Trotz immer mehr Geimpften sterben in Deutschland jede Woche Hunderte an Corona, Zehntausende leiden an Long-Covid. Statt nachhaltige Schutzmaßnahmen einzuleiten, werden Ungeimpfte zum Problem erklärt. Die Linke darf dabei nicht mitmachen, meint Hans Krause
615 Tote, nur in Deutschland, nur in der letzten Oktoberwoche. In den Winterwochen werden es voraussichtlich noch mehr sein. Hätte es einen Terroranschlag mit nur einem Zehntel der Opfer gegeben, würden Politiker:innen und Medien monatelang über wenig anderes sprechen. Doch bei der Corona-Pandemie setzen sie darauf, dass wir uns ans Sterben gewöhnen.
Medizinische Wissenschaftler:innen haben schon im Frühjahr davor gewarnt
Politiker:innen diskutieren die Auslastung der Intensivstationen in Krankenhäusern, als wäre alles in Ordnung, solange noch Betten frei sind. Tatsächlich aber müssen schon immer ein Teil der Intensivpatient:innen sterben und die Ansteckung von Hunderttausenden Menschen in Kauf zu nehmen bedeutet, dass viele unter den Spätfolgen von COVID-19 leiden. Laut einer Studie aus Großbritannien mehr als 9 Prozent. Medizinische Wissenschaftler:innen haben schon im Frühjahr davor gewarnt, dass die Impfung allein das Virus nicht ausrotten kann (Lies hier den marx21-Artikel: »Herdenimmunität: Impfen allein ist keine Lösung«).
Trotzdem hat CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn so viel vom »richtig guten Sommer« geschwafelt, bis viele glaubten, Corona habe sich erledigt. Vor allem aber hat die Regierung einmal mehr nichts getan, um den Menschen trotz Corona-Schutz das Leben erträglicher zu machen. Statt jeder Arbeitnehmer:in das Recht zu geben, bei hohen Infektionszahlen nicht zu arbeiten oder wenigstens Home Office zu machen, zwingen Unternehmen ihre Angestellten wieder, jeden Tag in Büros und Fabriken zu kommen. Schlimmer noch: Lohnerstattung für Ungeimpfte in Quarantäne fällt weg. Das digitale Lernen funktioniert immer noch so schlecht wie letztes Jahr. Weshalb wieder alle Kinder jeden Tag in die Schule müssen. Mundschutz muss nicht mehr getragen werden, obwohl es immer noch viel zu wenig Luftfilter in den Klassenzimmern gibt; zum Beispiel nur zwei in ganz Sachsen-Anhalt. All das obwohl es für Kinder unter zwölf Jahren noch immer keine Impfangebot gibt.
Corona: PCR-kostenlos, statt Schnelltest kostenpflichtig
Statt die zuverlässigen PCR-Tests kostenlos anzubieten, um möglichst viele Infektionen zu entdecken, müssen jetzt sogar die Schnelltests selbst bezahlt werden. Zurzeit werden 37 Prozent weniger Tests gemacht als im April. Mit der sich momentan ausbreitenden Infektionsdynamik (R-Wert seit mehr als vier Wochen über 1) werden die unentdeckten Ansteckungen jeden Tag mehr und mit ihnen die erneute Verbreitung des Virus.
Im Frühjahr plakatierte die Regierung noch überall »Deutschland krempelt die Ärmel hoch«, als es für die meisten noch keinen Impfstoff gab. Doch jetzt, wo Argumente so wichtig wären, um auch die 30 Prozent Nicht–Geimpfte zu überzeugen, gibt es davon nur wenig. Warum liegen nicht in allen Bahnen und Bussen Faltblätter aus? Warum gibt es keine persönliche Aufklärung von Ärzt:innen in Betrieben, Schulen und Universitäten?
Wie bei Menschen mit anderen irrationalen Ängsten, bringt es auch bei Impfskeptiker:innen nichts, an die »Eigenverantwortung« zu appellieren oder sie zu Idioten zu erklären. Das führt zu keiner einzigen zusätzlichen Impfung. Die Schuld allein bei den Menschen abzuladen, gibt der Regierung sogar einen Vorwand, nichts tun zu. Viel schlimmer ist aber, dass die Regierung versucht, mit repressiven Mitteln die Menschen zum Impfen zu bewegen.
