Seitdem bekannt wurde, dass das oberste US-Gericht plant, die Grundsatzentscheidung Roe v. Wade aufzuheben, ist der Kampf für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in den USA neu entbrannt. Die Aktivistin und Gewerkschafterin Virginia Rodino über die rechte Offensive und den Widerstand dagegen
In den Vereinigten Staaten fällte der Oberste Gerichtshof im Jahr 1973 eine sehr wichtige Grundsatzentscheidung zur Frage des Schwangerschaftsabbruchs. Das Gericht stellte fest, dass Schwangerschaftsabbruch ein »fundamentales Recht« bis zur Lebensfähigkeit des Fötus außerhalb des Mutterleibs sei. Geklagt hatte eine Frau genannt »Roe« gegen Bezirksstaatsanwalt Henry Wade in Vertretung des Staates Texas, weshalb diese Urteil kurz Roe v. Wade genannt wird. Mit dieser Entscheidung des obersten Gerichts wurde Schwangerschaftsabbruch weitgehend entkriminalisiert und Frauen erhielten leichteren und ungefährlichen Zugang zu einem Abbruch.
Im Jahr 1992 bestätigte das oberste Gericht noch einmal das verfassungsmäßige Recht auf Schwangerschaftsabbruch, wenn auch mit Einschränkungen. Diesmal hatte die Organisation Planned Parenthood, die Familienplanungsberatung und Kliniken für Gynäkologie und Sexualmedizin anbietet, gegen den damaligen Gouverneur von Pennsylvania, Bob Casey, geklagt. Casey hatte Gesetze zur Erschwerung von Abtreibung erlassen.
Seit Roe v. Wade hat die politische Rechte versucht, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch wieder abzuschaffen. Sie könnte bald ihr Ziel erreicht haben.
Im Dezember 2021 gab es vor dem Obersten Gerichtshof eine Anhörung zu einem neuen Gesetz in Mississippi, das einen unmittelbaren Angriff auf das Gerichtsurteil Roe v. Wade darstellt.
Damit ging möglicherweise der Vorhang auf für die folgenschwerste Abtreibungsgesetzgebung seit Jahrzehnten. Mit dem Gesetz aus Mississippi werden fast alle Schwangerschaftsabbrüche nach der 15. Woche illegal, etwa zwei Monate früher als es aufgrund von »Roe« und späteren Entscheidungen möglich war. Die meisten Experten gehen von der Überlebensfähigkeit eines Fötus außerhalb des Mutterleibs ab etwa der 24. Schwangerschaftswoche aus.
In einem Entwurf vom Februar 2022 für eine Stellungnahme des obersten Gerichts zu dem Gesetz aus Mississippi erklärte einer der obersten Richter, Samuel Alito: »Wir sind der Meinung, dass Roe und Casey aufgehoben werden müssen.« Die Stellungnahme ist von einer konservativen Mehrheit des Gerichts unterzeichnet und wurde kürzlich dem Magazin Politico zugespielt. Alito bezeichnet die Entscheidung »Roe« als »von Anfang an grundfalsch«.
Proteste für das Recht auf Selbstbestimmung
Innerhalb weniger Stunden nach Veröffentlichung durch Politico kam es überall in den Vereinigten Staaten zu Protesten. Am Samstag, dem 14. Mai, nahmen über eine Million Menschen an rund 450 Protestkundgebungen teil, zu denen Planned Parenthood und andere Organisationen aufgerufen hatten. Auch in Kanada und weltweit gab es Proteste.
Die erste spontane Reaktion war schon ein gutes Zeichen, umso mehr die noch größere Beteiligung am 14. Mai. Das aber kann nur der Beginn für sehr viel mehr Aktivitäten sein und darf sich nicht in Wahlkampf für die Zwischenwahlen im November erschöpfen. Noch waren längst nicht so viele auf der Straße wie bei den Frauenmärschen gegen Trump.
