Wegen ihres pro-palästinensischen Engagements wird die Akademikerin Shahd Abusalama Opfer einer Hetzkampagne. Daraufhin setzt die Sheffield Hallam Universität in England ihre Lehrtätigkeit aus. Phil Butland hat im Interview mit Shahd darüber gesprochen, wie es ist unter israelischen Bomben aufzuwachsen. Was sie unter internationaler Solidarität versteht und was »Cancel Culture« für sie bedeutet.
Hallo Shahd, könntest du uns zunächst ein wenig über dich selbst erzählen?
Vielen Dank für dieses Gespräch. Mein Name ist Shahd Abusalama. Ich bin Akademikerin, Schriftstellerin, Künstlerin und kämpfe für die Befreiung Palästinas. Bis vor kurzem arbeitete ich an meiner Doktorarbeit – gerade warte ich auf mein Rigorosum [Verteidigung des Doktortitels]. Außerdem bin als Lehrbeauftragte an der Sheffield Hallam Universität tätig und wurde zuletzt Opfer einer zionistischen Hexenjagd.
Du lebst heute in Großbritannien, aufgewachsen bist du aber in Palästina.
Ich bin in Jabalia, dem größten Flüchtlingslager in Palästina, geboren und aufgewachsen. Meine Großeltern mussten 1948 fliehen, nachdem sie ihrer Dörfer, Ländereien und Häuser beraubt wurden. Ich bin die Tochter eines ehemaligen politischen Gefangenen, der 15 Jahre in israelischen Gefängnissen verbrachte. Das erste Mal inhaftierten israelische Sicherheitskräfte meinen Vater mit 15 Jahren. Mit 19 Jahren verurteilen ihn die Israelischen Gerichte erneut. Diesmal bekam er eine siebenfache lebenslängliche Haftstrafe, und zwar ohne Anklage oder ein faires Verfahren.
Ohne Anklage oder ein faires Verfahren
Aufwachsen im Bombenhagel
Wie war es für dich, in Gaza unter israelischen Bomben aufzuwachsen?
Ich habe viele Angriffe Israels auf Gaza miterlebt. Während der ersten Intifada geboren, wuchs ich in den Nachwehen der zweiten Intifada auf. Sehr gut erinnere ich mich an das, was Israel »Sommerregen« nennt – eine militärische Operation gegen Gaza im Jahr 2006.
Darauf folgte die sogenannte Operation »Gegossenes Blei« in den Jahren 2008 und 2009. Damals war ich 17 Jahre alt. Ich machte gerade mein Abitur, als Israel den Gazastreifen am ersten Tag des Angriffs um 11 Uhr vormittags bombardierte. Zu dieser Zeit waren die meisten Kinder entweder in der Schule oder auf dem Weg dorthin.
Als nächstes folgte der 11-tägige Angriff auf Gaza im November 2012, den Israel unter dem Codenamen »Wolkensäule« durchführte.
Für eine Palästinenserin, die unter dem unerbittlichen Terror des israelischen Staates lebt, ist alles, was ich habe, meine Stimme gegen die Gewalt, Besatzung und Entrechtung durch Israel zu erheben. Ich habe diese Stimme beim Schreiben, Malen und Dabke-Tanzen eingesetzt. Eigentlich seitdem ich eine Teenagerin war, wenn nicht sogar schon als Kind.
Kämpfe sind fest verankert
Du unterrichtest an der Hallam University in Sheffield. Worum geht es in deiner Forschung und Lehre?
Das Modul, das ich unterrichte, heißt »Postkoloniale Medienkultur«. Es überschneidet sich thematisch mit meiner Doktorarbeit. Darin beschäftige ich mich mit historischen Darstellungen palästinensischer Flüchtlinge. Gaza ist der Schwerpunkt. Der Gazastreifen ist wegen seiner mehrheitlich geflüchteten Bevölkerung und seiner systematischen Isolierung seit der Gründung des israelischen Staates in dieser Hinsicht von besonderer Bedeutung.