Angst ist so alt wie das Impfen
Eine Impfpflicht oder der Ausschluss nicht Geimpfter aus der Öffentlichkeit ist der falsche Weg. Es wird die allermeisten in ihrer ablehnenden Haltung bestärken und nur zu ganz wenigen Impfungen führen. Zudem bedeuten mögliche Geldstrafen wie bei allen Vergehen nichts anderes, als dass diese für Reiche erlaubt sind. Weil 1000 Euro für sie genauso lächerlich wenig sind wie 1 Cent.
Die Regierung hätte damit rechnen müssen
Heute erleben wir jeden Tag schmerzlicher, dass die Impfung eben nicht der Joker ist, mit dem sich jede einzelne von den Gefahren und Lasten der Pandemie befreien kann. Dass die Bundes- und Landesregierungen immer mehr Schutzmaßnahmen ersatzlos streichen, befreit keineswegs die Geimpften, sondern verlängert Pandemie und Lebensgefahr unnötig für alle.
Die Regierung hätte damit rechnen müssen, dass es dieses Jahr noch Millionen Nicht–Geimpfte geben wird. Denn seit der Erfindung des Impfens im 19. Jahrhundert, gab es immer eine Minderheit, die davor Angst hatte. Diese Menschen zum Teufel zu wünschen, mag einem das Gefühl geben, zu den Guten zu gehören. Gegen die Pandemie hilft es jedoch nicht. Dass mit der Verfügbarkeit des Impfstoffs alles vorbei ist, war von Anfang an umstritten, sich alleine auf die Impfungen zu verlassen falsch.
Profite gehen vor Menschenleben
Doch den Politiker:innen der großen Parteien sind die Profit-Interessen der Wirtschaft wichtiger als Menschenleben. Und so behaupten sie einfach entgegen aller wissenschaftlicher Ratschläge, dass keine umfassenden Schutzmaßnahmen mehr notwendig seien. Richtig wäre hingegen, Beschäftigten ein Recht auf Arbeit von zu Hause zu geben oder kostenlos PCR-Tests anzubieten.
Wer das für viel zu teuer hält, sollte 1. bedenken, dass es um die Frage geht, ob in Deutschland weitere zehntausende Menschen sterben oder nicht. Und 2. verkaufen Pharmakonzerne wie Roche die Tests nicht zum Selbstkostenpreis, sondern versuchen wie jedes Unternehmen, mit ihren Waren so viel Profit wie möglich rauszuschlagen. Wer sich dringend testen muss, ist für sie nur ein guter Kunde. Und so lange diese trotzdem zahlen, werden hohe Preise verlangt. Deshalb kosten PCR-Tests in Deutschland 60 Euro und mehr, in ärmeren Ländern 50 oder beispielsweise in Israel 20 Euro.
Stattdessen kürzt der deutsche Staat genau zu Beginn der vierten Welle sogar die Kostenübernahme für die billigeren Schnelltests. Eine Einsparung im Gesundheitswesen, die hunderte Menschen töten wird. Dass man damit Leute zur Impfung bringen will, ist nur ein Vorwand. Denn dann müssten die Tests ja zumindest für Geimpfte kostenlos bleiben. In Wirklichkeit ging es darum, die Ausgaben des Staates zu senken und zwar an einer Stelle, die über Leben und Tod entscheidet.
Corona: Impfpflicht führt nicht zu Impfungen
Um die vierte Welle zu brechen, kann die dritte Impfung ein wichtiger Beitrag sein. Doch egal ob die Regierung sich dafür »Booster« oder ein anderes albernes Wort ausdenkt: Auch dessen Schutzwirkung hält nur begrenzte Zeit und die Zahl der nicht Geimpften wird nicht kleiner, wenn andere die Dritte bekommen.