Mitte Mai scheiterte ein von den Demokraten in den Senat eingebrachter Gesetzentwurf, mit dem bundesweit das Recht auf legale Abtreibung gewährt worden wäre. Statt die Massen zu mobilisieren, will Präsident Joe Biden aber die Empörung über den Obersten Gerichtshof umlenken in Wählerstimmen für die Zwischenwahlen im November. Das erinnert sehr an Obamas Reaktion auf die »wilden« Streiks Schwarzer Basketballspieler während der Black-Lives-Matter-Bewegung, als er die Basketballplätze in Wahlkabinen verwandelte, statt in Orte echten Protests.
Die Unfähigkeit der Demokraten und Politiker:innen, unsere Grundrechte zu schützen, beweist erneut, dass wir eine Massenbewegung aufbauen müssen, um unsere Rechte und Freiheiten zu verteidigen. Die neoliberale Politik der Demokraten ist mitverantwortlich dafür, dass Frauen in Armut geraten und keinen Zugang zu Abtreibung und reproduktiver Versorgung finden. Die Partei der Konzerne absorbiert und zähmt Bewegungen, um sich eine größere Wählerbasis zu verschaffen, aber nicht, um den für uns notwendigen Wandel herbeizuführen. Dabei unterstützen über 60 Prozent der Menschen in den USA das Recht auf Abtreibung.
Roe v. Wade: Eine rechte Offensive
Sollte das Urteil Roe v. Wade aufgehoben werden, wird die rassistische Rechte feiern. In über zwei Dutzend Bundesstaaten sind schon Gesetze vorbereitet worden, mit denen Abtreibung verboten oder ernsthaft beschränkt werden könnte. In dreizehn Bundesstaaten würden »Trigger Laws« aktiviert und alle Abtreibungen in weniger als 30 Tagen nach Aufhebung von »Roe« verboten. Das ist ein abgestimmtes, methodisches Vorgehen der Rechten.
Die Rechten haben die bestehenden Regelungen bereits schrittweise ausgehöhlt, indem sie zum Beispiel Kliniken geschlossen haben. Sie verfolgen eine »Kulturkriegstrategie«, um das Recht auf Abtreibung und Transrechte anzugreifen und Rassismus zu schüren.
Donald Trump dehnte eine Vorschrift, die Global Gag Rule, auf den gesamten Gesundheitssektor aus, nach der ausländische Organisationen, die auch nur indirekt Geld aus dem US-Haushalt bekommen, keine Beratung zu Schwangerschaftsabbruch und keine Abtreibung anbieten dürfen. Das war ein direkter Angriff auch auf Planned Parenthood.
In Texas wurde im vergangenen Jahr das sogenannte Herzschlaggesetz verabschiedet, wonach eine Abtreibung nach der sechsten Schwangerschaftswoche verboten ist, weil ab dann bei dem Embryo ein Herzschlag feststellbar sei. Zu diesem Zeitpunkt haben viele Frauen und Mädchen noch nicht einmal festgestellt, dass sie schwanger sind. Außerdem gibt es nach sechs Wochen noch keinen Herzschlag, nur elektrische Impulse in den sich entwickelnden Zellen.
Laut dem texanischen Gesetz darf der Staat selbst das Verbot nicht durchsetzen. Aber die Bürger:innen sind aufgefordert, jede Person zu verklagen, also zu denunzieren, die Abtreibungen durchführt oder dazu »Beihilfe leistet«.
Mit dieser einzigartigen Regelung ist es sehr schwierig, gegen das Gesetz vorzugehen, weil formell keine Institution für die Durchsetzung des Gesetzes zuständig ist. Faktisch sind alle Abtreibungen in Texas verboten, seit das Gesetz in Kraft getreten ist.
Kurz darauf hat auch Oklahoma ein ähnliches, von Privatleuten erzwingbares totales Verbot verfügt, und auch Ohio hat ein solches Gesetz in Erwartung der Aufhebung von »Roe« vorbereitet.
Etwa 700 Frauen sterben jährlich an schwangerschaftsbezogenen Komplikationen, in schätzungsweise 3 von 5 Fällen wäre laut den Centers for Disease Control and Prevention der Tod vermeidbar gewesen.
