Zum Volksentscheid »Deutsche Wohnen und Co. enteignen« verkündet die Verhandlungsführung der LINKEN Berlin stolz einen Sieg in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD und den Grünen. Echt jetzt? Ein Kommentar von Daniel Anton und Yaak Pabst
Klaus Lederer, Spitzenkandidat der LINKEN verkündet eine frohe Botschaft: »Der Auftrag des Volksentscheids soll seriös erfüllt werden«. Doch wer sich den Beschlusstext durchliest, wird schnell merken, dass das Gegenteil der Fall ist. In der Einigung wird gleich zu Beginn klar gemacht, wohin die Reise gehen soll. Dort steht: »Die neue Landesregierung respektiert das Ergebnis des »Volksentscheides über einen Beschluss zur Erarbeitung eines Gesetzentwurfs durch den Senat zur Vergesellschaftung der Wohnungsbestände großer Wohnungsunternehmen« und wird verantwortungsvoll damit umgehen.«
Giffey lehnt den Volksentscheid ab
Da haben also mehr als eine Millionen Berliner:innen für die Enteignung gestimmt und die neue Landesregierung will das Ergebnis »respektieren« statt »anerkennen« und damit »umgehen« statt es »umsetzen«. Das ist die Handschrift von Franziska Giffey. Sie hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass sie das Volksbegehren ablehnt. Sie will die Stimmen für den Volksentscheid »Deutsche Wohnen & Co. Enteignen« ignorieren und das Volksbegehren ausbremsen. Diese Formulierungen sind ein Hohn für Wähler:innen und eine Ohrfeige für die vielen Tausenden Aktiven, die den Erfolg des Volksbegehren überhaupt erst möglich gemacht haben.
Ein Verschiebebahnhof zum Beerdigen des Volksbegehrens
Weiter heißt es: »Sie [die neue Landesregierung], setzt eine Expertenkommission zu Prüfung der Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen der Umsetzung des Volksbegehrens ein«. Doch ein Gesetzentwurf zur Enteignung liegt längst vor, dafür braucht es keine Kommission. Giffeys »Expertenkommission« ist eine Verschiebebahnhof zum Beerdigen des Volksbegehrens. Nichts weiter. Doch das muss nicht das Ende des Entscheids sein.
Gutachten und Minimalkompromiss
Die Sachlage ist klar: unter anderem der wissenschaftliche Dienst des Bundestags und der des Abgeordnetenhaus Berlins haben in Gutachten bereits festgestellt, dass ein entsprechendes Gesetz verfassungskonform sein kann. Klar, es gibt auch anderslautende Gutachten doch fest steht: es geht bei der Frage nach der Umsetzung des Volksentscheids faktisch nicht mehr um die juristische Frage, sondern um den politischen Willen. Der »Minimalkompromiss«, wie ihn die Initative in einer ersten Pressemitteilung zurecht genannt hat, läuft darauf hinaus, dass frühestens 2023 mit einer Umsetzung zu rechnen ist. Der Mietenwahnsinn ist dagegen im hier und jetzt eine Realität für hunderttausende Menschen in dieser Stadt. Dazwischen warten aber nun nicht nur die »Prüfung der Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen«, also massiv Fallstricke die zur endgültigen Beerdigungen führen können, sondern auch eine extrem selbstbewusste Giffey-SPD, die von Anfang an klar gemacht hat, dass es mit ihr keine Enteignung geben wird.
DWE stirbt nicht, wenn DIE LINKE nicht koalieren will.
Die Frage ist, ob Giffey damit Erfolg haben wird. Vor diesem Hintergrund: DWE stirbt nicht, wenn DIE LINKE nicht koalieren will. DWE würde sterben, wenn es keine Bewegung auf der Straße mehr gibt. Die SPD hat die Führung in der Koalition und Franziska Giffey wird ihr bestes tun, um den Volksentscheid im Sand verlaufen zu lassen oder ihn als verfassungswidrig anzuzweifeln – ob mit oder ohne Kommission. Giffey zieht DIE LINKE und die Bewegung am Nasenring durch den Kommissionszirkus. In der Koalition ist DIE LINKE dem Koalitionsfrieden unterworfen. Vor allem in der Opposition wäre sie in der Lage, gemeinsam mit Gewerkschaften und den Mieterinitiativen Druck aufzubauen, glaubwürdig zu bleiben und für die Umsetzung des Volksbegehrens zu kämpfen. Dies wird entscheidend sein, nicht der Beitritt in eine Koalition unter Führung der SPD. DIE LINKE hätte an diesem Punkt 59,1 Prozent der Bevölkerung hinter sich, sowie eine außerparlamentarische Initiative, die gegen alle Unkenrufe der Immobilienkonzerne alle Phasen und Hürden des Prozesses bis zur Entscheidung am 26. September übererfüllt hat. Alleine dieser Umstand müsste DIE LINKE warnen, sich unter diesen extrem schlechten Vorbedingungen als kleinster Partner in eine fragwürdige Koalition zu begeben.
Ein Verrat der Linken wäre schlimmer als die Ampel
Ja, eine Ampel wäre keine gute Voraussetzung für die Umsetzung. Doch alle bisherigen Erfolgen von DWE wurden außerparlamentarisch errungen und es ist eine ahistorische Argumentation, dass nur linke Regierungsbeteiligung außerparlamentarische Initiativen zum Erfolg führen könnte. Es heißt jetzt für Initiative und am besten für DIE LINKE nun eine Eskalationsstrategie zu entwerfen, die alle möglichen Koalitionen so stark unter Druck setzt, das nichts anderes übrig bleibt, als DW, Akelius und Co aus der Stadt zu werfen.
Lieber richtig in die Opposition, als falsch in die Regierung!
Aber by the way: Der Volksentscheid DWE ist nicht die einzige Problemzone in der Giffey die LINKE über den Tisch zieht: S-Bahn Privatisierung, Abschiebungen, Räumung linker Wohnprojekte, Schuldenbremse, Polizeiausbau, Lohndumping. Die Liste ließe sich fortsetzen. Das Wahlprogramm der LINKEN steht für einen Politikwechsel statt eines »Weiter so«. Jetzt wird deutlich, was sich im Sondierungspapier schon abgezeichnet hat: Ein wirklicher Politikwechsel wird mit SPD und Grünen nicht gelingen. Schlimmer: Es droht ein »Rollback« nicht durch die Ampel-Koalition, sondern durch die Mitwirkung der LINKEN. Wenn die LINKE in Berlin nicht weiter abschmieren, will muss sie raus aus dieser Koalition. Das Wahlergebnis war ein Warnschuss. Deswegen: Keine Koalition ohne Enteignung: Lieber richtig in die Opposition, als falsch in die Regierung!
Bild: Initiative Deutsche Wohnen und Co.
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