Der Neoliberalismus hat politisch bislang alle Krisen überlebte. Die neoliberale Utopie ist zwar praktisch durch die Krisen widerlegt worden, doch das führte nicht dazu, den Neoliberalismus politisch und ideologisch aufzugeben. Eine Rezension von Thomas Walter
Joscha Wullweber vertritt in »Zentralbankkapitalismus« die These, dass der Neoliberalismus politisch bislang alle Krisen überlebte. Die neoliberale Utopie, dass die Märkte für sich selbst sorgen können, ist zwar praktisch durch die Krisen widerlegt worden, doch das führte nicht dazu, den Neoliberalismus politisch und ideologisch aufzugeben. Vielmehr hielt die herrschende Klasse am neoliberalen Projekt fest.
Keynesianischen Kapitalismus hatten wir schon
Allerdings kommt dem Staat jetzt die Aufgabe zu, bei jeder Krise zur Rettung des neoliberalen Kapitalismus einzugreifen. Es ist aber nicht der parlamentarische Staat, der eingreifen darf. Im Gegenteil, dieser wird weiterhin z. B. durch Schuldenbremsen kurz gehalten. Es sind die nicht demokratisch kontrollierten staatlichen Zentralbanken, denen die Aufgabe zukommt, neoliberales Wirtschaften nicht nur am Leben zu erhalten, sondern sogar auszuweiten. Wullwebers Thesen lassen sich bildlich vielleicht so ausdrücken: Es ist, als ob trotz wiederkehrender Stadtbrände ideologisch verblendet am Bau von Holzhäusern (Neoliberalismus) festgehalten würde, dafür werden aber die Feuerwehren (Zentralbanken) immer stärker aufgerüstet.
Wullweber schlägt als Lösung einen wirtschaftlich aktiven Staat vor, der langfristig investiert, die Wirtschaft auf Wachstum trimmt und neoliberalen Wildwuchs reguliert. Doch dieses Modell eines keynesianischen Kapitalismus hatten wir schon mal und es ist leider auch an Krisen gescheitert.
Das Buch
Joscha Wullweber
Zentralbankkapitalismus – Transformation des globalen Finanzsystems in Krisenzeiten
Mit einem Vorwort von Rainer Voss
Suhrkamp Verlag
Berlin
2021
300 Seiten
20,00 Euro
Schlagwörter: Buchrezension, Neoliberalismus, Rezension, Weltwirtschaftskrise, Zentralbank