Die deutsche und andere Nato-Regierungen behaupten, sie würden in der Ukraine Demokratie und Freiheit verteidigen. In Wahrheit sind sie nicht besser als Putin, meint Hans Krause
Manchmal treffen sich Politiker nur, um alle zusammen fast dasselbe zu erzählen. Bei der angeblichen »Sicherheitskonferenz« in München Mitte Februar war es mal wieder so weit.
SPD-Kanzler Olaf Scholz, Grünen-Außenministerin Annalena Baerbock und viele Politiker aus USA, Großbritannien oder Frankreich wiederholten immer gleich, die Nato trete zusammen mit der Ukraine für Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit ein. Der russische Präsident Wladimir Putin hingegen sei ein Diktator.
Ein Diktator ist Putin sicher. Erst im Dezember hat ein Gericht mit absurden Vorwürfen das Verbot von »Memorial« bestätigt, der ältesten Menschenrechtsorganisation Russlands.
Demokraten werden unterdrückt in Russland …
Auch die von Russland und Verbündeten schon lange besetzten ukrainischen Regionen Krim, Donezk und Luhansk sind menschenverachtende Diktaturen. 2019 wurde in Luhansk jemand zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt. Das Gericht beschuldigte ihn, »pro-ukrainische Ansichten« veröffentlicht zu haben
Ein uraltes Märchen ist es jedoch, dass der militärische Gegner einer Diktatur automatisch ein Freiheitskämpfer ist. Diese Lüge verbreitete die SPD schon im Ersten Weltkrieg, als sie behauptete, es sei richtig, dass die deutsche Monarchie mit Parlament Krieg führe gegen die russische Monarchie ohne Parlament.
… genauso wie in der Ukraine
Heute sind zum einen in der Ukraine Regierung und Staat kein bisschen besser als in Russland. Sogar die Zentrale für politische Bildung von Baden-Württemberg schreibt: »Wer in der Ukraine gegen Korruption, für eine saubere Umwelt und die Rechte von Minderheiten eintritt, geht teils Gefahr für Leib und Leben ein. Wie etwa Kateryna Gandsjuk, die Opfer eines Säure-Attentats wurde, da sie Polizeigewalt und Käuflichkeit von Amtsträgern anprangert.
Vor der Präsidentschaftswahl 2019 gab selbst der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete und heutige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde Ruprecht Polenz zu, dass die Machtstrukturen in der Ukraine denen in Russland ähneln. Das Land wird weniger von den gewählten Politikern und mehr von einer Hand voll kriminellen Multimilliardären regiert, die auch sämtliche Medien kontrollieren. Petro Poroschenko, Präsident von 2014 bis 2019, ist selbst einer dieser Oligarchen. Er besitzt 1,3 Milliarden Euro.
Nach dem Angriff der russischen Armee hat die Regierung die sogenannte »Generalmobilmachung« beschlossen. Dadurch müssen nicht nur alle Soldaten, sondern alle ukrainischen Männer zwischen 18 und 60 Jahren in den Krieg ziehen.
Zwar hat die EU Geflüchteten die Einreise erlaubt. Jedoch zerrt die ukrainische Polizei an der Grenze alle Männer aus den Zügen und Autos und meldet sie für den Krieg. Sie werden von ihren Kindern getrennt, die nicht wissen, ob sie ihren Vater jemals wiedersehen.
Oligarchen gegen Oligarchen
All das rechtfertigt nicht den russischen Krieg. Aber es zeigt, dass die Behauptungen der Nato-Regierungen falsch sind, wonach Putin in der Ukraine Demokratie und Freiheit auslöschen wolle. Vielmehr ist es der Krieg einer Milliardärs-Gruppe gegen eine andere. Sterben müssen dafür tausende unschuldige Menschen.
