Die Serie »Kleo« ist eine Anspielung auf die besten Rachefilme. Aber die Mischung aus Komödie und Action in der neuen Umgebung Ostdeutschlands macht sie zu einer würdigen Ergänzung, meint Richard Donnelly
In den letzten Tagen des ostdeutschen Polizeistaats werden politische Gefangene aus den Gefängnissen entlassen. Unter ihnen befindet sich die Stasi-Attentäterin Kleo Straub, die Jahre zuvor von dem Regime, für das sie einst lebte und tötete, fälschlicherweise inhaftiert wurde. Inmitten der Trümmer des »real existierenden Sozialismus« macht sie sich auf die Suche nach dem Verräter und seinen Motiven. Das Ergebnis sind acht Episoden voller Action, Abenteuer und Komik.
Kleo und das Konzept des weiblichen Rachekillers
Kleo nutzt ihre tödliche Ausbildung als Geheimpolizistin, um sich ihren Weg durch die oberen Ränge des alten ostdeutschen Staates zu schlagen, zu schießen und zu bomben. Das Konzept ist nicht neu. Das Genre des weiblichen Rachekillers wurde in den letzten Jahrzehnten mit Filmen wie Quentin Tarantinos Kill Bill und Fernsehserien wie BBCs Killing Eve fast zu Tode gespielt. In vielerlei Hinsicht ist »Kleo« von Netflix einfach eine deutsche Version dieser Filme. Die Serie hat die gleiche Mischung aus Action, Humor und Sentimentalität, die auch Kill Bill auszeichnet. Einige von Kleos Kostümen wirken wie eine Hommage an die Figur von Uma Thurman. Aber es gibt ein paar Dinge, die »Kleo« auszeichnen und zu einer unterhaltsamen Serie machen, die es wert ist, dass man sie anschaut. Dazu gehört vor allem die fantastische Leistung von Jella Haase in der Hauptrolle.
Beeindruckende schauspielerische Bandbreite
Haase ist wahrscheinlich am bekanntesten für ihre Nebenrolle in der Teenie-Komödie »Fack ju Göhte« aus dem Jahr 2013. In »Kleo« kann sie nun ihre beeindruckende schauspielerische Bandbreite demonstrieren. Nicht nur, dass sie ein Kostüm nach dem anderen anzieht und sich unter anderem als reiche Witwe und Sanitärinspektorin verkleidet; sie hat auch eine emotionale Tiefe und Komplexität, die die Serie interessanter macht, als man es von einem komödiantischen Actionthriller erwarten würde. Haase verleiht ihrer Figur stets eine liebenswerte Verspieltheit. Und das, obwohl die Serie ihren mörderischen Rachefeldzug durch den Staatsapparat der falsch benannten »Deutschen Demokratischen Republik« verfolgt.
Kleo liefert aufregende Actionszenen
Es ist, als ob die gewalttätige Ausbildung und die harte ideologische Disziplin von Kleos Zeit als Stasi-Agentin eine frühere Unschuld nicht ganz auslöschen konnten. Spätere Episoden befassen sich mit ihrer unglücklichen Kindheit, in der sie unter der strengen Kontrolle ihres Großvaters, Generaloberst Otto Straub, aufwuchs, der sie für ein Leben im Dienste des ostdeutschen Staats heranzog. Er zwingt sie, sowohl ihre Liebe als auch ihre Unschuld zu opfern, um in die elitäre Stasi-Spionageschule aufgenommen zu werden, in der sie lernt, wie man tötet. Ihre Stasi-Ausbildung liefert den Vorwand für eine Reihe waghalsiger und aufregender Actionszenen, in denen Kleo Sprengstoff in Jacken einnäht, Gift aus Kugelfischen extrahiert, Autobomben platziert und vieles mehr.
Mehr als eine schillernde Hommage
Die Serie ist außerdem wunderschön gefilmt. Ob in West-Berlin, Ostdeutschland, Spanien oder Chile: die Kameraführung ist großartig. Die Macher bevorzugen kunstvolle Kompositionen und auffällige Farben und das Kostümdesign erweckt die frühen 1990er Jahre auf wunderbare Weise zum Leben.