Ich habe mich in meiner Arbeit mit kolonialen, humanitären und palästinensischen filmischen Diskursen befasst, die sich mit dem Thema palästinensischer Geflüchteter in Dokumentarfilmen auseinandersetzen.
In meinem Seminar diskutiere ich mit den Studierenden auch über Edward Said und den Orientalismus, über Frantz Fanon sowie Albert Memmi und die Psychologie der Kolonisierten und der Kolonisatoren.
Elbit Systems testet seine Waffen buchstäblich im Gazastreifen
Wir sprechen auch über Spivak und die Frage der Handlungsfähigkeit der Unterdrückten: wie wir das koloniale Erbe und die kolonialen Narrative durchbrechen können, indem wir unsere Handlungsfähigkeit zurückgewinnen und dieses Gegennarrativ durchsetzen.
Meine persönliche und familiäre Geschichte sowie unsere Kämpfe als Palästinenser:innen sind also in allem, was ich tue, fest verankert, sei es in meiner akademischen Arbeit, bei Kampagnen an der Basis oder kulturellen Ausdrucksformen, etwa dem Cinema Palestino in Sheffield, der Hawiyya-Tanzkompanie in London und der Apartheid Off Campus-Kampagne.
Mit unserer Kampagne »Shut Elbit Down« haben wir es vor kurzem geschafft, die Schließung der Niederlassung von Elbit Systems in Oldham zu erzwingen, nachdem wir fünf Jahre lang gegen diese Fabrik des größten privaten israelischen Waffenherstellers protestiert haben. Elbit Systems testet seine Waffen buchstäblich im Gazastreifen – wo die Mehrheit der Bevölkerung Kinder sind. Dann vermarktet es diese als »kampferprobt« und verkauft sie an andere unterdrückerische Regime. Sie machen Milliarden an Profiten mit der Zerstörung unseres Lebens und unserer Lebensgrundlagen.
Politisches Engagement führt zu Lehrverbot
Kurz nach Beginn deiner Lehrtätigkeit wurde diese von der Universitätsleitung ausgesetzt und du wurdest mit einem Lehrverbot belegt. Wie kam es dazu?
Ich wollte mich zum zweiten Mal mit meinen Studierenden zu meinen geplanten Seminaren treffen. Nur wenige Stunden vorher erhielt ich eine E-Mail von meiner Universität, in der stand, dass ich meine Lehrtätigkeit nicht wieder aufnehmen kann und dass aufgrund einer Beschwerde gegen mich ermittelt wird. Alles war sehr vage. Es wurde nichts über die Art der Beschwerde oder die Gründe für meine Suspendierung gesagt. Sie teilten mir auch mit, dass sie den Studierenden mitteilen würden, dass meine Vorlesungen bis auf weiteres ausfallen würden.
Wie hast du darauf reagiert?
Das war für mich niederschmetternd. Statt Anerkennung zu erhalten für mein Engagement, das ich zu Hause im Gazastreifen und auch in Großbritannien in Community-Organisationen und Kampagnen für Gerechtigkeit und gegen Rassismus auf dem Campus und außerhalb geleistet habe, werde ich bestraft und zensiert. Die Universität hat sich zur Komplizin der zionistischen Versuche gemacht, palästinensische Stimmen zum Schweigen zu bringen und von den israelischen Verbrechen gegen die Palästinenser:innen abzulenken. Diese Verbrechen gehen weiter, während wir hier sprechen – in Gaza, in Sheikh Jarrah in Jerusalem, in Beita und Al-Naqab, wo wir jeden Tag weitere Gräueltaten erleben.
Dieser Teufelskreis der Unterdrückung muss beendet werden. Wir erheben uns für menschliche Werte, für die Unterdrückten. Wir erheben unsere Stimmen und tun, was in unserem Recht liegt. Der Kampf gilt dem internationalen Versagen, Israel zur Rechenschaft zu ziehen, und dafür, den Palästinenser:innen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Wir kämpfen gegen das internationale Versagen
Wir werden zum Schweigen gebracht
Hast du seit diesem Vorfall mit deinen Studierenden gesprochen? Weißt du, wie sie darauf reagiert haben?
