Die Bundesregierung verfolgt in Europa weiter kompromisslos ihre Austeritätspolitik, dabei fürchtet sie eine Pleite Griechenlands genauso wie einen Erfolg der neuen Regierung. Von Catarina Príncipe. Übersetzung: David Paenson
Deutschland hat allen Verhandlungen mit der neuen griechischen Regierung eine Absage erteilt. Die Europäische Zentralbank (EZB) akzeptiert Staatsanleihen aus Griechenland nicht mehr als Sicherheit, weil es angeblich keine Garantie gibt, dass die Regierung den »Anpassungsplan« erfüllen wird. Das bedeutet zwar noch nicht, dass Griechenland sofort aus der Eurozone gedrängt wird, weist aber in diese Richtung.
Um die Motive hinter dieser abweisenden Haltung und die verschiedenen Interessen zu verstehen, müssen wir uns die besondere Beziehung Deutschlands zum Euro anschauen. Das erklärte Ziel der Eurozone war es, eine starke Währung zu schaffen, auf deren Grundlage ein einheitlicher europäischer Finanzblock mit den USA und China konkurrieren kann.
Doch dieser »einheitliche« Block besteht aus konkurrierenden Nationalstaaten. Und die großen Industrienationen im Zentrum haben ein lebhaftes Interesse daran, die Peripheriewirtschaften in Abhängigkeit zu halten.
Mit der Einheitswährung ging eine Abwertung der D-Mark im Verhältnis zu den übrigen Nationalwährungen einher. Das senkte den Wert der Arbeitskraft in Deutschland und damit die Preise für deutsche Industriegüter, die dadurch auf den Weltmärkten konkurrenzfähiger wurden. Die umgekehrt daraus resultierende Überbewertung der Währungen der südlichen Länder Europas schwächte deren Wirtschaft und schuf zugleich zusätzliche Importmärkte für ausländische Produkte – vor allem aus Deutschland.
Deutschland zieht also aus der Mitgliedschaft Griechenlands in der Eurozone einen klaren Vorteil, ein »Grexit«, also der Ausschluss des Landes aus der Währungsgemeinschaft, liegt nicht in seinem wirtschaftlichen Interesse. Nichtsdestotrotz droht Kanzlerin Merkel gerade mit einem solchen Szenario. Wieso?
Der Wahlsieg von Syriza und der Aufstieg von Podemos in Spanien bringen die Bundesregierung in eine Zwickmühle. Wenn sie deren Forderungen nach einem Ende der Austeritätspolitik nachgibt, würde sie nicht nur die Stabilität des deutschen Finanzsystems aufs Spiel setzen. Es wäre ein Eingeständnis, dass die Kahlschlagpolitik ein absolutes Desaster ist. Das könnte einen Dominoeffekt in Gang setzen, der linken Kräften mit ihrer Forderung nach einer grundlegenden Neugestaltung der Europäischen Union mehr Auftrieb verschafft. Andererseits würde ein Grexit wahrscheinlich eine Verschärfung der Wirtschaftskrise in Deutschland und damit eine weitere gesellschaftliche Polarisierung nach sich ziehen. Merkel ist sich bewusst, dass in solch einer Situation ein Aufstieg der Linken nur mit einer Stärkung der Rechten zu verhindern ist. In Frankreich, England und Deutschland haben konservative Kräfte die Oberhand, während die Linke Griechenlands trotz starker gesellschaftlicher Polarisierung bei den Wahlen keine absolute Mehrheit erreicht hat.
Auf der anderen Seite des Atlantik hat US-Präsident Obama vorsichtige Unterstützung für die griechische Regierung signalisiert, indem er sagte, die Zeit der Kürzungspolitik in Europa sei vorbei, es müsse jetzt Kurs auf Wachstum genommen werden. Aber was ist Obamas Motivation, eine linke Regierung zu unterstützen? Die USA haben kein Interesse an einer Krise des europäischen Finanzsystems. Das würde die Ziele des transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP gefährden, die wirtschaftliche Position sowohl der USA als auch der EU zu stärken.
Zudem wäre, wenn alle anderen Optionen scheitern, die Finanzierung Griechenlands durch Russland möglich. Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hat eine Einladung Putins nach Moskau für den kommenden Mai angenommen. Dieses Druckmittel kann Athen in der Hoffnung einsetzen, Deutschland zum Einlenken zu bewegen. Angesichts der Lage in der Ukraine will Obama verhindern, dass Putin einen weiteren Verbündeten auf dem europäischen Kontinent gewinnt, vor allem wenn dieser der EU angehört.
Trotzdem wäre es naiv, anzunehmen, dass sich Obama mit einer linken Regierung abfinden könnte, die das Potenzial hat, einen politischen Orkan quer durch Europa zu entfachen. Die Gefahr, die Syriza für die politische und wirtschaftliche Hegemonie des europäischen Kapitalismus darstellt, ist ihm sehr wohl bewusst.
Die noch unbeantwortete Frage lautet, ob Obama und Merkel einen Weg finden, um weiteres Wachstum und neue Erfolge der Linken zu verhindern und gleichzeitig Russland aus dem Spiel herauszuhalten.
Und hier stellt sich auch die wichtige Frage für die Linke: Wie soll ein Aufstieg der Rechten verhindert werden, der eine viel bessere Lösung für alle beteiligten Kräfte wäre – ausgenommen natürlich der normalen Menschen in Griechenland und Europa.
Syrizas Entscheidung, ihr Wahlprogramm nicht um die Frage der Währung und eines Austritts aus der EU herum zu bauen, stärkt hier ihre Position. Sollte Griechenland zu einer Rückkehr zur alten Landeswährung gezwungen werden – was die Löhne weiter fallen ließe – würden die Menschen in Griechenland das den europäischen Eliten und nicht Syriza ankreiden. Anfang Februar kamen 15.000 in Athen zusammen, um die Regierung und ihre Verhandlungsstrategie zu unterstützen. Syriza wird starke Mobilisierungen der Bevölkerung brauchen, um standhaft zu bleiben. Die griechische Gesellschaft bleibt tief gespalten und der Sieg der Linken könnte schnell in sein Gegenteil kippen, sollte Syriza ihre Wahlversprechen nicht erfüllen.
Weitere Demonstrationen zur Stärkung der Regierung sind geplant. Manche fordern einen Volksentscheid darüber, ob die Regierung die Verhandlungen überhaupt fortsetzen sollte. Weitere Unterstützungsaktionen müssen in den kommenden Wochen und Monaten folgen, um die Bewegung wiederzubeleben und die Verhandlungsposition der Regierung gegenüber ihren Kreditgebern zu stärken. International sind Solidaritätsaktionen ebenfalls notwendig: Demonstrationen, Streiks und Spenden an Solidaritätsorganisationen.
Die deutsche Linke steht vor einer klaren Herausforderung: Aktiver Widerstand gegen Merkels Verarmungspolitik ist bitter nötig.
Sie darf nicht in die Falle tappen, die eigene Wirtschaft aus Angst vor einer Krise infolge eines Grexit zu verteidigen. Widerstand muss auf allen Ebenen stattfinden.
Nur eine organisiert Linke kann den Mythos des Euro entzaubern und der Bevölkerung Europas eine Perspektive bieten.
Foto: indeedous
Schlagwörter: Angela Merkel, EZB, Grexit