Der neue EU-Reformvertrag ist im Kern die alte neoliberale EU-Verfassung. Diese war am Nein der Franzosen und Niederländer gescheitert. Nun soll der Vertrag ganz ohne demokratische Beteiligung der Bevölkerungen unter Dach und Fach gebracht werden
Im Protokoll des EU-Gipfels, der am 21. und 22. Juni 2007 in Brüssel stattfand, heißt es: „Der EU-Vertrag und der Vertrag über die Arbeitsweise der Union werden keinen Verfassungscharakter haben.“ Das heißt allerdings nicht, dass damit all das, was mit der EU-Verfassung bezweckt wurde, vom Tisch ist. Sarah Wagenknecht, LINKE-Mitglied im EU-Parlament, dazu im Neuen Deutschland: „Der deutschen Ratspräsidentschaft ist es gelungen, die Verfassung zu retten. Denn nichts anderes ist das, was jetzt als Reformvertrag verkauft wird. Der Name hat sich gewandelt, der Inhalt jedoch bleibt fast vollständig gleich: Es gibt keine Änderung an der neoliberalen Ausrichtung des Vertrags, Wettbewerbsorientierung und Militarisierung sind weiterhin Programm.“
Der irische Ministerpräsidenten Bertie Ahern sieht ebenfalls kaum Unterschiede: „Etwa 90 Prozent des Kernpakets bleiben gegenüber dem europäischen Verfassungsvertrag unverändert“, sagte er. Unterschiede bestünden vor allem in der Form.
Der „neue“ Reformvertrag soll von einer Regierungskonferenz ausgearbeitet werden. Diese setzt sich aus „Experten“ der Regierungen der Mitgliedsstaaten zusammen. Das EU-Parlament und die Parlamente der Staaten sind am weiteren Verfahren nicht beteiligt. Bis Ende 2007 soll der Vertrag ausgearbeitet sein und spätestens zu den Europawahlen 2009 von den Mitgliedsstaaten ratifiziert werden. Dieses Vorgehen bedeutet den Ausschluss der europäischen Öffentlichkeit von jedwedem Einfluss auf den Vertrag. Die globalisierungskritische Organisation Attac vermutet, dass dadurch auch eine öffentliche Debatte verhindert werden soll.
Tobias Pflüger, der für DIE Linke im EU-Parlament sitzt, schreibt auf seiner Homepage: „Die Ausrichtung der EU auf Neoliberalismus – "dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet" (Art. 177) – und Aufrüstung – "die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern" (Art. 41, 3) – werden im geplanten Vertrag beibehalten. Ein grenzüberschreitendes Streikrecht in der EU wird es auch weiterhin nicht geben.“
Zwar hat der französische Präsident Sarkozy Formulierungen in Bezug auf freien Wettbewerb und Preisstabilität streichen lassen. Doch laut Tobias Pflüger geht es „Sakozy nur um kosmetische Änderungen für die Stimmung in Frankreich, an andere Stelle im neuen EU-Vertrag wird es die Verpflichtungen auf Neoliberalismus weiterhin geben.“
Neu ist, dass die so genannte Grundrechtecharta nicht mehr als Teil der EU-Vertrages vorgesehen ist. In der Charta sind zum Beispiel aufgelistet das „Recht auf Bildung“, „Gleichheit von Frauen und Männern“, „Gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen“, „Gesundheitsschutz“ oder „Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit“. Die Bedeutung der Charta ist bereits in der Vergangenheit Stück für Stück reduziert worden. Nun soll im Reformvertrag nur noch auf sie „verwiesen“ werden.
Laut EU soll die Grundrechtecharta aber genau so rechtlich bindend sein wie der Reformvertrag selbst. Doch diese Behauptung ist eine Nebelkerze, um vom neoliberalen Inhalt des Reformvertrages abzulenken. Die ganze bisherige Politik der Regierungen Europas in Richtung Lohn- und Steuerdumping, Privatisierungen und Abbau von Arbeitnehmerrechten zeigt, dass die Herrschenden für ein Europa des Kapitals stehen. Tobias Pflüger schlußfolgert: „Somit bleibt es bei einem klaren NEIN zu diesem "neuen" EU-Vertrag.“
Mehr Im Internet:
>> Kurze Darstellung der Inhalte des neuen Reformvertrages von Tobias Pflüger (Abgeordneter der LINKEN im EU-Parlament)
>> Presseerklärung von Ulrich Maurer (Parlamentarischer Geschäftsführer DIE LINKE-Bundestagsfraktion)
>> Artikel von Sarah Wagenknecht (Abgeordnete der LINKEN im EU-Parlament) im Neuen Deutschland vom 29.06.2007