Ich habe auf vielen Ebenen immense Unterstützung erhalten – von Studierenden, der UCU [der Gewerkschaft der Dozent:innen] sowie auf lokaler und internationaler Ebene. Die Unterstützung, der Zuspruch und die Solidarität waren überwältigend. Das ist der Grund, warum ich weitermache.
Wenn man es im Kontext betrachtet, ist das, was ich jetzt erlebe, nichts im Vergleich zum Kampf meines Vaters. Er wurde verschleppt und 15 Jahre lang ohne Gerichtsverfahren in eine Zelle in einem dunklen, engen Raum gesperrt. Sein einziges Vergehen war, dass er Palästinenser war.
Die Geschehnisse an meiner Universität machen deutlich, dass sich Palästinenser:innen auch nicht von ihrer Unterdrückung durch Israel befreien können, wenn sie ihre Flüchtlingslager und die besetzten Gebiete verlassen. Sie jagen uns, wohin wir auch gehen. Sie bringen uns zum Schweigen und greifen uns an, wohin wir auch gehen.
Ich werde nicht schweigen
Aber in meinem Fall ist die öffentliche Unterstützung einfach unbeschreiblich. Und sie stellt die zionistische Verleumdungskampagne definitiv in den Schatten. Mein Fall zeigt auf, wie der israelische Staat Kriegsüberlebende und Geflüchtete wie mich mundtot machen möchte, aber ich werde nicht schweigen.
Der israelische Staat und seine Unterstützer:innen verlieren den Kampf um das Narrativ und sie verlieren an Unterstützung in der Bevölkerung. Die Jewish News, der Jewish Chronicle und die Campaign Against Antisemitism – alles Plattformen, die für ihre rassistische Haltung gegenüber den Palästinenser:innen und ihre islamfeindlichen Kommentare berüchtigt sind – haben weniger Anhänger:innen als wir Palästinenser:innen.
Aber sie können Nebelkerzen zünden und sie haben bei den Verantwortlichen hier teilweise auch Erfolg damit, wie an meiner Universität, die sich ihrem Druck beugte.
IHRA-Definition von Antisemitismus
Wie stehst du zu der Antisemitismus Definition der IHRA?
Mein Fall macht deutlich, dass Palästinenser:innen am stärksten von der irreführenden und fehlerhaften IHRA-Definition [die umstrittene Definition von Antisemitismus, herausgegeben von der International Holocaust Remembrance Alliance] betroffen sind, welche Palästinenser:innen zwangsläufig diskriminiert.
Der Definition des IHRA zufolge ist es antisemitisch, Israel oder den Zionismus als rassistisches Projekt zu bezeichnen. Demnach wäre ich eine Antisemitin. Damit wird allerdings meine eigene Geschichte, meine gelebte Erfahrung abgetan, was nur bestätigt, dass der Rassismus ein inhärentes Merkmal des Zionismus ist. Deshalb ist der Widerstand gegen die IHRA-Definition ein Muss.
Tatsächlich ist der Zionismus selbst eine Form des Antisemitismus. Jüdinnen und Juden auf der ganzen Welt, einschließlich Israelis, distanzieren sich vom Zionismus, weil sie glauben, dass es in einem rassistsichen Siedlerkolonialstaat, der auf ethnischer Säuberung und Apartheid beruht, keinen »sicheren Hafen« gibt. Viele von ihnen haben auch mich unterstützt, aber du siehst, dass der Zionismus von Anfang an eine feindliche Atmosphäre geschaffen hat, in der selbst jüdische Menschen nicht gleich behandelt werden, wenn es um die Interessen des zionistischen Entität geht.
Es ist klar, dass die israelische Lobby einen neuen Begriff namens »antizionistischer Antisemitismus« konstruiert, den sie als die schlimmste Form des Antisemitismus bezeichnet, die die Juden bedroht. Es handelt sich um eine bewusste Vermengung eines Verbrechens und einer gerechten Sache. Antizionismus ist eine Pflicht, die die Menschen übernehmen müssen, wenn sie tatsächlich und wahrhaftig antirassistisch sind.