Doch nicht nur die ukrainischen Herrscher, sondern auch die Nato-Staaten selbst haben sich niemals um Demokratie geschert. Gegründet wurde das Bündnis 1949 unter Führung der USA, um den Kalten Krieg gegen die Sowjetunion und verbündete Staaten zu führen. Schon damals behauptet die Nato entgegen aller Fakten, sie wolle »die Zivilisation ihrer Völker auf den Grundsätzen der Demokratie, der Freiheit der Person und der Herrschaft des Rechts« gewährleisten.
Diktatoren in der Nato
Gründungsmitglied war jedoch unter anderem Portugal, damals eine halb-faschistische Diktatur. Auch andere Gründungsmitglieder waren entgegen der Behauptung unserer Schulbücher damals keine Demokratien.
Denn zu Großbritannien gehörten noch große Kolonien, deren Einwohner kein Wahlrecht hatten, beispielsweise die heutigen afrikanischen Staaten Nigeria, Tansania und Kenia. Frankreich führte in den 50er Jahren grausame Kriege mit jeweils hunderttausenden Toten in Vietnam und Algerien, um diese und andere Länder als Kolonien halten zu können, glücklicherweise erfolglos. Ebenso wenig gleichberechtigt waren die Einwohner Kongos, das Belgien bis 1960 als Kolonie besetzt hielt.
1952 folgte als Nato-Mitglied die Türkei, die trotz zahlreicher Militärputsche und -diktaturen nie wieder ausgeschlossen wurde, auch nicht nach der Machtübernahme des heutigen Diktators Recep Erdogan. Ebenfalls 1952 wurde das Königreich Griechenland als Mitglied aufgenommen und blieb das auch während der Militärdiktatur von 1967 bis 1974. Auch heute gibt es keine Diskussion über einen Ausschluss von Ungarn oder Polen, obwohl die Regierungen dort die demokratischen Rechte der Menschen immer weiter beschneiden.
Noch deutlicher als durch ihre Zusammensetzung werden die antidemokratischen Ziele der Nato-Regierungen, wenn man ihre Kriege betrachtet. 1950 bis 1953 kämpfte die US-Armee für eine Diktatur in Südkorea gegen eine Diktatur in Nordkorea; mindestens zwei Millionen Tote. In den 60er und 70er Jahren ermordete die US-Armee ebenfalls mindestens zwei Millionen Menschen, um die Diktatur in Südvietnam zu verteidigen und scheiterte. Auch heute hat Nato-Mitglied Türkei in Nordsyrien seit 2016 große Gebiete besetzt und dort eine Militärdiktatur errichtet.
Handel wichtiger als Menschenrechte
Diese und viele andere waren offiziell keine Nato-Kriege. Sondern wurden von Mitgliedsstaaten, vor allem den USA, geführt. Doch genau darin liegt der Propaganda-Trick. Ähnlich wie bei der EU werden die Verbrechen der Regierungen nicht als Nato-Kriege verkauft. Um das Märchen zu verbreiten, die Nato hätte bisher niemals eine Kugel abgeschossen.
Auch unabhängig von Kriegen haben die Nato-Staaten niemals versucht, mit politischen oder wirtschaftlichen Mitteln gegen Diktaturen vorzugehen. Vielmehr hat profitabler Handel fast immer Vorrang vor Frieden oder Menschenrechten. Und das tragischerweise auch im Fall des russischen Staates und seine Armee.
Öl und Gas aus Russland
Russland ist jeweils der zweitgrößte Öl- und Erdgasexporteur der Welt und sämtliche Energieunternehmen gehören dem Staat. Die größten Käufer des russischen Öls und Gases sind neben China die Nato-Staaten Niederlande, Polen, Italien und vor allem auch Deutschland.
Das hat abgesehen von der gerade viel diskutierten Frage, ob der russische Staat Deutschland erpressen könnte, wenn er kein Gas mehr liefert auch noch den Effekt, dass die deutsche Wirtschaft seit Jahrzehnten riesige Summen in die russische Staatskasse zahlt. Allein 2021 waren es 19 Milliarden Euro für geliefertes Öl und Erdgas.
