Razzien gegen die Reichsbürger-Szene im Dezember 2022 und März 2023 sollen einen starken Staat im Kampf gegen Rechts vermitteln. Was bei der Inszenierung jedoch verkannt wird, ist der Einfluss der AfD. Kommentiert Simo Dorn
Bei einer Razzia im Dezember in elf Bundesländern durchsuchten Anfang Dezember rund 3.000 Einsatzkräfte der Polizei 130 Wohn- und Geschäftsräume. In der vergangenen Woche kam zu einer weiteren Razzia gegen die »Reichbürger«-Szene. In acht Bundesländern Deutschlands und in der Schweiz wurden insgesamt 20 Objekt von der Polizei durchsucht. Diese letzte Razzia galt insgesamt fünf verdächtigen Personen und weiteren 14 in deren Umfeld, die als Zeug:innen gelten.
Bereits im Dezember hieß es, eine rechtsterroristische Gruppe soll »einen bewaffneten Angriff auf Verfassungsorgane« geplant haben. Bei der kürzlich stattgefundenen Razzia kam es über dies zu einem Schusswechsel von einem Verdächtigen mit der Polizei. Während sich der Staat als Bollwerk gegen rechts inszeniert, wäscht die AfD ihre Hände in Unschuld. Beides ist nichts als Heuchelei.
»Reichsbürger« und AfD Hand in Hand
So sind unter den Festgenommenen die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin Birgit Malsack-Winkemann sowie ein AfD-Parteifunktionär aus Sachsen. Die Schutzbehauptungen aus der AfD, dass Malsack-Winkemann in der Partei »isoliert« gewesen sei, sind schlicht gelogen. Der faschistische »Flügel« hat sie mehrfach zu Veranstaltungen als Rednerin eingeladen. Die AfD bietet schon länger eine Plattform, auf der sich Nazis, »Reichsbürger« und andere Rechte begegnen, austauschen und vernetzen. Dass hierzu auch gewaltbereite und bewaffnete Kräfte zählen, ist nichts Neues. Wen wundert es da noch, wenn Teile der Partei schon heute vom Staatsstreich träumen? Ein Höcke ist zwar umsichtiger, sein Ziel ist jedoch dasselbe.
Beide medial inszenierte Razzien sollen vermitteln: Der Staat kümmert sich und greift konsequent gegen rechtsterroristische Netzwerke durch. Doch genau das tut er nicht. Im Gegenteil: Er ist Teil des Problems. Das zeigt sich schon an der Tatsache, dass unter den Verhafteten zahlreiche ehemalige Polizist:innen und Spezialkräfte der Bundeswehr sind. Darüber hinaus ist es für »Reichsbürger« und Behörden-bekannte Neonazi weiterhin möglich legal an Schusswaffen zu gelangen. So verweigerte der Verfassungsschutz, laut Mitgleidern der Linksfraktion im hessischen Landtag, »auf Grund von Persönlichkeitsrechten« die Auskunft zur Erlaubnis des Tragens von Waffen über ihnen bekannte und als gewaltbereit eingestufte Neonazis an andere hessische Behörden.
Doch es gibt nicht nur ein Problem mit individueller rechter Ideologie im Staatsapparat. Der Staat ist strukturell rechts. Um das zu erkennen reicht ein Blick auf die Abschiebepraxis oder das Agieren von Geheimdiensten, Polizei und Justiz, speziell im NSU-Komplex, aber auch allgemein gegenüber der Gesellschaft. Der deutsche Staat ist und bleibt im Kampf gegen rechts kein Verbündeter, sondern unser Gegner.
Titelbild: 7CO
Schlagwörter: AfD, Polizei, Reichsbürger