Außerhalb Palästinas verfolgt
Glaubst du, dass es einen Zusammenhang zwischen den Angriffen auf dich und früheren Angriffen, etwa auf Jeremy Corbyn oder den Professoren und Experten für antimuslimischen Rassismus David Miller gibt?
Natürlich gibt es den. Diese Angriffe sind alle Teil der gleichen Hexenjagd. Es gibt jedoch einen Unterschied zwischen mir und Corbyn oder Miller: Ich bin eine Palästinenserin, die sich von der israelischen Unterdrückung befreit hat, nur um außerhalb Palästinas weiterhin von der israelischen Unterdrückung verfolgt zu werden. Das zeigt, wie Palästinenser:innen kriminalisiert werden, wo immer sie hingehen.
Ich bin nicht weiß, habe keine europäische Staatsbürgerschaft, bin in diesem Land staatenlos und Geflüchtete und in vielerlei Hinsicht verletzlich, sei es in Bezug auf Migration oder auf beruflicher Ebene. Das ist hier ein wichtiger Unterschied. Die Fälle sind alle miteinander verknüpft, aber die Folgen sind unterschiedlich.
David Miller zum Beispiel ist ein weißer Brite mittleren Alters, der diffamiert wurde, weil er sich mit den Palästinenser:innen solidarisierte. Aber zumindest hatte er die Chance, sich eine Karriere aufzubauen. Allerdings habe ich gerade erst angefangen. Ich bin 30 Jahre alt, habe gerade meinen Doktortitel eingereicht und wurde zur Lehrbeauftragten ernannt. Unmittelbar danach wurde ich suspendiert und auf diese bösartige Art und Weise angegriffen.
Israels Apartheidregime wird unterstützt
Glaubst du an ein freies Palästina?
Die Leute, die mich angreifen, denken, ich sei ein leichtes Ziel, weil ich Palästinenserin und Geflüchtete bin. Aber die Unterstützung für mich aus der Bevölkerung zeigt, dass sie sich geirrt haben.
Das zeigt, dass sie viele Schlachten verlieren. Tief in meinem Herzen glaube ich fest daran, dass wir ein freies Palästina erleben werden und dass die israelische Apartheid fallen und sich dem Schicksal der südafrikanischen Apartheid anschließen wird. Das ist der Grund, warum sie jetzt so verzweifelt sind.
Ich bin sicher, dass du von ähnlichen Angriffen auf deutsche Akademiker:innen weißt, da dein Bruder Majed in Berlin lebt. Hast du Kontakt zu Menschen in Deutschland, die aufgrund ihrer pro-palästinensischen Haltung diffamiert werden und zum Schweigen gebracht werden sollen?
Ich spreche mit so vielen Menschen und mein Unterstützungsnetzwerk ist sehr groß – eine wunderbare internationale, multikulturelle, multireligiöse Gemeinschaft, die mich unterstützt, die ihre Stimme erhebt und sich wehrt. Es gibt viele tolle antizionistische Jüdinnen und Juden. Außerdem schikaniert Israel viele andere Menschen ebenfalls. Wir haben also keine andere Wahl, als uns zu wehren.
Ich habe viel von dem verfolgt, was in Deutschland vor sich geht. Viele Kampagnen in Berlin wie Palestine Speaks (Palästina Spricht) und BDS Berlin unterstütze ich. In Berlin habe ich an einigen Konferenzen teilgenommen und bin gekommen, um meinen Bruder zu unterstützen, als er vor Gericht gestellt wurde, weil er es wagte, ein rassistisches Mitglied der Knesset [des israelischen Parlaments] herauszufordern. Dieser israelische Politiker ist ein Kriegstreiber und nutzte Plattformen an der Humboldt-Universität, um die israelischen Verbrechen zu beschönigen, sie aufzuhübschen und rosarot darzustellen.
