Proteste und Streiks radikalisieren sich. Die griechische Regierung steht unter Druck. Panos Garganas berichtet aus Athen.
Die Ermordung des 15-jährigen Alexandros Grigoropoulos durch die Polizei am 6. Dezember löste eine Massenbewegung aus. Nach wie vor gehen die Menschen auf die Straße. Der gewaltsame Tod des Jugendlichen ist zu einem Fokus für die allgemeine Unzufriedenheit in der Gesellschaft geworden. Mittlerweile rufen die Menschen nach dem Rücktritt der Regierung. In den Tagen nach seinem Tode demonstrierten Schüler vor Polizeirevieren, Studierende besetzten die Unis, Arbeiter streikten und die Menschen beteiligten sich in Massen an den vielen Demonstrationen. Ein Generalstreik gegen das Kürzungspaket der Regierung legte das Land am 10. Dezember lahm (marx21 Berichtete). Am vergangenen Freitag riefen die Lehrergewerkschaft, Studierende und Schüler zu einer Demonstrationen gegen die Regierung und Polizeibrutalität auf. Zehnttausende beteiligten sich. Gleichzeitig rief die Gewerkschaft des Öffentlichen Dienstes zum Solidaritätsstreik mit den Lehrern und Studierenden für den Nachmittag auf. Krankenhäuser, Bürgerämter und andere Ämter werden betroffen sein. Bei den streikenden Gewerkschafterinnen und Gewerkschatern wird jetzt die Möglichkeit eines 24-stündigen Streiks erörtert. Weitere Aktionen werden folgen. Damit steigt der Druck auf die anderen Gewerkschaften, ebenfalls Streikaktionen zu organisieren. Am Wochenende demonstrierten Zehnttausende gegen Israels Krieg gegen die Palästinenser in Gaza. Griechenland hat letztes Jahr gemeinsame Flugübungen mit Israel durchgeführt. Ein regelrechter Steinhagel prasselte auf die israelische Botschaft nieder. Die Wut über den israelischen Angriffskrieg ist so groß, dass Menschen auch zwischen den Jahren auf den Straßen demonstriert haben. Die Menschen fordern ein Ende dieses Militärbündnisses.
Jedes Ereignis nährt die Radikalisierung
Die Regierung steht nach wie vor unter enormem Druck. Es ist die Rede davon, dass Premierminister Kostas Karamanlis sein Kabinett umbildet, um Dampf abzulassen. Aber er zögert noch und will wahrscheinlich abwarten, um die anhaltende Stärke der Bewegung besser einschätzen zu können.Karamanlis sieht sich angesichts der Wirtschaftskrise auch mit einer Reihe weiterer Probleme konfrontiert. Mehrere prominente Politiker meinen, dass die ökonomischen Schwierigkeiten so groß sind, dass das hoch verschuldete Land den Internationalen Währungsfonds um Hilfe wird bitten müssen. Es ist wahrscheinlich, dass die großen Universitäten ab nächste Woche wieder besetzt werden. Die Besetzungen könnten sich dann ausbreiten. Am Donnerstag vor Weihnachten streikten Krankenhausmitarbeiter und Lehrer, die sich am Massenprotest der Studierenden in Athen beteiligten. Die meisten dieser Demonstranten waren zwar Studierende und Schüler, aber in den ersten Reihen gingen auch viele Streikende mit. Die Krankenhausarbeiter hatten den Streik wegen Personalmangels, schlechter Bezahlung und anderer Fragen schon vor Alexandros Tod geplant. Die Demonstration war sehr erfolgreich und friedlich, bis sie das Parlament erreichte. Sie wurde dann von der Polizei angegriffen und es folgten Auseinandersetzungen bis in die Nacht. Der gewerkschaftliche Dachverband demonstrierte ebenfalls gegen den Haushaltsplan, der Milliarden für die Banker vorsieht. Mehr als 2000 demonstrierten in Athen am 20. Dezember gegen die staatlichen Angriffe auf Migranten. Die Demonstration hob den Zusammenhang zwischen Antirassismus und der neuen Bewegung, die jetzt entstanden ist, hervor. Protestierende hielten das Bild des jüngsten Opfers der Polizeigewalt gegen Migranten hoch, der noch im Krankenhaus liegt. Vertreter der pakistanischen Gemeinde beteiligten sich, die Stundierenden und Schüler folgten ihnen. Die wachsende Radikalisierung wirkt sich positiv auf die radikale Linke aus. Mehrere Organisationen haben zu einer Massenveranstaltung am 31. Januar aufgerufen. Das ist das erste gemeinsame Treffen der radikalen Linken in Griechenland seit den 1970er Jahren. Jedes Ereignis nährt die Radikalisierung.
(Aus dem Englischen von David Paenson)
Über den Autor:
Panos Garganas ist Sozialist und lebt in Athen.
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