Rechtswissenschaftler haben schon gewarnt, dass die Aufhebung von »Roe« sogar zu dem Verbot der Verhütung führen könnte. Andere Fachleute sind auch alarmiert wegen der möglichen nachteiligen Folgen in Bezug auf Fehlgeburten. Es gibt Fälle, in denen Frauen angeklagt, wegen Totschlags verurteilt und inhaftiert wurden, weil sie Fehlgeburten erlitten haben. Ihnen wurde unterstellt, einen illegalen Abbruch erzeugt zu haben.
In seinem Entwurf hat Richter Alito die Anwendung des 14. Verfassungszusatzes auf Schwangerschaftsabbruch abgelehnt. In diesem Verfassungszusatz ist das Recht auf Schutz der Privatsphäre festgeschrieben. Er schreibt: »In der Verfassung gibt es keinen Hinweis auf Abtreibung, und es gibt keine Verfassungsbestimmung, die ein solches Recht implizit schützen würde.«
Dieselbe Argumentation ließe sich auf die Entscheidung Obergefell v. Hodges anwenden, das Recht auf Eheschließung für gleichgeschlechtliche Paare (verächtlich gemacht von dem obersten Richter Clarence Thomas); auf die Lawrence-Entscheidung zur Entkriminalisierung von gleichgeschlechtlichem Sex oder sogar auf legale Verhütung. Die Argumentation könnte auch auf das »Miranda-Recht« ausgedehnt werden (nach dem Fall Miranda v. Arizona 1966, der die Strafverfolgungsbehörden verpflichtet, einen Verdächtigen über sein Recht zu schweigen zu informieren). Ein rechtsextremer Kommentator sagte sogar: »Und als nächstes wieder Schulsegregation.«
Aus der Geschichte des Widerstands lernen
Während wir uns mit großer Wut über das Vorgehen der politischen Rechten und die Schwäche der ins Regierungsamt gewählten Demokraten erheben, müssen wir uns auch daran erinnern, wie das Recht auf Schwangerschaftsabbruch hier überhaupt erst erkämpft wurde: mit einer breiten politischen Bewegung für Frauenrechte.
Der Zugang zu dem Recht auf Schwangerschaftsabbruch war in den 1960er und 1970er Jahren eine wesentliche Forderung der Frauenbefreiungsbewegung in den USA und in anderen Ländern. Aktivist:innen boten praktische Hilfe an und forderten eine Gesetzesreform. Sie besorgten Frauen, die einen Abbruch vornehmen lassen wollten, eine Unterkunft, und finanzierten ihnen die Reise und die Kosten der medizinische Versorgung. Drei Jahre vor der Entscheidung Roe v. Wade brachte die National Organization for Women bei einem Frauenstreik für Gleichstellung 50.000 Leute auf die Straßen New Yorks. Die Forderungen der Demonstrierenden beinhalteten Gleichstellung im Arbeitsbereich, Kindergärten und kostenfreie Abtreibung auf Verlangen.
Auch heute erleben wir wieder, dass die Frauenmärsche immer noch eine riesige Zahl von Menschen auf die Straße bringen können, die gegen Sexismus und Frauenfeindlichkeit demonstrieren. Fünf Millionen Menschen demonstrierten gegen den Amtsantritt Trumps im Januar 2017, und eins der zentralen Themen war die Verteidigung reproduktiver Rechte. Unsere reproduktiven Rechte sind das Ergebnis eines wütenden Aufstands und darauf müssen wir aufbauen, wenn wir heute diese Angriffe zurückschlagen wollen.
Es überrascht uns nicht, wenn wir uns die Geschichte unserer Bewegungen ansehen, dass Abtreibung im Zuge der Gegenreaktion auf die Errungenschaften der Bürgerrechtsbewegung und anderer Widerstandsformen in den 1960er Jahren zu einem parteipolitischen Thema wurde.
Vor den 1970er Jahren hatten viele Republikaner die Legalisierung der Abtreibung unterstützt. Frauen das Recht der Entscheidung zu geben, entsprach ihrem Glauben an individuelle Rechte und eingeschränkten Staatseingriff. Sie bevorzugten das Recht auf Abtreibung gegenüber der Vergabe öffentlichen Geldes zur Unterstützung armer Frauen und ihrer Kinder. Als aber Nixon für seine Wiederwahl eine zusätzliche Wählerschaft brauchte und die Republikaner katholische Wähler umwerben mussten, änderten sie ihre Haltung und wurden zu Abtreibungsgegnern.