Kriegstreiber haben nichts an der Uni zu suchen
Anstatt auf der richtigen Seite der Geschichte und auf der Seite der Unterdrückten zu stehen, sahen wir, wie das Rechtssystem in Deutschland zionistische Angriffe toleriert. Aber am Ende haben mein Bruder und seine mitstreitenden antizionistischen israelischen Aktivist:innen gesiegt. Also weiß ich auch, wie angespannt die Atmosphäre ist. Ich habe das Gefühl, dass von allen europäischen Staaten in Großbritannien und Deutschland die Feindseligkeit gegen pro-palästinensische Stimmen am schlimmsten ist.
Das wirft jedoch kein Licht auf die Menschen. Diese Länder handeln nicht in dem Auftrag, ihre Bevölkerung zu vertreten. Nach jedem Angriff auf den Gazastreifen haben wir auch hier große Mobiliserungen und Proteste erlebt. Doch die herrschenden Politiker:innen ziehen es vor, Israel zu unterstützen und sein Apartheidregime aufrechtzuerhalten, anstatt Gerechtigkeit für die Palästinenser:innen zu erreichen.
Dies ist ein sehr wichtiger Punkt, den ich ansprechen möchte. Ich glaube, dass sich das Narrativ ändert. All die verschiedenen Verleumdungskampagnen zeigen nur die politische Wirksamkeit der globalen Palästina-Kampagnen, die Israels Ruf und seine Wirtschaft hart treffen. Sie zielen auf die Kette der Komplizenschaft, die die Gewalt gegen die Palästinenser anheizt.
»Cancel Culture« in der Palästinafrage
In den britischen Medien gibt es viel Empörung über »Cancel Culture«. In der Regel geht es dabei um reiche, weiße Prominente, die in den Medien viel Platz bekommen, um sich über jemanden zu beschweren, der sie kritisiert hat. Berichtet die Presse über deine Fall auf die gleiche Art und Weise?
Ursprünglich wurde versucht, Menschen wie mich, die sich für Palästina einsetzen, zu »canceln«. Aber oft ist die Reaktion auf solche Versuche, Palästina-Aktivist:innen mundtot zu machen, so überwältigend, dass sich die Wirkung ins Gegenteil verkehrt und Israel weiter bloßstellt.
Wenn wir über »Cancel Culture« sprechen wollen und darüber, wie sie hier im Vereinigten Königreich funktioniert, möchte ich die Heuchelei ansprechen, mit der so viele Zionist:innen herumlaufen, rassistische und islamfeindliche Dinge sagen und auf großen Plattformen schreiben. Einige der Leute, die diese Dinge sagen, wie zum Beispiel Donald Trump, sind offen antisemitisch. Aber natürlich würden Zionist:innen echte Antisemiten wie Trump nicht anprangern, weil sie mit den imperialen Interessen Israels und der USA in Einklang stehen.
Biden sagte zum Beispiel, wenn es kein Israel gäbe, müssten wir eines erfinden. Alle Präsidenten der USA haben sich auf die Plattformen der zionistischen Lobby AIPAC [American Israel Public Affairs Committee] begeben, bevor sie die Präsidentschaft erlangten.
Es ist sehr wichtig, diese gemeinsamen imperialen Interessen anzuprangern, die die israelischen Verbrechen gegen die Palästinenser:innen verstärken und ermutigen. Aber diese Zionist:innen und echten Antisemit:innen und Islamophoben, diese Transphobiker:innen und Homophoben – keiner dieser Menschen wird so sehr angegangen wie jemand, der wie ich für die Grundrechte seines Volkes kämpft.
Politisches Engagement behindern
Wie wirkt sich diese Diskursverschiebung auf das Campusleben aus?
In der akademischen Welt in Großbritannien gibt es zum Beispiel ein Mitglied von UK Lawyers for Israel, von dem ich weiß, dass es mich überwacht hat. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie die Person ist, die all diesen Hass gegen mich geschürt hat und versucht, mein politisches Engagement zu behindern. Diese Person stellt sich hin und sagt Dinge wie: »Ethnische Säuberung ist eine Phrase, Israels Tötung von Kindern in Gaza ist eine Phrase, Israels Siedlerausbau ist eine Phrase, Apartheid ist eine Phrase.«
Studierende auf dem Campus sind zu mir gekommen und haben mir erzählt, dass sie ihnen gegenüber sogar islamfeindliche Bemerkungen gemacht hat. Und niemand stellt sie oder die Heuchelei einer Person in Frage, die tatsächlich Gewalt und Spaltung auf dem Campus oder international anheizt – sie war übrigens eine der Personen, die sich am eifrigsten für die IHRA-Definition von Antisemitismus eingesetzt hat.
