DIE LINKE steckt in einer tiefen Krise. Warum es sich lohnt, um die Partei zu kämpfen, und sich momentan ein Gelegenheitsfenster dafür öffnet. Vom marx21-KoKreis
Mit diesem Papier wollen wir die schon längere dauernde Diskussion zur Krise der LINKEN um die Debatte seit Ausbruch der russischen Angriffskriegs auf die Ukraine wiedergeben. Es handelt sich dabei nicht um eine endgültige, unveränderliche Stellungnahme.
Wir leben in dramatischen Zeiten: die Klimakrise, die Coronapandemie, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine haben die politischen Verhältnisse auch in Deutschland ins Rutschen gebracht. Die Bildung der Ampelkoalition unter Führung der SPD schien die seit der Agenda 2010 bestehende Dauerkrise der Sozialdemokratie beendet zu haben. Jetzt nutzt die Regierung die berechtigte Empörung der Bevölkerung über den russischen Angriff, um ein beispielloses Rüstungsprogramm von 100 Milliarden durchzupeitschen. Seit Jahrzehnten beklagen die deutschen Herrschenden, dass die von ihnen (und der NATO) gewollte Aufrüstung gegen den tief verankerten Antimilitarismus der breiten Bevölkerung politisch nicht durchsetzbar ist. Jetzt ergreifen sie die Gelegenheit – und gehen damit ein hohes politisches Risiko ein.
Bundesregierung sitzt auf Pulverfass
Noch ist der Widerstand gegen das Sondervermögen für die Bundeswehr in der öffentlichen Debatte und auf der Straße vereinzelt und schwach. Doch im Untergrund rumort es. Von den großen Gewerkschaften hat sich ver.di klar gegen die Aufrüstung ausgesprochen, von den kleineren die GEW. Zwar haben erste Umfragen unter dem unmittelbaren Eindruck des russischen Einmarsches eine große Unterstützung für das Aufrüstungspaket ergeben. Doch dieser Rückhalt kann bröckeln, sobald klar wird, dass der Staat das Geld, was er in Kampfbomber steckt, der öffentlichen und sozialen Infrastruktur vorenthält. Der entscheidende Faktor könnte hier die dramatische Teuerungsrate von mittlerweile 7,9 Prozent sein. Die galoppierende Inflation bedeutet eine Massenverarmung, die noch über die Effekte des Armutsprogramms Agenda 2010 hinausgeht – je ärmer die Menschen sind, umso härter trifft es sie. Die Inflation frisst nicht nur alle Lohnerhöhungen der letzten Jahre auf. Sie hebt auch die Auswirkungen des zentralen sozialen Reformprojekts der Ampel auf: die Einführung des Mindestlohns von 12 Euro. Dieses Projekt sollte insbesondere die SPD als soziale Reformpartei strahlen lassen und war wichtig, um das seit der Agenda 2010 angeknackste Verhältnis zu den Gewerkschaften zu kitten und der LINKEN den Wind aus den Segeln zu nehmen. Jetzt sieht die Regierung Scholz der größten Verarmung seit Jahrzehnten zu und wird aus Gewerkschaften und Öffentlichkeit mit Forderungen nach weiteren Entlastungspaketen konfrontiert, die aber im Widerspruch zur Lenkung von Ressourcen in die Rüstung stehen. Bislang hat sie jedenfalls mit einer Heizkostenpauschale nicht viel mehr als ein Trostpflaster gegen die Teuerung anzubieten. Die Regierung Scholz sitzt auf einem politischen und sozialen Pulverfass.
Eine wechselvolle Geschichte der LINKEN
Damit sind im letzten halben Jahr wesentliche objektive Gründe für die Krise der LINKEN weggefallen. DIE LINKE ist entstanden, weil sich ab 2003 durch die Agenda 2010 links von der SPD große Räume auftaten und Teile der Gewerkschaften mit der Sozialdemokratie brachen. In diese Räume hat die neugegründete LINKE ausgegriffen – am erfolgreichsten zwei Jahre nach ihrer Gründung mit einem Bundestagswahlergebnis von 11,7 Prozent und einem bemerkenswerten Ergebnis unter Gewerkschaftsmitgliedern von 17 Prozent. An diesen Höhepunkt konnte DIE LINKE nicht wieder anknüpfen. Doch zumindest festigte sie sich als politischer Pol links von der SPD. Sie entwickelte in Ansätzen eine systematische Arbeit in gewerkschaftlichen, politischen und sozialen Kämpfen, sei es durch politische Initiativen, sei es durch praktische organisatorische Hilfestellung. Währenddessen versank die SPD immer tiefer in der Dauerkrise mit dem dramatischen Tiefpunkt des Rücktritts von Andrea Nahles nach den für die SPD desaströsen Europawahlen 2019.