Die demokratischen Präsidenten Bill Clinton und Joe Biden haben lediglich dazu beigetragen, Positionen zu verwässern und Abtreibung noch mehr zu stigmatisieren. Bill Clinton trat für eine Abtreibungspolitik unter den Stichworten »sicher, legal und selten« ein, und er ergänzte: »Für das Recht auf freie Entscheidung einzutreten ist etwas ganz anderes, als für Abtreibung zu sein.« Hillary Clinton wiederholte die Formulierung und ergänzte: »Mit selten meine ich auch selten.«
Joe Biden war damals gegen die Entscheidung »Roe« und änderte seine Haltung erst, als er die Pro-Choice-Stimmen für seinen Wahlkampf benötigte. Selbst dann unterstützte er den ersten wichtigen Angriff auf Abtreibungsrechte nach »Roe«, den Hyde-Zusatz von 1976 zu den Bundesausgaben (benannt nach dem Republikaner Henry Hyde). Mit diesem Zusatz wurde die Finanzierung von Abtreibung durch das Bundesprogramm Medicaid verboten, was einen schweren Angriff auf die Rechte armer Frauen darstellt. Bis zu der Veröffentlichung des Richterentwurfs durch Politico hat er als Präsident das Wort »Abtreibung« nicht einmal gemurmelt.
Das Recht auf Abtreibung wurde niemals von Politiker:innen einfach so gewährt. Immer brauchte es eine Bewegung, die sie zum Handeln zwang.
Internationaler Kampf für das Recht auf Abtreibung
Die Erfahrungen aus Irland zeigen, wie ein Amerika nach der Aufhebung von »Roe« aussehen könnte, und sie sind auch ein Beispiel dafür, wie durch eine Bewegung das Recht auf Abtreibung erkämpft wurde. Abtreibung in Irland wurde im Jahr 1861 verboten. Im Jahr 1983 erzwangen katholische Organisationen einen Verfassungszusatz (8th Amendment), nach dem das Lebensrecht des Ungeborenen dem Lebensrecht der Schwangeren gleichgestellt wurde, ähnlich den Stellungnahmen in vielen US-Staaten. Über 100.000 Frauen mussten nach England reisen, um einen Schwangerschaftsabbruch zu bekommen, vorausgesetzt sie hatten das Geld und die Zeit dafür. Eine Reise konnte rund 900 Pfund kosten. Und später brachten sie illegal Abtreibungspillen nach Irland, wobei sie bis zu 14 Jahren Gefängnis riskierten. Viele waren gezwungen, ein ungewolltes Kind auszutragen, oder sie starben bei einem illegalen Abbruch.
Eine 35 Jahre währende Kampagne für Abtreibungsrechte bekam nach dem Tod von Savita Halappanavar im Jahr 2012 neuen Auftrieb. Savita kam mit einer unvollständigen Fehlgeburt ins Krankenhaus und das medizinische Personal weigerte sich mit Verweis auf das Abtreibungsverbot, den Abbruch zu vollenden. Savita erlitt eine schwere Blutvergiftung und starb. Gut 20.000 Menschen gingen schockiert und wütend nach ihrem Tod auf die Straße. Die Pro-Choice-Bewegung lebte wieder auf, Aktivist:innen nahmen sich arbeitsfrei, um an den großen Demonstrationen teilzunehmen, und blockierten Brücken.
Im folgenden Jahr wurde das Gesetz zum Schutz des Lebens der Schwangeren erlassen und im Jahr 2018 gab es eine Volksabstimmung, die mit 66 Prozent zu 34 Prozent für das Recht auf Abtreibung ausging. Schwangerschaftsabbruch ist jetzt bis zur 12. Woche legal und die Kosten übernimmt das öffentliche Gesundheitssystem. Im Jahr 2019 wurde Abtreibung auch in Nordirland entkriminalisiert. Aber auf beiden Seiten der Grenze in Irland wird noch der Kampf gegen erneute Angriffe der Rechten und für erleichterten Zugang zu Schwangerschaftsabbruch geführt.