Sie war sogar Mitglied des Ausschusses, der die IHRA-Definition an meiner Universität diskutierte. Mir wurde empfohlen, daran teilzunehmen, da es keine palästinensische Stimmen gab, aber ich wurde nie kontaktiert. Warum sollte dem Gremium eine Zionistin angehören, die stolzes Mitglied von UK Lawyers for Israel und eine der führenden Kämpferinnen für die IHRA-Definition ist, während keine palästinensische Person vertreten ist, obwohl wir direkt von der IHRA betroffen ist, wie mein Fall zeigt? Wie könnte dieses Gremium tatsächlich unabhängig, transparent oder neutral sein? Auch der Palestine Society wurde die Teilnahme empfohlen, und wir hatten einen Brief gegen die Annahme des IHRA geschickt und einen alternativen Rahmen vorgeschlagen, der jedoch abgelehnt wurde, was zeigt, wie systematisch der Versuch ist, die palästinensische Perspektive zum Schweigen zu bringen.
Solidarisch zeigen
Was können Menschen tun, die sich mit dir und anderen Opfern solcher Angriffe solidarisch zeigen wollen und praktische Unterstützung anbieten möchten?
Ich fordere alle auf, in den sozialen Medien ihre Empörung und Besorgnis über die Versuche, palästinensische Stimmen mundtot zu machen, zum Ausdruck zu bringen und dabei den Hashtag #InSupportofShahd zu verwenden.
Bitte schreibt auch Briefe zur Unterstützung an meine Universitätsleitung und fordert die Universität auf, sich öffentlich zu entschuldigen dafür, dass sie rassistische Angriffe auf eine staatenlose Palästinenserin toleriert hat. Und fordert natürlich, dass ich meine Lehrtätigkeit wieder aufnehmen kann und dass jede Untersuchung, die sich auf die IHRA-Definition als Rahmen stützt, eingestellt werden muss.
Es geht nicht um mich
Gibt es noch etwas, das du sagen möchtest?
Ich möchte dir und allen anderen über deine Plattform danken und daran erinnern, dass es hier nicht um mich geht. Meine Verfolger kennen mich nicht wirklich, und sie haben keinerlei Verständnis für palästinensisches Leid und gelebte Erfahrungen mit israelischen Terror.
Sprecht weiter über Palästina und treibt die Kampagnen voran, die Israel, seiner Wirtschaft und seinem Ruf schaden. Geht gegen die Kette der Komplizenschaft zwischen eurer Regierung und dem israelischen Staat vor, die dessen Straffreiheit weiter begünstigt.
Es ist an der Zeit, dass den Palästinenser:innen Gerechtigkeit widerfährt. Das ist längst überfällig. Wir haben jetzt die vierte Generation von palästinensischen Flüchtlingen, die in Flüchtlingslagern geboren werden. Und während alle Jüdinnen und Juden auf der ganzen Welt in das sogenannte Gelobte Land »zurückkehren« können, ist es den Palästinenser:innen, die die Ureinwohner:innen des Landes sind, nicht gestattet, zurückzukehren. Was ist rassistisch, wenn nicht das? Revisionen
Es muss deutlich werden, dass das Organisationsprinzip des Zionismus darin bestand, die jüdische Vorherrschaft über die einheimischen palästinensischen Araber:innen zu fördern. Wir alle sind Opfer dieser ethnischen Säuberung und des Schreckens, von dem meine Familie in Palästina und Europa betroffen ist, die weiterhin kriminalisiert wird, wo immer sie hingeht. Das ist einfach nicht fair, und wir müssen alles tun, um diese Ungerechtigkeit zu beenden.