Vom Aufschwung der AfD zur Rückkehr von Mitte-Links
Doch eine Partei kann nicht ewig von der Schwäche der Konkurrenz leben. Nach 2019 berappelte sich die SPD und konnte mit Versprechungen wie der Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro und Lockerungen des Hartz-IV-Regimes wieder Boden unter lohnabhängig Beschäftigten und Gewerkschaften gutmachen. Zuvor hatte das wachsende Bewusstsein über die drohende Klimakatastrophe, maßgeblich vorangetrieben durch die »Fridays for future« (FFF)-Bewegung, schon den Grünen geholfen, aus dem Milieu der liberal eingestellten Gutbetuchten und insbesondere unter jungen lohnabhängig Beschäftigten zu gewinnen.
Die AfD konnte erfolgreich sowohl ins Milieu der Armen als auch in gewerkschaftlich orientierte Bereiche eindringen. Der »Rassismus der bürgerlichen Mitte« – vorangetrieben von Figuren wie Thilo Sarrazin und mit der BILD-Zeitung als Sprachrohr haben ihr den Boden bereitet. Dieser Aufschwung der AfD und der damit scheinbar unaufhaltsame Rechtsruck der Jahre 2013 bis 2018 ist mit den neuen sozialen Bewegungen gegen Rassismus, Sexismus und Klimakatastrophe erst einmal ins Stocken geraten. Von ihrem Höhepunkt mit 18 Prozent bei den Umfragewerten im September 2018 ist die AfD jedenfalls weit entfernt, ebenso ihre Bundestagswahlergebnis von 2021 mit knapp 11 Prozent. Stattdessen gab es eine Rückkehr der linken Mitte.
Die verpassten Chancen der Linkspartei
Der Aufschwung von SPD und Grünen hat die Räume für DIE LINKE in den letzten Jahren enger gemacht – das hätte DIE LINKE aber nicht automatisch in die Krise führen müssen. Der Wind kann sich drehen, man kann aber trotzdem die Segel richtig setzen. Die Situation war günstig: durch eine antirassistische Massenbewegung als Reaktion auf den Aufstieg der AfD, dann durch eine Massenbewegung gegen die drohende Klimakatastrophe und schließlich durch eine revitalisierte, junge Frauenbewegung wurde die Polarisierung nach Rechts gebremst und der Aufstieg der AfD gestoppt. Diese Bewegungen haben sich auch in einer Verjüngung und Revitalisierung der Mitgliedschaft der LINKEN niedergeschlagen. Die Kunst hätte nun darin bestanden, sich mit aller Kraft in diese neuen Massenbewegungen hineinzuwerfen und eine neue Generation von Aktiven auf den gemeinsamen Kampf der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus zu orientieren – also von einem Klassenstandpunkt aus in den Bewegungen einzugreifen. Mit einem solchen widerständigen Profil hätte DIE LINKE dem Revival der Sozialdemokratie entgegentreten und so die Kluft zwischen der prokapitalistischen SPD und der LINKEN aufzeigen können.
Wohl wissend, das sich die Brüchigkeit des SPD-Aufschwungs zeigen würde, wenn sie erst hauptverantwortlich in der Regierung säße, hätte man die bereits erlangte Position über die Kärrnerarbeit in gewerkschaftlichen und sozialen Kämpfen und der Beteiligung an der Bewegung zur gewerkschaftlichen Erneuerung auch unter widrigeren Umständen fortsetzen können. Das ist zu wenig geschehen. In Partei und Bundestagsfraktion haben sich stattdessen falsche politische Antworten auf die neue Situation durchgesetzt:
Wagenknecht, Bartsch und zwei falsche Antworten
Ein Teil der Partei um Sahra Wagenknecht setzte auf Abgrenzung zu den neuen Bewegungen, kombiniert mit der Falschbehauptung, die Partei würde den Blick auf lohnabhängig Beschäftigte und Arme verlieren. Das stimmte programmatisch und in der generellen Themensetzung nie, aber wenn führende Figuren der Partei es lang genug behaupten, dann verfestigt sich dieses Bild irgendwann. Die Bereitschaft des Wagenknecht-Flügels, Zugeständnisse an den Rassismus der AfD zu machen, entsorgte einen Wesenskern sozialistischer Politik, nämlich dass der Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung untrennbar zusammen gehören, weil nur eine geeinte Klasse, über Grenzen von Herkunft, Geschlecht und sexueller Orientierung hinweg erfolgreich gegen das Kapital kämpfen kann. Diese Linie führte DIE LINKE in einen Dauerkonflikt. Einige versuchten, mit „Aufstehen« eine Parallelorganisation zur LINKEN zu gründen. Sie scheiterten, verhinderten aber auch eine uneingeschränkte Positionierung der LINKEN an der Seite der neuen Massenbewegungen.
