nicht möglich gewesen – die Aktivistinnen und Aktivisten in den Wäldern, die die Rodung verzögert haben, die Anwohnerinnen und Anwohner, die die Aktivitäten vor Ort koordiniert haben, und die Aktivistinnen und Aktivisten außerhalb des Waldes, die den politischen Druck erhöht haben.
Der Kampf ist nicht vorbei. Am Ende des Films sagt Michael, »das Gerichtsurteil ist sensationell, aber damit ist die Arbeit nicht getan. Da stehen immer noch die Bagger«.
Der Sieg im Hambacher Forst war unerwartet und ist deswegen noch prekär und die Probleme werden bleiben, solange Konzerne wie RWE die Erlaubnis bekommen, unsere Erde aus zu plündern.
Der Film:
Die rote Linie – Vom Widerstand im Hambacher Forst
Regie: Karin de Miguel Wessendorf
Deutschland 2019
Start 23. Mai 2019
121 Minuten
Foto: Flickr
Schlagwörter: Braunkohle, Hambacher Forst, Klima, Klimabewegung, Kultur, RWE