Nach dem Scheitern der Griechenland-Verhandlungen ist klar: Die Gläubiger wollen keine Lösung für die Menschen in Griechenland, sondern die vollständige Unterwerfung unter das neoliberale Kürzungsdiktat von Europäische Union (EU), der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF). marx21 über die Hintergründe der Entscheidung der griechischen Regierung, ein Referendum abzuhalten und warum ein »Nein« bei der Volksabstimmung den Kampf gegen die Kürzungspolitik in Europa stärken würde.
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Die Finanzminister von 18 Ländern der EU haben am Samstag, dem 27. Juni, den Wunsch der Regierung in Athen abgelehnt, das am Dienstag den 30. Juni auslaufende »Hilfspaket« für Griechenland um einen Monat zu verlängern. Angeblicher Auslöser dieser Eskalation war die Ankündigung des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras, dass das griechische Volk am 5. Juli über die Kürzungsvorschläge abstimmen werde (Referendum). Das griechische Parlament hatte in der Nacht zum Sonntag gegen die Stimmen der bürgerlichen und sozialdemokratischen Oppositionsparteien das Referendum beschlossen. Oppositionsführer der konservativen Nea Dimokratia, Antonis Samaras, kritisierte Tsipras als verantwortungslos und sprach von einem »Staatsstreich«. Er rief zu Demonstrationen gegen die Regierung auf. Auch in Deutschland reagierte die politische Elite geschockt. Der Spiegel schreibt: »Europa ist empört über Tsipras‘ Referendums-Überfall«, das Handelsblatt titelt: »Europa steht unter Schock« und auch Vizekanzler Sigmar Gabriel zeigt sich »entsetzt« über den Tsipras-Vorschlag. Unionsfraktions-Chef Volker Kauder (CDU) bezeichnete die griechische Regierung um Premier Tsipras als »Hasardeure«. Doch die harschen Angriffe auf die Syriza-Führung, sollen nur verdecken, dass die eigentlichen Scharfmacher in der Eurogruppe sitzen.
Griechenland: Für ein »Nein« bei der Volksabstimmung
Für die Menschen in Griechenland ist der harte Kürzungskurs der EU und des IWFs eine Katastrophe. Die EU will die Regierung zwingen, die Schulden zu bedienen anstatt die humanitäre Katastrophe im Land zu bekämpfen. Mit dem Referendum besteht jetzt die Chance, dass ein klares Zeichen gegen die Kürzungspolitik der EU ausgesendet wird. Nach der Entscheidung für ein Referendum stellte die linke griechische Tageszeitung »Avgi« ein riesiges »Nein« auf ihre Titelseite. Darunter schreibt sie: »Nein zu Erpressungen und Ultimaten. Nein dazu, dass die Gesellschaft in den Bankrott getrieben wird. Nein zu Rettungspaketen und Sparplänen.«
So sehen es auch viele Griechen. Giannis Sotiropoulos arbeitet als Beamter, er unterstützt die Entscheidung für ein Referendum. In einem Bericht der Bild-Zeitung sagte er: »Ich werde mit Nein stimmen, ich bin gegen den Vorschlag der Geldgeber. Das, was die EU vorschlägt, ist gegen die Menschen. Sie wollen nicht Konzerne besteuern, sondern die einfachen Menschen. Ich will kein Bürger der Banken sein, sondern eines Staates.«
Demütigung der linken Regierung in Griechenland
Der Wahlsieg von Syriza war eine große Niederlage für die griechischen Kapitalisten und die EU-Eliten. Aber sie geben nicht auf: Sie wollen die Regierung in die Knie zwingen und die Linke insgesamt demütigen. Sie wollten die bedingungslose Kapitulation der linken Syriza-Regierung. Für die deutschen Eliten ist die europaweite Kürzungspolitik eine Möglichkeit, ihr Wirtschaftsmodell einer deflationären Politik, die die Binnennachfrage einschränkt und nur durch eine Steigerung der Exporte auf Kosten der Handelspartner überhaupt durchführbar ist, aufrechtzuerhalten.
Würden Schäuble & Co. nachgeben, wären Millionen Menschen in Europa – vor allem in den anderen von der Krise betroffenen Staaten wie Spanien, Portugal und Italien – in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt, ihrerseits ein Ende der Kürzungspolitik zu fordern. Deswegen will die Euro-Gruppe, unter der Führung Deutschlands, an Griechenland ein Exempel statuieren. Sie wollen jetzt die Bevölkerung für Ihre Wahlentscheidung bestrafen und die alten korrupten Eliten wieder an die Macht bringen.