Auf der anderen Seite stand eine Linie der sogenannten »Reformer«, die im Aufschwung von SPD und Grünen die Chance sahen, den scheinbaren Nutzwert der Partei zu erhöhen, indem sie sich als Koalitionspartner anbot. Die Idee dahinter: Überleben als Funktionspartei, die die SPD nach links zieht. Das hat schon bei den Regierungsbeteiligungen auf Länderebene nicht funktioniert. Bei der Bundestagswahl 2021 führte dieser Kurs in die Vollkatastrophe.
Mit Stellvertretertum brechen
Trotz eines insgesamt guten Wahlprogramms bot sich DIE LINKE immer wieder der SPD als Regierungspartnerin an. Nicht nur die damalige Parteivorsitzende Susanne Hennig-Wellsow redete die Differenzen zur Sozialdemokratie klein und betonte stattdessen, was Scholz alles mit der LINKEN umsetzen könnte, mit der FDP aber nicht. »Laschet verhindern« war das Ziel in der Wahlstrategie. Der Weg sollte über eine Koalition mit der LINKEN führen. Aber sowohl SPD als auch Grüne kündigten früh an, dass sie lieber die FDP ins Boot holen wollten als DIE LINKE. Die Anbiederung war falsch. Das schlechte Wahlergebnis folgte aus dem Lagerwahlkampf. Im Lagerwahlkampf gewinnen immer die größten Parteien des jeweiligen Lagers. DIE LINKE tappte bei der Bundestagswahl in eine selbst gestellte Falle. Zusammen erntete DIE LINKE dank der beiden falschen politischen Orientierungen das schlechteste aus beiden Welten: Die Orientierung auf Regierung und Rot-Rot-Grün verhinderte ein scharfes Profil gegenüber der Sozialdemokratie, das gegeneinander Ausspielen von neuen Bewegungen und Themen wie Antirassismus und Klimakatastrophe gegen die soziale Frage verhinderte eine klare Position und Praxis in diesen Feldern. Erschwerend kommt hinzu, dass die beiden Strömungen, die diese Fehlorientierungen vertreten, innerparteilich ein Machtbündnis, das sogenannte »Hufeisen«, eingegangen sind und so wichtige Strukturen wie die Bundestagsfraktion fest im Griff haben.
Potential nutzen – um DIE LINKE kämpfen
Sollte sich diese politische Blockade noch weiter hinziehen, wird auch der Niedergang der LINKEN weitergehen. Doch es gibt gute Gründe, weiter um DIE LINKE zu kämpfen:
– Rüstung und Inflation gekoppelt mit Stagnation schaffen eine neue politische Situation, die das Potential hat, die Ampel-Regierung zu schwächen und Räume für Politik und Bewegung von links zu schaffen. DIE LINKE ist nach wie vor die größte politische Kraft, die den Widerstand gegen diese Regierung ausdrücken und einen Beitrag zur Formierung des Widerstandes leisten kann. Insbesondere ist sie die größte Kraft, die politisch in den absehbaren Gärungsprozess in den Gewerkschaften eingreifen kann, die massiv unter Druck geraten, dem sozialen Absturz ihrer Mitglieder durch eine offensive Lohnpolitik entgegenzuwirken. Dies ist auch schon deshalb nötig, um zu verhindern, dass die AfD die Wut über die Folgen der Inflation und Aufrüstung auf ihre Mühlen umlenkt.
– Trotz der schwersten Parteikrise seit Bestehen bescheinigt eine neue Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung der LINKEN ein Wähler:innenpotential von 18 Prozent, unter Haushalten mit einem Monatseinkommen von unter 2500 Euro sogar 24 Prozent. Mit solchen Analysen ist noch nichts gewonnen, es zeigt aber, wie brüchig das Revival der Sozialdemokratie ist und wie schnell sich politische Konjunkturen drehen können.