Doch auch eine Impfpflicht wird hingegen nicht helfen, weil sie eben nicht dazu führen wird, dass schnell alle geimpft sind, so schön das auch wäre. In New York wurden alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes verpflichtet, sich bis Ende Oktober impfen zu lassen. Zusätzlich gab es dafür sogar eine Prämie von umgerechnet 430 Euro. Das Ergebnis ist, dass seit Anfang November 9000 Verwaltungsangestellte, 3700 Feuerwehrleute und 2000 Beschäftigte der Müllabfuhr nicht mehr arbeiten dürfen und keinen Lohn erhalten.
Zwar haben sich tausende andere Angestellte des öffentlichen Dienstes angesichts der drohenden Entlassung tatsächlich impfen lassen. Entscheidend für die Pandemie ist jedoch die Impfquote der gesamten Bevölkerung und die verharrt in New York bei 67 Prozent. In den gesamten USA bei 58, vor allem weil Republikaner-Politiker sich öffentlich gegen Impfung und Schutzmaßnahmen stellen.
»Nicht alles unterordnen«
Ebenso kann die »2G-Regel« mit Zugang zu öffentlichen Orten nur für Geimpfte und Genesene wie jetzt in Sachsen zwar dazu führen, dass Ungeimpfte weniger Kontakte haben und damit auf unmenschliche Art ein klein wenig zum Infektionsschutz beitragen. Mehr Impfungen bringt aber auch sie nicht. Und die Infektionsdynamik wird nicht gebrochen, denn Infektionen entstehen nicht nur in Kneipen oder Museen.
Um das sich exponentiell ausbreitende Corona-Virus zu stoppen, braucht es nach wie vor die schnelle Unterbrechung der Infektionsketten. Doch genau darin versagt jetzt die Regierung, indem sie so tut als sei der Impfstoff die Lösung für alles und als könne man deswegen zum Wohle der Wirtschaft auf Kontaktbeschränkungen verzichten. Statt die Pandemie hart zu bekämpfen, handelt die Politik nach dem Motto »Mit Corona leben und sterben« oder wie es der damalige CDU-Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble ausdrückte: »Wir dürfen dem Schutz des Lebens nicht alles unterordnen«.
Wagenknecht gegen Wissenschaft
Die Linke kann dieses Verbrechen der Regierung vorerst nicht verhindern. Aber sie könnte es so laut wie möglich als das anprangern, was es ist: Ein Massenmord an Geimpften und nicht Geimpften. Sie sollte zugleich umfassenden Schutz vor COVID-19 auf Kosten der Wirtschaft, nicht der Menschen fordern wie auch die sofortige Aufhebung der Impfpatente.
Sogar Sahra Wagenknecht hat ausnahmsweise Recht, wenn sie die Regierung für die unsoziale Pandemiepolitik kritisiert. Katastrophal ist hingegen, dass sie dies mit der angeblich geringen Gefahr des Virus und der hohen Gefahr der Impfung verbindet. Gegen alle wissenschaftlichen Erkenntnisse biedert sich Wagenknecht bei Querdenkern an, ohne sich darum zu scheren, wie sehr sie der LINKEN damit schadet.
Corona: Lasst die Reichen zahlen
Ein Grund für die Krise der LINKEN ist jedoch auch, dass sie keinen klaren Oppositionskurs in der Pandemiebekämpfung einschlug. Fraktionschef Dietmar Bartsch unterstützte zu Beginn die unsoziale Lockdown-Politik der Bundesregierung und forderte lediglich, dass sie im Parlament beschlossen wird und deutschlandweit dieselben Regeln gelten. Erst viel zu spät und nach massivem Druck aus der Basis änderte die Partei die Linie und forderte einen Strategiewechsel in der Pandemiebekämpfung durch die radikale, aber sozial gerechte Eindämmung des Virus.
Umso dringender sollte die Partei jetzt ihre Forderungen nach diesem Strategiewechsel und dem Infektionsschutz auf Kosten der Reichen statt der Bevölkerung in den Vordergrund stellen. Mit Kundgebungen vor Parlamenten und Rathäusern in ganz Deutschland, könnte sie den öffentlichen Protest gegen die Regierenden organisieren. Talkshow-Einladungen bringen sie hingegen nicht aus der Krise.
Bild: Martin Sanchez / Unsplash
Schlagwörter: Corona, Coronakrise, Coronavirus, Covid-19, DIE LINKE