EU unter Merkel: Durchsetzung des neoliberalen Kürzungsdiktats
Die griechische Regierung hat seit ihrer Wahl am 25. Januar 2015 erhebliche Zugeständnisse an die Gläubiger gemacht. Obwohl Millionen Menschen in Europa die Forderungen der linken Regierungspartei Syriza nach einem Schuldenschnitt, dem Ende der Kürzungspolitik und der Bevormundung durch die Troika unterstützen, ist die EU im Zuge der Verhandlungen an keinem dieser Punkte auf Athen zugegangen.
Schon im Abkommen vom 20. Februar 2015 verpflichtete die Troika die griechische Regierung, laufende Privatisierungen fortzusetzen, den Arbeitsmarkt zu flexibilisieren und dafür Sorge zu tragen, dass »die Lohnkosten im öffentlichen Dienst nicht steigen«. Seit ihrer Wahl bediente sie weiterhin alle fälligen Kredite. In den jüngsten Verhandlungen über die Fortsetzung der »Hilfsprogramme« zwang die Troika die Syriza-Regierung, allen bisherigen Forderungen der Gläubiger zuzustimmen. Die Zugeständnisse der griechischen Regierung vom 22. Juni enthielten im Wesentlichen alle Reformen und Sparmaßnahmen, die der IWF und die Euro-Zone gefordert hatten. Die Regierung war unter dem Druck der Troika bereit, die Frühverrentung zu stoppen, das Rentenalter auf 67 Jahre aufzustocken, die Mehrwertsteuer zu erhöhen, neue Luxussteuern zu erheben und die Privatisierungen voranzutreiben.
Die Vorschläge hätten vor allem diejenigen getroffen, die schon seit Jahren für die Krise bezahlen: Angestellte, Arbeiterinnen und Arbeiter und Rentnerinnen und Rentner. Doch das war den Gläubigern nicht genug. Sie holten die alten Forderungen der Troika wieder heraus, über die die konservative Regierung Samaras bereits gestürzt war. Sie wollten schärfere Rentenkürzungen, höhere Mehrwertsteuern auf Lebensmittel, eine Arbeitsmarktreformen durchsetzen und jeden Teilschuldenerlass verhindern.
Tausende demonstrierten in den letzten zwei Wochen auf den Straßen von Athen und anderen Städten für ein Ende der Kürzungspolitik und für eine harte Haltung gegenüber den Gläubigern. Dass die Regierung die Forderungen der Gläubiger zurückgewiesen hat, ist auch ein Ergebnis dieser Proteste und der Stimmung in der Bevölkerung gegen die Kürzungspolitik.
Griechenland: Solidarität statt Hetze
Von Merkel & Co gerettet wurden lediglich die europäischen Banken, darunter deutsche und französische, die mit griechischen Staatsanleihen hohe Gewinne gemacht haben. Die Kredite an Griechenland sind zu 96 Prozent in den Schuldendienst an die Gläubiger zurückgeflossen. Aufgabe der LINKEN in Deutschland ist es, die Proteste gegen die Erpressung durch die EU, allen voran durch die deutsche Bundesregierung, zu stärken. Deutschland ist die wirtschaftliche Führungsmacht in Europa. Bundeskanzlerin Angela Merkel, Vizekanzler Sigmar Gabriel und Finanzminister Wolfgang Schäuble sind verantwortlich für den harten Kurs der EU gegenüber Griechenland. Deswegen ist es die Aufgabe der deutschen Linken, der Gewerkschaften und der sozialen Bewegungen, Druck gegen die Erpressungspolitik von Merkel und Schäuble aufzubauen – und sich jetzt hinter das »Nein« bei der Volksabstimmung zu stellen und gleichzeitig für einen sofortigen Schuldenschnitt einzusetzen.
Für Freitag 3. Juli 2015 gibt es bereits einen europaweiten Aufruf an Parteien, Gewerkschaften und andere soziale Bewegungen, sich an einem Aktionstag zur Unterstützung des »Nein« beim griechischen Referendum zu beteiligen. Solche symbolische Protestaktionen sollten ein erster Auftakt sein. Gleichzeitig können wir den gemeinsamen Kampf für ein anderes Europa hierzulande auch durch die Unterstützung der Kämpfe für höhere Löhne und gegen prekäre Beschäftigung führen. Die Streiks der Beschäftigen der Post, der Charité oder der Beschäftigen im Sozial- und Erziehungsbereich weisen den richtigen Weg. Unsere Erfolge im Kampf gegen Kürzungspolitik und Lohndumping helfen den Menschen in ganz Europa.
Foto: 0neiros
Schlagwörter: Analyse, EU, EZB, Griechenland, IWF, Linke, marx21, Marxismus, Merkel, Referendum, Solidarität, Syriza, Troika, Tsipras