– Die vielen jungen Leute, welche die Partei trotz Störfeuer und unklaren Profils aus den neuen Massenbewegungen gewonnen hat, haben die Partei in großer Mehrheit (noch) nicht verlassen. Die Neumitglieder sind nicht automatisch für eine klassenkämpferische Politik in Abgrenzung zur Wagenknecht- oder Reformer-Linie, dennoch ist hier Potential für eine offene strategische Debatte über die Ausrichtung der Partei.
Die Widersprüchlichkeit des Reformismus
DIE LINKE trägt als reformistische Partei Widersprüche in sich. Der linke Reformismus unterscheidet sich vom rechten erst einmal dadurch, dass er proletarische Klasseninteressen aufnimmt und bis zu einem gewissen Grad Ausdruck verleiht und für sie mobilisiert. Aber der Linke Reformismus trägt latent zwei Potenzen in sich: entweder er verrät das Aktionsprogramm, für das er antrat und fällt zurück ins Lager der sozialdemokratischen Kapitulation. Oder er radikalisiert sich und bewegt sich nach links zu einem Programm und einer Praxis des sozialistischen Klassenkampfs. In der LINKEN erleben wir zur Zeit beides, Kapitulation vor dem Anpassungskurs des Reformerflügels und die Bereitschaft, sich in die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen gegen Krieg und Militarismus, gegen die Abwälzung der Kosten für die Krise und die Inflation auf die breite Bevölkerung und in soziale Auseinandersetzungen vor Ort einzumischen. Eine wichtige Rolle kann die Bewegungslinke spielen, wenn sie ihren Anspruch einer auf den Aufbau gesellschaftlicher Gegenmacht orientierende Praxis umsetzt. Das Potential der Radikalisierung durch die Bewegungslinke liegt insbesondere in ihrem Anspruch einer auf den Aufbau gesellschaftlicher Gegenmacht orientierenden Praxis. Wohin die Entwicklung führt hängt mithin von objektiven wie subjektiven Faktoren ab.
marx21 ist Teil der bewegungssozialistischen Kräfte in der LINKEN. Im Unterschied zu den »Regierungssozialisten« sehen wir eine grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse zwischen Arbeit und Kapital als Voraussetzung für sozialistische Regierungsmacht an. Als revolutionäre Sozialist:innen haben wir uns der Gründung einer LINKEN in Deutschland vor 15 Jahren angeschlossen, weil wir darin die Chance gesehen haben, eine Massenwirksame politische Alternative links von der Sozialdemokratie aufzubauen, die deren Einfluss in der Arbeiterbewegung zurückdrängt. Um Reformen durchzusetzen braucht es eine Methoden des Klassenkampfes. Im Wissen um die Grenzen einer reformistischen Partei zeigt die Erfahrung, dass es möglich ist, Leute für einen kämpferischen Reformismus und eine revolutionäre Perspektive zu gewinnen.
Wir setzen uns deshalb für die Erhebung von zentralen Mindestanforderungen oder »Wendepunkten« als Voraussetzung für die Übernahme von Regierungsverantwortung in Bund und Ländern ein, also Forderungen der LINKEN, die für große Teile der Gesellschaft anschlussfähig und gewinnbar sind, wie die Enteignung von Immobilienkonzernen oder Nulltarif im Nahverkehr. Wir wollen, dass DIE LINKE mit solchen Offensivforderungen identifiziert wird. Gleichzeitig verteidigen wir die »roten Haltelinien« – zentrale Prinzipien, die wir nicht bereit sind, für eine Beteiligung an der Regierung aufzugeben, wie das Nein zu Aufrüstung und Auslandseinsätzen oder zu Privatisierung.
Als revolutionäre Sozialist:innen bauen wir DIE LINKE als Aktivenpartei auf, in der die Mitglieder nicht nur als Wahlkämpfer:innen gebraucht werden. Parlamente sind für uns Orte politischer Auseinandersetzung und Tribüne für außerparlamentarische Bewegungen und Kämpfe. Die Kraft zur sozialistischen Transformation der Gesellschaft liegt in der Organisation und der Selbsttätigkeit der Arbeiter:innenklasse, der »Vielen« von unten. Fünf Beispiele unserer Arbeit:
Antikriegsbewegung und anti-imperialistischer Pol
1. Wir streiten in der LINKEN für den Aufbau einer breiten Bewegung gegen Aufrüstung und für die Herausbildung eines antiimperialistischen Pols. Wir organisieren Widerstand gegen die Versuche der »Reformer«, die antimilitaristischen Positionen der LINKEN aufzuweichen mit dem Ziel DIE LINKE bei Grünen und SPD »regierungsfähig« erscheinen zu lassen.