Die Nato kauft ein
Dass die Industriestaaten nicht schon vor 20 Jahren auf alternative Energien und öffentlichen Nahverkehr umgestellt haben, hat abgesehen vom Klimawandel auch noch die Folge, dass viele der Nato-Staaten seit Jahrzehnten einen großen Teil des russischen Staatshaushalts finanzieren; allen voran Deutschland.
Dass Putin Russland immer mehr zu einer Diktatur mit einer immer stärkeren Armee gemacht hat, brachte ihm von den Nato-Staaten zwar kritische Worte ein. Eingekauft haben sie zum Wohle ihrer Konzerne in Russland aber weiter.
Gleichzeitig wird die demokratische Opposition in Russland immer stärker unterdrückt. Was die Nato-Regierungen zwar ebenfalls auf Pressekonferenzen missbilligen, ohne jedoch jemals irgendetwas zur Unterstützung demokratischer Kräfte zu tun.
Farbkopierer statt warme Worte
Statt bei einem Staatsbesuch in einen Nebensatz das Wort »Menschenrechte« einzubauen, sollte die deutsche Regierung demokratischen Organisationen lieber eine ordentliche Summe spenden. Oft würde schon ein Farbkopierer mehr helfen als mahnende Worte ins Mikrofon zu sprechen.
Seit ihrer Gründung hat die Nato Diktaturen in ihren eigenen Reihen und auf der ganzen Welt gebilligt oder unterstützt. Dass sie Freiheit und Gerechtigkeit verteidigt, fällt den Nato-Regierungen nur dann ein, wenn ein Diktator ein Land besetzt, dass sie selbst gern in ihrem Wirtschafts- und Militärblock haben würden, so wie jetzt die Ukraine.
Weder Nato noch Russland
Deshalb darf sich linke Politik bei einem solchen Krieg niemals die Frage aufdrängen lassen, auf welcher Seite man stehe. Wer gedrängt wird, sich einer von zwei Mörderbanden anzuschließen, sollte keine wählen. Daher ist es wichtig, dass der außenpolitische Sprecher der LINKE-Fraktion Gregor Gysi bei seiner Verurteilung des russischen Krieges in der Ukraine auch auf den mörderischen Nato-Krieg in Serbien und Kosovo 1999 hinweist. Politik hat nur dann den Namen »links« verdient, wenn sie kompromisslos für die Menschen eintritt und niemals für eine Krieg führende Regierung.
Den Diktator Putin können nur die Menschen in Russland stürzen und wir sollten alles was möglich ist tun, um sie dabei zu unterstützen. Vor allem aber ist unsere Aufgabe, die deutsche Regierung aufzuhalten, deren Folgerung aus dem russischen Krieg ist, ihre Militärausgaben stark zu erhöhen, um das Wettrüsten mit Russland aus dem Kalten Krieg wieder aufzunehmen. Zudem verlegt Scholz Soldaten an die Ostgrenze der Nato, damit diese nach dem russischen Krieg in der Ukraine ihrerseits mit einem Angriff auf Russland drohen kann.
Deutschland raus aus der Nato
Denn auch wenn heute die russische Regierung einen mörderischen Krieg führt, ändert das nichts daran, dass die größten Kriegstreiber und Massenmörder der Welt die Nato-Regierungen sind. Zuletzt in Afghanistan, Syrien, Irak, Libyen und in vielen Ländern auf der ganzen Welt.
Die LINKE sollte jetzt eine Bewegung starten für das Ende des russischen Krieges in der Ukraine, den Stopp des Aufrüstens der deutschen Armee und den Austritt Deutschlands aus der Nato. Denn erst wenn dieses mit Abstand mächtigste Kriegsbündnis der Welt komplett zerschlagen wird, gibt es wirklich Hoffnung die Welt in friedliche Bahnen statt imperialistischer Konkurrenz zu lenken. Es heißt immer noch »Internationaler Sozialismus oder globale Barberei«.
Foto: North Atlantic Treaty Organization
Schlagwörter: NATO, Russland, Ukraine