Im Jahr 2020 gelang es der lebendigen und kompromisslosen Bewegung Marea Verde (Grüne Flut, Kennzeichen grüne Halstücher) in Argentinien, den legalen Abbruch bis zur 14. Woche durchzusetzen. Zu Marea Verde gehörten Feministinnen, LGBTQ+-Gruppen, die radikale Linke und Gewerkschaften. Sie forderten uneingeschränkten Zugang zu Abtreibung und Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper.
Inspiriert von dieser Bewegung gab es kämpferische Demonstrationen in Mexiko und der Oberste Gerichtshof sah sich genötigt festzustellen, dass die Gesetze zur Kriminalisierung von Abtreibung nicht verfassungsgemäß seien. In Kolumbien hat das Verfassungsgericht im Februar dieses Jahres Abtreibung bis zur 24. Woche freigegeben.
Das Recht auf Abtreibung ist eine Klassenfrage
Die herrschende Klasse ist zerrissen zwischen der von Frauen geleisteten kostenlosen Kinderversorgung – der Aufzucht der nächsten Generation von Arbeiter:innen – und der Notwendigkeit, Frauen als Arbeitskräfte auszubeuten.
Die Rechten wollen Abtreibung als ein Element in ihren künstlich geschürten Kulturkrieg einbeziehen – der Angriff auf das Abtreibungsrecht fügt sich ein in den Versuch, die traditionellen Geschlechterrollen zu stärken. Und das ist auch eine Klassenfrage. Der Angriff auf das Abtreibungsrecht ist Teil eines Klassenkriegs und das Abtreibungsrecht ist ein Arbeiter:innenrecht.
Der Gewerkschaftsreporter Kim Kelly schrieb kürzlich: »Abtreibungsrechte sind eine Gewerkschaftsfrage. Das Recht, unseren Körper zu kontrollieren, ist fester Bestandteil unserer jahrhundertealten Schlacht, unsere Arbeit zu kontrollieren, das kann nicht voneinander getrennt werden. So viele Arbeiterinnen sind selbst dem Risiko einer ungewollten Schwangerschaft ausgesetzt und es wird von ihnen erwartet, dass sie die Reproduktionsarbeit leisten – die sogenannte Frauenarbeit, die so oft unterbewertet und unterbezahlt (oder gänzlich unbezahlt) ist.«
Laut einer Studie trägt unbezahlte Frauenarbeit weltweit 10,9 Billionen Dollar jährlich zum Kapitalismus bei. Wenn US-amerikanische Frauen nur den Mindestlohn für ihre unbezahlte Arbeit erhielten, die sie im Haus und zur Versorgung der Angehörigen verrichten, hätten sie 2,5 Billionen Dollar allein im Jahr 2019 nach Hause gebracht.
Auf der Arbeit, schreibt Kelly, »werden Schwangere nicht nur diskriminiert, sondern sind auch gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt, und viel zu viele haben keinen Zugang zu einer guten Gesundheitsversorgung oder bezahltem Elternurlaub«. All das gehöre zu den Arbeiter:innen- und reproduktiven Rechten und jetzt sei »Zwangsgeburt die einzige Option, die das mächtigste Gericht des Landes anbietet«.
Für die Armen und die arbeitende Klasse sind die Vereinigten Staaten bereits ein brutaler Ort, um schwanger zu sein, ein erbarmungsloser, um hier ein Kind aufzuziehen, und einer voller grausamer Hürden bei dem Zugang zu Abtreibung. Die Abschaffung des Abtreibungsrechts für ungewollt Schwangere ist eine besondere Katastrophe, die vor allem Geringverdienerinnen, Schwarze und Menschen lateinamerikanischer Herkunft treffen wird.
Roe v. Wade: Gewerkschaftlicher Kampf
Nach der Enthüllung des drohenden Angriffs auf Roe v. Wade haben viele US-Gewerkschaften sich für das Recht auf Abtreibung ausgesprochen und den Angriff auf die reproduktiven Rechte mit dem Angriff auf Arbeiter:innen verbunden.