Wir wissen, dass der Weg mühsam ist, weil die Verunsicherung über die richtigen Antworten auf Putins Angriffskrieg groß ist. Und auch, wenn man damit momentan keine Mehrheiten erreicht: Die Ablehnung von Sanktionen und Waffenlieferungen und das Nein zur Eskalationspolitik seitens der NATO sind wichtige Beiträge zum Aufbau und zur politischen Festigung einer Antikriegsbewegung.
Innerhalb der Friedensbewegung kämpfen wir für einen antiimperialistischen Pol. Der gegenwärtige Krieg in der Ukraine ist in erster Linie ein Kampf um die Neuaufteilung Osteuropas zwischen Russland auf der einen und der EU (Frankreich/Deutschland) und USA auf der anderen Seite. Der nationale an sich legitime Befreiungskampf der Ukraine gegen Russland ist längst zu einem Instrument des westlichen Imperialismus gegen die Reste des einstmals mächtigen Sowjetimperiums von 1945 geworden. Eine weitere Stärkung der NATO führt nicht zu einer neuen Friedensordnung, sondern zu noch mehr Kriegen und neokolonialen Abhängigkeiten der kleineren und schwächeren Staaten dieser Welt. Weder Putin noch NATO, für eine unabhängige und neutrale Ukraine – das ist unsere Parole gegen die ungeheure Gefahr des Umschlagens eines Stellvertreterkrieges in einen direkten Krieg zwischen NATO und Russland. Das Reformerlager in der LINKEN stellt das Nein zu Auslandseinsätzen, zur NATO und Waffenlieferungen in Frage. Die friedenspolitischen Prinzipien der LINKEN dürfen aber nicht in Frage gestellt, sondern müssen angewendet werden.
Arbeit in Betrieb und Gewerkschaft
2. Als revolutionäre Sozialist:innen streiten wir in der Gewerkschaftsbewegung für einen Bruch mit sozialdemokratischer Stellvertreterpolitik hin zu basisdemokratisch kontrollierten und geführten Arbeitskämpfen organisierten Klassenkämpfen, in denen die Aktivitäten und Forderungen der Beschäftigten im Zentrum der Kampagnen stehen.
Unter den Bedingungen einer galoppierenden Inflation, in der alle Preise steigen außer dem der Lohnaarbeit, muss sich die LINKE in den Gewerkschaften für offensive Lohnforderungen stark machen und für Tarifverträge mit kürzeren Laufzeiten oder/und mit Öffnungsklauseln für Nachverhandlungen für den Fall, dass die Grundlagen von Tarifabschlüssen durch weitere Geldentwertung in Frage gestellt.
Wir kämpfen darum, dass die Kolleg:innen wichtige Schritte selbst entscheiden können und breit an Verhandlungen beteiligt werden. Wir wissen, dass der Erfolg jeder Tarifbewegung vom Organisationsgrad der Beschäftigten und dem Glauben an ihre Durchsetzungsmacht abhängt. Ganz konkret arbeiten wir in Gewerkschaften und Betrieben in verschiedenen Tarifauseinandersetzungen, in den Krankenhäusern und der Pflege und im Nahverkehr und im Logistikbereich, der Telekommunikation sowie der Ver- und Entsorgung mit alten und neuen Werkzeugen gewerkschaftlicher Organisierung.
Gleichzeitig versuchen wir, DIE LINKE als Pol in Auseinandersetzungen sichtbar zu machen und arbeiten in den verschiedenen thematischen und örtlichen Strukturen DER LINKEN, um sowohl durch konkrete Solidaritätsarbeit die Forderungen von Tarifbewegungen öffentlich zu verstärken und gesamtgesellschaftlich einzuordnen, als auch direkte Unterstützung für Kämpfe zu bieten. Gleichzeitig wollen wir dadurch sicherstellen, dass sich DIE LINKE mit dem Ansatz von verbindender Klassenpolitik an der Seite lohnabhängig Beschäftigter steht.