Update
Seit unserem ersten Gespräch hast du einen Sieg in deiner Kampagne für akademische Freiheit errungen. Könntest du erklären, was passiert ist und wie es weitergeht?
Am Donnerstag, den 27. Januar, traf ich mich mit der Leitung der Personalabteilung, wobei auch Gewerkschaftsvertreter:innen anwesend waren. Die Personalabteilung bat darum, unser Treffen vertraulich zu behandeln, aber ich hatte daran erinnert, dass sie meine Vertraulichkeit verletzten, als sie mit der zionistischen Presse Kontakt aufnahmen, ohne vorher mit mir zu sprechen.
Bei dem Treffen teilte mir die Personalabteilung mit, dass ich mit sofortiger Wirkung wieder eingestellt werde. Darüber hinaus wurde deutlich, dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe von externen Kräften wie den zionistischen Zeitschriften Jewish News und Campaign Against Antisemitism und dem Jewish Chronicle stammen. Diese haben mich in der Vergangenheit nicht in Ruhe gelassen und sie werden es auch in Zukunft nicht tun. Ich muss dafür kämpfen, dass die Ermittlungen eingestellt werden und, dass Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass niemand mehr auf diese bösartige Weise angegriffen wird.
Man darf den psychischen Druck nicht unterschätzen, dem ich ausgesetzt war: kriminalisiert und ohne Vorwarnung suspendiert, als Unperson ohne Rechte an meiner eigenen Universität, an der ich seit vier Jahren arbeite.
Der Kampf geht weiter
Wir müssen mit dieser eingefahrenen Haltung brechen, die im Grunde besagt, dass Menschenrechte, Demokratie, soziale Verantwortung und Menschlichkeit Rechte für alle sind, außer für Palästinenser:innen. Die Mobilisierung zu meiner Unterstützung war wirklich inspirierend und hat mir die Kraft gegeben, weiter zu machen. Aber der Kampf ist hier noch nicht zu Ende. Wir müssen die politischen Instrumente infragestellen, die den Bildungseinrichtungen aufgezwungen werden. Die politischen Instrumente verletzen die Autonomie der Universität und machen sie zur Komplizin der Kolonisator:innen. Gleichzeitig lenken sie von der Unterdrückung ab, die sie den Kolonisierten, den Palästinenser:innen, zufügen.
Wir brauchen jede Stimme, die sich gegen die Unterdrückung der Palästinenser:innen wendet. Dass die Gerechtigkeit auf unserer Seite ist und uns zugute kommen wird, wissen wir. Die Auswirkungen der IHRA-Definition von Antisemitismus müssen wir rückgängig machen. Sie wirft absichtlich Antizionismus mit dem Verbrechen des Antisemitismus in einen Topf. Das soll uns davon abhalten, Rechenschaft für die israelischen Verbrechen zu fordern.
Der Kampf geht weiter, bis den Palästinenser:innen Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit zuteil wird.
Das Interview erschien zuerst bei The Left Berlin.
Foto: Palestine Solidarity Campaign
Weitere Informationen zu Shahd Abusalama findest Du auf Twitter und Instagram oder ihrem Blog »Palästina aus meinen Augen«. Nutze den Hashtag #InSupportofShahd, um auf ihren Fall aufmerksam zu machen. Studierende können Shahd zudem mit diesem Unterstützungsbrief helfen.
Shahds »Kampagne für Gerechtigkeit«
An dieser Stelle noch ein Dank an Majed Abusalama für die Linkzusammenstellung :
Öffentliches Schreiben von der Association of Student Activism for Palestine A.S.A.P
Brief an die Sheffield Hallam University bezüglich Shahd Abusalama von der Britischen Gesellschaft für Nahoststudien
Protest gegen die Dehumanisierung und Dämonisierung des palästinensischen Volkes von Shahd Abusalama
Britische Israel-Lobby nimmt palästinensischen Universitätsdozenten ins Visier von Nora Barrows-Friedma
Palästinenserin nach israelischem Druck von Lehrtätigkeit an britischer Universität suspendiert von Riham Darwish
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Schlagwörter: Apartheid, Israel, Palästina, Rassismus