Die Mehrheitsgesellschaft übersieht die Menschen, die in den 1950er Jahren als »Gastarbeiter« nach Deutschland kamen. Deren Kultur straft sie mit Nichtbeachtung. Imran Ayata aus der Initiative »Kanak Attak« stellt sich dem mit »Songs of Gastarbeiter Vol. 2« entgegen – und es ist großartig! Eine Rezension von Jan Maas
Jahrzehnte lang übersah die Mehrheitsgesellschaft jene Menschen, die ab den 1950er-Jahren als »Gastarbeiter« nach Deutschland gekommen waren. Auch deren Kultur strafte sie mit Nichtbeachtung. Vor acht Jahren stellte Imran Ayata aus der Initiative »Kanak Attak« auf der tollen Compilation »Songs of Gastarbeiter« Musik zusammen, die in den ausgegrenzten Gemeinschaften entstanden war. Jetzt ist ein Nachfolgealbum erschienen – und es ist großartig!
Lebenserfahrung der »Gastarbeiter«
Die erste Auflage stellte ausschließlich Lieder türkeistämmiger Musiker:innen vor. Das ist diesmal anders. So ist zum Beispiel der griechische Blues Rembetiko mit einigen Titeln vertreten. Der Rembetiko verarbeitet ähnlich wie der Tango die Lebenserfahrung der zusammengewürfelten Arbeiter:innenklasse einer Hafenstadt, in diesem Fall Piräus.
Auch spanischsprachige Bands sind auf »Songs of Gastarbeiter Vol. 2« dabei. Dimensión Salvo verarbeitet in »Lo que no tengo« Einsamkeit und Heimweh. Natürlich sind auch türkeistämmige Bands dabei. Gruppen wie Derdiyaklar (»Liebe Gabi«) und Akbaba lkilisi (»Keyfo Agam«) erfanden mit dem Discofolk ein eigenes subkulturelles Musikgenre.
Musik von »Vertragsarbeitern« in der DDR war schwerer zu finden. Dafür haben Imran Ayata und Bülent Kulluku »Cherie« von der Gruppe Bayon aus Weimar berücksichtigt, in der mit Sonny Thet ein Musiker aus Kambodscha federführend war. Neue Produktionen alter Songs runden die Zusammenstellung ab, darunter »Alle Menschen dieser Erde« von Shantel feat. Ozan Ata Canani. Man kann nur hoffen, dass diese Musik endlich die Anerkennung bekommt, die sie verdient.
Das Album
Imran Ayata & Bülent Kulluku
Songs of Gastarbeiter Vol. 2
Trikont Records
München
2021
8,99 Euro – 22,00 Euro
Schlagwörter: Arbeiterklasse, Arbeitsmigration, Musikrezension, Rezension