Komische Abwechslung
Für komische Abwechslung sorgen die westdeutschen Figuren wie der trottelige Detektiv Sven Petzold. Mit seinen Hawaii-Hemden und den hochgekrempelten Ärmeln seiner Anzugjacke scheint er sich an US-Cop-Serien der 80er Jahre wie »Magnum« zu orientieren. Dieses Selbstbild dient als Deckmantel für seine Gefühle der Unzulänglichkeit bei der Arbeit, wo sein berufliches Fortkommen durch die Tatsache behindert wird, dass er in jungen Jahren Vater geworden ist. Sein Ehrgeiz und sein Wunsch, aus der Betrugsabteilung in die Mordkommission zu wechseln, treiben ihn dazu, Kleo gegen den Willen seiner Vorgesetzten zu verfolgen, was ihm großen Ärger mit den Polizeichefs und sogar dem BND einbringt.
Sven wird brillant von dem kasachisch-deutschen Schauspieler Dimitri Schaad gespielt, der auch in Killing Eve als Stiefbruder der Kleo-ähnlichen Hauptfigur Villanelle auftrat. Seine angespannte Beziehung zu seiner Frau und seinem Sohn machen Sven zu mehr als einer eindimensionalen Comicfigur. Und dann ist da noch Thilo, ein westdeutscher Teppichhändler, der in Kleos Wohnung eingezogen ist, als sie noch hinter Gittern saß, in der Hoffnung, einen Club in Ost-Berlin zu kaufen und Techno unter die ostdeutschen Massen zu bringen. Er verbringt die ganze Serie damit, psychedelische Drogen zu nehmen und die Sensibilität der Ostdeutschen zu verletzen, aber er bleibt irgendwie immer sympathisch.
Schwächen der Serie
Es gibt ein paar Aspekte der Serie, die sicherlich einige Zuschauer:innen stören werden. Die ostdeutschen Apparatschiks und Stasi-Agenten werden alle als wahre Gläubige des sozialistischen Traums dargestellt, völlig verblendet von ihren eigenen wilden, aber ehrlich gehaltenen ideologischen Wahnvorstellungen. Es gibt nur wenige Hinweise darauf, dass es den Führern dieses Staates wirklich darum ging, sich durch die Ausbeutung der einfachen Ostdeutschen zu bereichern (Lies hier den marx21-Artikel: War die DDR sozialistisch?). In der Tat gibt es in der Serie nur sehr wenige Darstellungen von normalen Ostdeutschen, abgesehen von Archivmaterial über den Fall der Mauer. Es wird also nicht erklärt, was die Menschen zum Sturz des Regimes motiviert hat, was ja der grundlegende Kontext für die Handlung ist. In jüngsten Interviews hat Haase angedeutet, dass der Zusammenbruch des Ostblocks uns etwas über die krisenhafte Situation sagen könnte, in der sich der westliche Kapitalismus heute befindet. Diese Beobachtung ist sicherlich viel interessanter als alle politischen Diskussionen in der Serie selbst.
Kleo ist ein unterhaltsamer Spaß
Doch trotz dieser Probleme und eines gewissen Mangels an Originalität ist Kleo ein unterhaltsamer Spaß mit einem angenehmen Erzähltempo und viel toller Action. Neben Sendungen wie »Babylon Berlin«, »Deutschland 83«, »Dark« und »Freud« gehört die Serie zu den großen deutschsprachigen TV-Programmen, die durch Streaming-Plattformen wie Netflix und Amazon Prime ein viel größeres Publikum im Ausland finden. Aufgrund der Beliebtheit und der positiven Resonanz auf die Serie wurde bereits eine zweite Staffel in Auftrag gegeben.
Serie
»Kleo«
Produktion: Hanno Hackfort, Richard Kropf, Bob Konrad, Elena Senft
Deutschland 2022
Drama, Action, Adventure
48 Minuten / 8 Episoden in 1 Staffel
FSK 12
auf Netflix verfügbar
Bild: Julia Terjung / Netflix
Schlagwörter: Netflix, Serie, Serientipps