Zum Artikel »Rot-Rot in Brandenburg: In Platzecks Falle«
Es scheint, das wieder 'mal ein Gespenst umgeht. Erst war es das des Kommunismus, jetzt nennt es sich rot-rote Koalition. Das heißt, ganz so neu ist es ja nicht. Denn nach Mecklenburg-Vorpommern und Berlin schaut es jetzt in Brandenburg vorbei. Dennoch ist das Erschrecken darüber im Lager mancher selbsternannter Geisterjäger immer noch so groß wie beim ersten Mal.
Das fulminante Wahlergebnis der brandenburgischen LINKEN am 27. September 2009 und der Courage des Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) ist zu verdanken, das seit Anfang November Brandenburg von ROT-ROT regiert wird. Wie es sich für Linke gehört, hat sich die Partei den Weg beginnend über die Sondierungsgespräche, einer Basiskonferenz, den Koalitionsverhandlungen und mehreren Regionalkonferenzen bis zum entscheidenden Landesparteitag in Strausberg hin auf die Regierungsbank nicht leicht gemacht. Viel wurde gestritten, diskutiert teilweise aber auch persönlich verletzt. Abgesehen vom letzteren war und ist das gut so, spricht es doch für die Lebendigkeit der Partei DIE LINKE.
Ein kleiner Blick zurück: Im Wahlkampf hat die brandenburgische LINKE mit 15 Schlüsselvorhaben für eine andere Politik geworben. Von vornerein war klar, ohne Schlüsseldienste der SPD wäre die Tür für einen Poltikwechsel gänzlich verschlossen geblieben. Nachdem der Koalitionsvertrag ausverhandelt vorlag, wurde trefflich darüber gestritten: Was fehlt einem völlig im Vertrag, wo hätte man seine Zustimmung verweigern sollen, wo hätte man sich andere Lösungen gewünscht. Jeder, die Verhandlungsdelegationen eingeschlossen, fiel es nicht schwer solche Punkte zu finden.
Aber eines ist doch schon vor Beginn jeder Koalitionsverhandlung klar: Koalitionsverträge sind immer Kompromisspapiere! Wenn es auch schwerfällt, das muss auch die LINKE akzeptieren, solange sie nicht die absolute Mehrheit hat. Ihnen seien Worte von Antonio Gramsci ans linksschlagende Herz gelegt, wo er sich mit dem Maximalismus auseinandersetzte: »Zu viele in der Partei haben Angst vor Begriffen, die nicht zum alten maximalistischen Jargon passen. Jeder taktische Schritt, der mit dem Subjektivismus dieser Träumer nicht übereinstimmt, wird als Abweichung von der revolutionären Strategie und Taktik bezeichnet. So sprechen viele von der Revolution, ohne genau zu wissen, mit welchen Mitteln dieses Ziel zu erreichen ist. Sie sind nicht in der Lage, die Mittel auf die jeweilige historische Situation einzustellen. Im allgemeinen machen sie lieber große Worte als zu handeln«.
Doch immerhin gelang es der Linkspartei 12 ihrer 15 Schlüsselvorhaben in diesen Vertrag hinein zu verhandeln, was doch ein guter Schnitt ist: Die Verhinderung von 700 Kündigungen von Lehrern, die Neueinstellung von 1250 Lehrern, die Neueinstellung von 1000 Kita-Erziehern, Mindestlohn, ein Vergabegesetz, der Einstieg in den öffentlichen Beschäftigungssektor, Prüfung der Schönbohmschen Polizeigesetze u.a. Ist das alles nichts?
Natürlich ist der Kompromiss mit der SPD bei der Energiepolitik für die LINKE die größte Kröte. Als eine der Parteien, die aktiv das Volksbegehren »Keine neuen Tagebaue« unterstützte, konnte sie ihre Position, mittelfristig den Ausstieg aus der bislang kohledominierten Energiepolitik zu organisieren, nicht durchsetzen.
Hätte die LINKE deshalb das rot-rote Projekt scheitern lassen sollen? Was wäre der Preis dafür gewesen: Weitere fünf Jahre mit einem CDU-Wirtschaftsminister, der in asozialer Manier mit Brandenburg als Billiglohnland geworben hat. Um nur ein Beispiel zu nennen. Dennoch finden sich nicht zu unterschätzende ökologische Noten im Koalitionsvertrag. Erwähnt sei nur das weiter mit Vorrang erneuerbarer Energien gefördert werden sollen und in der Forschungs- und Entwicklungspolitik soll der Schwerpunkt auf innovative Umwelt- und Energietechniken gelegt werden.
Das mochte bei Streitern für eine alternative Energiepolitik nicht ausreichen, um eine Ode an die Freude anzustimmen. Wirklich nicht, aber vor Beginn einer Regionalkonferenz von GRÜNEN-Vertretern einen Flyer mit der Frage: WURDE IHRE POLITISCHE HEIMAT ABGEBAGGERT? vor das linksparteiliche Auge gehalten zu bekommen – und das gleich mit einem umseitigen Antrag auf Mitgliedschaft, geht ja doch zu weit. Dazu nur soviel: Eine Partei wie DIE GRÜNEN, an deren politischen Backe Hartz-Gesetze und Kriegsbeteiligungen haften, hat jedes Recht verwirkt, so aufzutreten.
Nun – tausend Dinge fanden gar keine Aufnahme in den Koalitionsvertrag. Sie werden in den kommenden fünf Jahren durch tagespolitische Ereignisse und durch im Detail nicht vorhersehbare Entwicklungen quasi nachträglich hinein diktiert. Fest dürfte stehen, das es im rot-roten Regierungsboot nicht völlig konfliktfrei zugehen wird. Doch im Falle eines Lecks, die LINKE hat mit ihrem Wirtschaftsminister Ralf Christoffers einen gelernten Schiffbauer an Bord. …
Bei der Vereidigung von Matthias Platzeck zum Ministerpräsidenten konnte man den Eindruck haben, als wäre erneut ein Gespenst unterwegs. Sein Rufname war Dieter Dombrowski (CDU) der in Stasi-Haftkleidung im Plenarsaal umher lief. Man stelle sich vor, während der Tage zuvor stattgefundenen Vereidigung, des in eine illegale CDU-Parteispendenaffäre verwickelten Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble, wäre ein Abgeordneter mit einem Geldkoffer rumgelaufen. Gespenstisch, gespenstisch….
René Lindenau, Cottbus
Mitglied DIE LINKE Kreisverband Lausitz