Die LINKE muss sich dafür einsetzen, dass die in den letzten Jahrzehnten stark geschwächten Gewerkschaften wieder zu mächtigen Kampforganisationen gegen Überausbeutung, Lohnraub durch Inflation und für menschenwürdige Arbeitsbedingungen werden. Unsere gewerkschaftliche Arbeit koordinieren wir innerhalb des Netzwerks marx21 und diskutieren theoretische Grundlagen anhand real existierender Arbeitskämpfe, verfeinern und entwickeln sie weiter und beraten uns gegenseitig.
Klimabewegung aufbauen
3. Die Klimakrise führt geradewegs in eine zivilisatorische Katastrophe, wenn Politik und Wirtschaft in den nächsten Jahren keine 180-Grad-Wende machen. DIE LINKE kann einen Beitrag dazu leisten, wenn sie ihre klimapolitischen Positionen zu einer kämpferischen Praxis macht.
Die LINKE verfügt nicht annähernd über die Kraft, um die fossile Industrielobby oder den grün-liberalen Block von links unter Druck zu setzen. Sie wird auch nicht als Hoffnung auf eine grundlegende, andere Klimapolitik wahrgenommen, obwohl sie das beste Klimaschutz-Programm aller Parteien vorgelegt hat. Das liegt daran, dass es ihr nur teilweise gelungen ist, auf Ebene der Bewegungsarbeit eine echte Verbindung zu und Verankerung in der Klimabewegung zu schaffen. Vereinzelte lokale Klimabündnisse unter Beteiligung der Partei, Gewerkschaften und FFF gehören zu den wenigen Gegenbeispielen. Mit Blick auf die Tarifrunde im Nahverkehr (TVN) 2023/24 kann DIE LINKE in Zukunft aber auf Erfahrungen im Bereich der Verkehrswende aufbauen und vergangene Versuche, die Partei in Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und Klimabewegung zu bringen, weiterentwickeln.
Der Verkehrsbereich ist aus einer Reihe von Gründen als klimapolitischer Schwerpunktsinnvoll: Zunächst ist er einer der Bereiche, in denen die Emissionen weiterhin nicht sinken. Zweitens ist eine Verkehrswende für jeden im Alltag spürbar und lässt sich leicht mit sozialen Forderungen verbinden. Drittens bestehen in der Partei Vorerfahrungen, etwa durch lokale 365-Euro-Ticket-Bündnisse. Nun hat die Ampelkoalition mit dem 9-Euro-Ticket einen Finger hingehalten – es gilt für DIE LINKE, die ganze Hand zu packen. Eine Kampagne zur Verstetigung des 9-Euro-Tickets, verbunden mit der Forderung nach einem Ausbau des ÖPNV, bietet vielfältige Aktionsformen für die Partei.
Kampf gegen Rechts
4. Stellung beziehen gegen Rassismus und Mobilisierung gegen die AfD. Der Kampf gegen Rassismus und Neofaschismus ist wesentlicher Bestandteil des Klassenkampfes, denn ein Sieg der Nazis wäre für die Arbeiterbewegung und DIE LINKE tödlich.
Der Aufstieg erst des antimuslimischen Rassismus und dann der allgemeinen rassistische Hetze gegen Geflüchtete konnte deshalb in den 10er-Jahren (bis 2018) gesellschaftlich um sich greifen, weil er die Unterstützung großer Teile der bürgerlichen Medien, der »veröffentlichten Meinung« und der liberalen bis konservativen Mitte genoss (z.B. Sarrazin-Hype 2010/11, oder die von Seehofer 2017/18 geführte Antiflüchtlingskampagne gegen Merkel). Der Rassismus der »extremen Mitte« dient nicht nur als Stimmenbeschaffer in Wahlkämpfen (das auch), er zielte vor allem auf die Schwächung und Spaltung der Gewerkschaften und der LINKEN, die aus den Abwehrkämpfen gegen die Agenda 2010 gestärkt hervorgegangen war. Mit der drohenden Übernahme der AfD durch den faschistischen »Flügel« besteht die Gefahr, dass erstmals seit dem Ende der Naziherrschaft 1945 in Deutschland eine faschistische Partei mit Masseneinfluss entsteht.
