Der Anti-AKW-Aktivist Jochen Stay ist verstorben. Ein Nachruf von Lisa Hofmann.
Wenige Namen sind so eng mit dem Widerstand gegen das atomare Endlager in Gorleben und die Castor-Transporte verknüpft wie der von Jochen Stay. Er war im Vorstand der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, Mitgründer von .ausgestrahlt und bei allen 13 Transporten, die zwischen 1995 und 2011 ins Wendland fuhren, einer der Hauptkoordinatoren des Widerstands. Stay war an den Blockaden der Pershing-Raketen in Mutlangen beteiligt. Zudem initiierte er die 120 km lange Menschenkette zwischen den AKWs Krümmel und Brunsbüttel.
Niemand, der das Wendland besuchte, kam an den gelben Andreaskreuzen vorbei. Sie standen in Vorgärten. Bauern hatten sie an ihre Scheunentore genagelt oder sie klebten an den Heckscheiben ihrer Autos und Traktoren. Diese Kreuze waren, auch wenn kein Transport stattfand, förmlich überall.
Ziviler Ungehorsam gegen Atomkraft
Die gelben Andreaskreuze sind verknüpft mit der Aktionsplattform X-tausendmal-quer, die Jochen Stay mitgründete. Der Presse gelang es, den Widerstand gegen die ersten beiden Castortransporte zum Desaster werden zu lassen. So wurde das angsteinflößende Bild der »gewaltbereiten Chaoten« erfolgreich heraufbeschworen. Die Bewegung lief somit Gefahr, den Rückhalt in der Bevölkerung zu verlieren.
Doch X-tausendmal-quer versuchte, dem entgegenzuwirken. Man machte es sich zum Ziel, einen verbindlichen und niedrigschwelligen Protest- und Aktionsrahmen für gewaltfreien Protest in Form von Sitzblockaden zu schaffen. Dieser Aktionsrahmen sollte es vielen Menschen ermöglichen, das eigene Aktionslevel einschätzen und ohne Angst an den Protesten teilnehmen zu können.
Standard für Widerstand gesetzt
Vieles, was bei heutigen massenhaften Aktionen des zivilen Ungehorsams Standard ist, wurde von der Aktionsplattform X-tausendmal-quer etabliert. Etwa das gemeinsame Aushandeln und Öffentlichmachen eines verbindlichen Aktionskonsens. Oder eine Arbeitsteilung während der Blockadeaktionen, die aber immer mit einer Ansage verbunden war. »Hier sind alle gleich wichtig, ohne die Demo-Sannis und das Küchenteam könnten wir keine 40 Stunden auf den Gleisen ausharren.»
Dazu kommt das Bilden von Bezugsgruppen, die gemeinsam ein Blockadetraining durchlaufen und während der Aktion zusammenbleiben. Weiterhin das Umfließen von Polizeiketten mittels der Fünf-Finger-Taktik, die später von Block G8 in Heiligendamm, Dresden Nazifrei oder Ende Gelände weiterentwickelt wurde. Schließlich eine breite massenwirksame Mobilisierung über das Unterschreiben von Absichtserklärungen, den kommenden Castor-Transport gewaltfrei zu blockieren.
Dieses Konzept von x-tausendmal-quer ging auf. Denn bei jedem Castor beteiligten sich mehrere tausend Menschen an den friedlichen Sitzblockaden. Außerdem dauerte jeder Transport dauerte als der aus dem Vorjahr. Jochen Stay ist am vergangenen Freitag überraschend verstorben. Mit ihm verlieren wir nicht nur einen unermüdlichen Kämpfer gegen die Atomkraft, sondern einen Visionär des zivilen Ungehorsams.
Foto: erhard.renz
Schlagwörter: Antiatombewegung, Inland, Ziviler Ungehorsam