Sara Nelson, Präsidentin der Flugbegleitergewerkschaft, hat erklärt: »Das 1973 vom Gericht bestätigte verfassungsmäßige Recht auf sicheren Zugang zu Abtreibung und das gesetzliche Recht auf Abtreibung waren für die Rechte der Frauen und unsere Arbeit von großer Bedeutung. Das Flugbegleitungspersonal kämpfte gegen Führungskräfte, die unsere Sexualität ausnutzten und die Ungleichbehandlung der Geschlechter vorantrieben, um uns die Würde zu nehmen und sich den Wert unserer Arbeit in Taschen zu stecken. Wir haben uns organisiert, um unseren Beruf zu definieren, unsere persönlichen Entscheidungen treffen zu können und unsere Aufgabe als Lebensretter in der Luftfahrt herauszustellen. Das Recht einer jeden von uns, unsere Arbeit selbstbestimmt zu wählen, über unseren Körper zu entscheiden und über unsere Zukunft ist ein grundlegendes. Das beinhaltet auch das Recht, sicheren und legalen Zugang zur reproduktiven Gesundheitsversorgung für alle zu schützen.«
Die Vizepräsidentin der Gewerkschaft des Pflegepersonals, Jean Ross, betont, dass die Rücknahme von Rechten, die ein halbes Jahrhundert gültig waren, »insbesondere einkommensschwache farbige Frauen diskriminieren wird«. Das muss »als Teil des umfassenderen rechtsextremen Angriffs auf die geschlechtsspezifischen Gesundheitsrechte in diesem Land betrachtet werden, auch die Gesetze, die auf trans Jugendliche und ihre Familien abzielen, die Angriffe auf LBGTQ-Personen und das homophobe Verbot des Wortes ,gayʻ [schwul/lesbisch] in der Bildung«.
Ähnliche Erklärungen wurden von der AFL-CIO-Präsidentin Liz Shuler und der SEIU-Präsidentin Mary Kay Henry abgegeben.
Natürlich reichen Worte nicht. Nicht selten enden solche Statements wie das von SEIU-Präsidentin Henry mit Äußerungen wie: »Wir sind mehr denn je entschlossen, unsere politische Führung im November an der Wahlurne zur Rechenschaft zu ziehen.« Als wenn wir so lange warten könnten und als ob das reichen würde.
Es kommt auf uns an, diese gewerkschaftlichen Stellungnahmen zu nutzen, um Gewerkschaftsmitglieder und Gewerkschaftsgliederungen in den Kampf einzubeziehen, bindende Beschlüsse zu fassen und zu mobilisieren.
In diesem Kampf geht es also um die Rechte der Arbeiter:innen – einschließlich unseres Rechts, Entscheidungen über unsere Gesundheit, unseren Körper und unser Sexualleben zu treffen. Und der Weg, diesen Kampf zu gewinnen, besteht darin, gemeinsam Widerstand zu leisten und den Konzernen, rechten Richter:innen und Politiker:innen die Kontrolle über unser Leben zu entreißen. Wir können das nur als Massenbewegung tun – und diese aufzubauen ist die vor uns liegende Aufgabe.
Virginia Rodino ist nationale Koordinatorin von United Against Hate in den USA, Vorstandsmitglied der Asian Pacific American Labor Alliance, Geschäftsführerin der Coalition of Labor Union Women, AFL-CIO, und Mitglied von Marx 21 US.
Dieser Artikel stützt sich auf einen Vortrag von Virginia Rodino für die gemeinsame Veranstaltung von Marx21 US und den International Socialists Kanada mit dem Thema: »Roe v. Wade: Aufbau grenzüberschreitender Solidarität für reproduktive Rechte« vom 18. Mai 2022. Zwecks besserer Zugänglichkeit für die deutsche Leser:innenschaft wurde der Einstieg von der Übersetzerin ergänzt.
Aus dem Amerikanischen von Rosemarie Nünning.
Foto: Adam Fagen / flickr.com
Schlagwörter: Abtreibung, Schwangerschaftsabbruch, Selbstbestimmung