DIE LINKE muss die Gewerkschaften dafür gewinnen, Rassismus in den eigenen Reihen und der Arbeiterklasse allgemein zurückzudrängen und sie muss eine breite Einheitsfront gegen die drohende Verfestigung des Faschismus in Gestalt der AfD aufbauen. Deshalb haben wir uns dafür eingesetzt, dass die LINKE sich aktiv an antirassistischen und antifaschistischen Bewegungen und Kampagnen beteilig, wie dem Berliner Bündnis „Unteilbar« 2018, am bundesweiten Bündnis »Aufstehen gegen Rassismus mit dem Schwerpunkt der Mobilisierung gegen AfD-Parteitage und AfD-Wahlkampfauftritte und an dem Bündnis Solidarität mit Geflüchteten »Seebrücke«. marx21 weiß sich einig mit großen Teilen in der LINKEN, dass die Kämpfe gegen Unterdrückung durch Sexismus und Rassismus aus sozialistischer Sicht keine zu vernachlässigende Kämpfe gegen »Nebenwidersprüche« sind, sondern integraler Bestandteil eines Klassenkampfs. Wir sind uns zugleich darüber bewusst, dass der Kampf gegen »Unterdrückung in allen seinen schmutzigen Formen« (Karl Marx) letztlich nur erfolgreich sein wird durch die Aufhebung der ökonomischen Ausbeutung von Menschen durch Menschen.
Palästina-Solidarität
5. Solidarität mit denen, die sich gegen Unterdrückung, Ausbeutung und Krieg engagieren, ist ein Kernanliegen von internationalen Sozialist*innen, die auf die Selbstaktivität und Emanzipation der Arbeiterklasse weltweit setzen.
Deshalb unterstützt die LINKE den Kampf der Kurd:innen für das Rechts auf nationale Selbstbestimmung und deshalb verurteilen wir auch den Überfall Putins auf die Ukraine. Das Zusammenleben verschiedener Völker in einem Staatenbund darf nie das Ergebnis von militärischer Gewalt sein. Das Recht auf nationale Selbstbestimmung ist unteilbar. Dies muss aber auch für das palästinensische Volk gelten, das durch den Staat Israel unterdrückt und an seinem Selbstbestimmungsrecht beraubt ist.
Wir setzten uns dafür ein, dass die LINKE sich aktiv für das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser einsetzt. Unser Ziel ist, dass DIE LINKE sich, so wie andere linke Parteien weltweit auch, an der Solidaritätsbewegung für die Palästinenser:innen auf der Straße und anderswo beteiligt. Wir setzen uns in der LINKEN für die aktive Beteiligung an Demonstrationen wie am Nakba-Tag oder anlässlich von Menschenrechtsverletzungen, wie jüngst der Mord an der Journalistin Shireen Abu Akleh ein. Versuche, die palästinensischen Stimmen mundtot zu machen und Palästina-Solidarität zu unterbinden, weisen wir zurück. Die Verbote von Demonstrationen mit Palästina-Bezug vom 13. bis 15. Mai 2022 in Berlin waren ein weiterer Schritt auf der Eskalationsleiter der Unterdrückung der Palästinasolidaritätsarbeit in Deutschland. Es ist das Ziel dieser Demo-Verbote und der Repression im Zusammenhang mit sogenannten »BDS-Beschlüssen« und Raumverboten, palästinensische und antizionistische jüdische Stimmen zum Schweigen zu bringen. Ob dies gelingt oder nicht, liegt auch daran, inwieweit es unserer Seite gelingt, in einem breiteren Spektrum Solidarität zu organisieren. Dazu gehört auch, dass DIE LINKE endlich aufhört, sich wegzuducken und stattdessen Position bezieht: Menschenrechte sind #unteilbar.
Mach mit!
Angesichts der Barbarei des Kapitalismus – Klimawandel, sich erneut zuspitzende Wirtschaftskrise, weltweit steigende Kriegsgefahr und neues Wettrüsten – liegt die Alternative in internationalem Sozialismus und Klassenkampf von unten. Es braucht eine LINKE als sozialistische Massenpartei, und es braucht darin eine organisierte revolutionäre Strömung, die die kapitalistischen Zwänge durchbricht und dem Sog der Anpassung standhält. Wir wollen dafür kämpfen, dass eine solche LINKE weiterhin besteht und gleichzeitig neu entsteht. Wenn du das auch willst, mach mit bei marx21 (Lies hier das FAQ: Wer ist marx21?) .
Foto: Irina Neszeri / DIE LINKE Nordrhein-Westfalen / CC BY-SA / rawpixel.com
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