Im Herbst 2015 geht die Auseinandersetzung um das Freihandelsabkommen TTIP in die heiße Phase. Am 10. Oktober 2015 ist eine bundesweite Großdemonstration in Berlin geplant. marx21 sprach mit Hannes Dreager vom Bündnis »Münster gegen TTIP« über Hintergründe und die Möglichkeiten vor Ort aktiv zu werden.
marx21: Du bist aktiv im Münsteraner Bündnis gegen das geplante Freihandelsabkommen TTIP. Warum?
Hannes Draeger: Mit dem Freihandelsabkommen sind mühsam erkämpfte Rechte zum Abschuss freigegeben: Die Rechte von Millionen Beschäftigten, Umweltstandards, Finanzmarktregulierungen und der Schutz der Öffentlichen Daseinsvorsorge stehen auf dem Spiel. Um das TTIP-Projekt zu Fall zu bringen, bedarf es einer breiten Gegenbewegung. Unser Bündnis »Münster gegen TTIP« setzt genau hier an und organisiert die Gegenkräfte vor Ort.
Die Befürworter des Abkommes erklären aber, dass das Abkommen allen Menschen nützt. Sie berufen sich auf Studien die die positive Wirkung von TTIP auf Wachstum, Arbeitsplätze und Wohlstand belegen…
Wir erleben schon länger eine breit angelegte Desinformationskampagne der Großen Koalition und der EU-Kommission, die behauptet, TTIP sei ein Wohlstandsprojekt. Immer wieder wird mit Zahlen jongliert, zuletzt mit der Behauptung, mit TTIP würde jeder EU-Haushalt im Schnitt 545 Euro mehr im Jahr verdienen. Diese Prognose war so offensichtlich erfunden, dass sie schnell wieder von der Webseite der EU-Kommission verschwand. Bei der Behauptung, TTIP bringe Wachstum und Arbeitsplätze ist es ganz ähnlich. Hier lohnt ein Blick auf bereits durchgesetzte Freihandelsabkommen: Seit der Einführung von NAFTA – ein Freihandelsabkommen zwischen Mexiko, Kandada und den USA – sind hunderttausende Arbeitsplätze in Mexiko vernichtet worden. Inzwischen leben rund 100 Millionen Menschen in Mexiko unterhalb der Armutsgrenze. Genützt hat der Freihandel nur den großen Konzernen in den jeweiligen Ländern. Die Heilsversprechen, mit denen uns die Regierung heute TTIP schmackhaft machen will, wurden schon bei der Durchsetzung von NAFTA ins Feld geführt.
Der SPD-Vorsitzende und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel argumentiert, dass transatlantische Abkommen wie TTIP und CETA nötig sind, um zu verhindern, dass China weltweit die Vorreiterrolle übernimmt und schlechte Standards setzt, denen die Menschen in Europa dann beugen müssten.
Das Problem dabei ist, dass TTIP und CETA genau diese schlechten Standards setzt, vor denen Gabriel nun bei China warnt. Doch seine Aussage verweist dennoch auf einen bisher wenig beachteten Punkt in der Debatte. Das EU-USA-Freihandelsabkommen ist ein imperialistisches Projekt, welches sich gegen andere Staaten wie China oder Russland richtet. Kritiker haben bereits den Begriff der »Wirtschafts-NATO« ins Spiel gebracht. Und in der Tat geht es bei TTIP in erster Linie darum, den europäischen und US-amerikanischen Konzernen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konzernen in andere Regionen der Welt zu verschaffen. Damit steigt auch die Kriegsgefahr.
Am 10. Oktober soll es eine bundesweite Demonstration in Berlin gegen TTIP geben. Wer organisiert den Protest und welche Erwartungen hast du?
Es ist mit mehreren Zehntausend Teilnehmern zu rechnen. Seit Beginn der Anti-TTIP-Proteste ist es das erste Mal, dass es eine zentrale Mobilisierung gibt. Das Demo-Bündnis ist breit. Alle größeren Umweltorganisationen sind mit dabei. Hinzu kommen Verbraucherschutzorganisationen, Globalisierungskritiker und Gewerkschaften. Besonders erfreulich ist, dass sich der DGB nach jetzigen Stand aktiv in die Mobilisierung einbringen wird. Die bisherigen Anti-TTIP-Aktivitäten in Deutschland machen Hoffnung auf eine große Demo am 10.Oktober in Berlin. So sammelte die selbstorganisierte Bürgerinitiative gegen TTIP europaweit bereits knapp 2,5 Millionen Unterschriften gegen TTIP. Bei den dezentralen Aktionstagen beteiligten sich in der Regel mehr Protestierende als vorher erwartet. Zuletzt gingen rund 40.000 Menschen gegen den G7-Gipfel in München auf die Straße – ein zentrales Motto der Demo war »TTIP stoppen«. Allerdings ist die Demo am 10.10. kein Selbstläufer. Wichtig ist es in dieser Phase vor allem, Anreisemöglichkeiten aus den einzelnen Städten zu schaffen. Zwar sind im Bündnis mehrere Sonderzüge im Gespräch. Doch diese alleine reichen nicht aus, um die Demo groß werden zu lassen.
Du bist aktiv in der LINKEN in Münster. Wie habt ihr euch in den Protest gegen TTIP eingebracht?
Wir haben vor ungefähr einem Jahr angefangen, das Thema breit im Kreisverband zu diskutieren. Es fanden Vorträge und Diskussionsabende zu dem Thema statt. Unter den Genossinnen und Genossen gibt es eine starke Ablehnung des TTIP-Projektes und es liegt eine hohe Bereitschaft vor, in dieser Frage aktiv zu werden. So wurden beispielsweise zahlreiche Unterschriften an Infoständen gesammelt. DIE LINKE spielte auch bei der Gründung des Bündnisses »Münster gegen TTIP« eine wichtige Rolle. Seitdem bringen sich LINKE-Aktive kontinuierlich in die Arbeit des Bündnis ein und bringen ihre Erfahrungen aus der Parteiarbeit mit: So zum Beispiel bei der Durchführung von Plakatieraktionen oder in der lokalen Pressearbeit.
Viele Ortsgruppen der LINKEN haben das Problem das sie zu wenig Aktive haben, um ein solches Projekt zu stemmen. Wie war das bei euch?
Das Problem gibt es auch bei uns. Gerade, wenn parallel mehrere Projekte laufen und daher viel Arbeit auf wenige Schultern verteilt ist. Wir versuchen daher, bewusst Schwerpunkte zu setzen und über einen längeren Zeitraum zu planen. Meine Erfahrung ist: Sind die ersten Schritte gemacht und die ersten Aufgaben verteilt, ist es viel einfacher, mehr Aktive für die Mitarbeit zu gewinnen. Dafür ist eine breite Diskussion notwendig. Die Diskussion muss ehrlich geführt werden, also auch darüber gesprochen werden, welche Projekte man im gleichen Zeitraum nicht bearbeiten kann.
Wie habt ihr eure Mitglieder genau motiviert?
Das beste Argument zum mitmachen ist es, wenn die Leute sehen, dass »etwas läuft«. Das gilt vor allem für Mitglieder, die bisher passiv geblieben sind. Unsere Kampagne gegen TTIP stellt uns vor ganz unterschiedlichen Aufgaben und wir machen die offenen Aufgaben der Mitgliedschaft gegenüber transparent. Zum Beispiel: Wer kann sich vorstellen, einen Vortrag zum Thema zu halten? Wer hätte Lust, einen Infostand vorzubereiten? Welche Ideen haben wir für einen linken Demo-Auftritt und wie setzen wir es um?
In vielen Orten erscheint DIE LINKE gefangen in einer Fixierung auf Wahlkämpfe, Wahlen und Parlamente. Warum hat für euch das Engagement für einen außerparlamentarischen Protest eine so große Bedeutung in der lokalen Arbeit?
Ganz pragmatisch gesehen lernen wir so auch außerhalb von Wahlkämpfen sehr viele Menschen kennen, die mit der LINKEN sympathisieren und häufig auch Lust haben, bei der LINKEN mitzumachen. Der Empörungsgrad über TTIP ist in der Bevölkerung enorm und DIE LINKE vertritt hier mit Abstand die konsequenteste Position. Zum anderen lässt sich TTIP nur verhindern, wenn es gelingt, eine starke Bewegung auf die Beine zu stellen. Das zeigt auch der bisherige Verlauf der Verhandlungen in Brüssel und Washington. Trotz kritischer Umfragen und teilweise auch kritischen Medienberichten machen die Akteure genauso weiter wie bisher. Was fehlt ist ein größerer Druck von der Straße.
Was plant ihr in den nächsten Monaten?
Wir wollen mit möglichst vielen Menschen aus Münster am 10.10. zur Großdemo nach Berlin fahren. Wir loten hierfür gerade Anreisemöglichkeiten aus und wollen den Demo-Termin in Münster bekannt machen. Hierfür planen wir von »Münster gegen TTIP« für den 19.9. eine »Warm-Up«-Demonstration durch Münster. Außerdem planen wir von der LINKEN für den 3.10. eine große »TTIP-stoppen«-Konferenz, wo wir ein inhaltliches Angebot schaffen wollen.
(Die Fragen stellte Yaak Pabst)
Foto: campact
Schlagwörter: CETA, DIE LINKE, Europa, Freihandelsabkommen, Imperialismus, Inland, Marxismus, TTIP