Am 9. November verhinderten 5000 Menschen den Aufmarsch von Pegida mit 100 Personen in der Münchener Innenstadt. Ein großer Erfolg. Ganz anders zwei Tage zuvor in Berlin: 4000 folgten der AfD und marschierten ungehindert. Angesichts wachsender Hetze gegen Geflüchtete ein Riesenproblem, meint Max Manzey
Die AfD wollte mit einer bundesweiten Mobilisierung nach Berlin Bundeskanzlerin Angela Merkel die »rote Karte« für ihre – aus Sicht der AfD – zu liberale Flüchtlingspolitik zeigen. Zunächst sah alles nach einer Niederlage für die AfD aus: Hatten sie ursprünglich 10.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer für ihren Marsch durch die Innenstadt angemeldet, korrigierten sie eine Woche vor der Demo auf 5000 runter.
Gleichzeitig gründete sich aus verschiedenen antifaschistischen Gruppen das #stoppafd-Bündnis, um den rassistischen Aufmarsch zu blockieren. DIE LINKE rief neben den Blockaden auch zusammen mit den anderen Parteien (Grüne, SPD und CDU) zu einer Kundgebung am Brandenburger Tor auf.
AfD konnte marschieren
Doch am Ende des Tages stand eine herbe Niederlage für die antirassistische Bewegung: Geschützt durch teilweise massive Polizeigewalt konnte die AfD mit 4000 Menschen ungestört Unter den Linden zum Hauptbahnhof ziehen. Das #stoppafd Bündnis brachte nur etwa 2500 Leute dagegen auf die Straße und die Blockadeaktionen scheiterten. Die Kundgebung der Parteien vor dem Brandenburger Tor mit wenigen hundert Personen war zahnlos und setzte der AfD-Demonstration nichts entgegen.
Neben der kurzen Mobilisierungszeit war die Trennung der Gegendemonstrationen in ein radikaleres Blockadebündnis und ein gemäßigteres Kundgebungsbündnis eine zentrale Schwäche. Das war auch die Erfahrung von »Dresden Nazifrei« vor einigen Jahren: Erst mit einem breiten, aber entschlossenen gesellschaftlichen Bündnis konnte der größte Naziaufmarsch Europas 2010 durch zivilen Ungehorsam erstmals verhindert werden.
Pegida – Rassismus auf der Straße
Auch wenn die Erfahrung von »Dresden Nazifrei« wichtig ist, haben wir heute eine andere politische Situation mit neuen Herausforderungen als vor fünf Jahren. Die Gesellschaft polarisiert sich immer weiter: Während eine aktuelle Studie aufzeigt, dass 7,5 Millionen Menschen sich in den letzten Monaten für Geflüchtete engagiert haben und immer wieder Tausende gegen Rassismus auf die Straße gehen, erleben wir auf der anderen Seite den Aufstieg der AfD, die nach aktuellen Umfragen DIE LINKE einholen konnte und bundesweit in Umfragen bei 10 Prozent steht.
Auch Pegida in Dresden konnte bisher nur einmal (mit Hilfe von Herbert Grönemeyer) geschlagen werden. Beim Geburtstag von Pegida gingen wieder 20.000 Menschen in Dresden gegen die »Islamisierung des Abendlandes« auf die Straße. Bis Ende Oktober gab es fast 600 Straftaten gegen Asylunterkünfte in diesem Jahr – Tendenz steigend.
Koalition spielt AfD und Pegida in die Hände
Dies erinnert nicht nur an die Situation Anfang der 90er Jahre, als es Pogrome gegen Flüchtlingsheime gab, sondern deutet auch auf das hin, was in anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Österreich oder Ungarn schon lange zum politischen Alltag gehört: Eine wachsende rassistische bis faschistische Bewegung mit Straßenmobilisierungen, rechter Gewalt und der AfD als mögliches organisatorisches Zentrum und parlamentarischer Arm.
Geschürt wird der Rassismus durch die große Koalition. Innerhalb von nur einem Monat beschloss sie zwei Asylrechtsverschärfungen, die letztendlich nur Pegida und der AfD in die Hände spielen. In diesem politischen Klima fühlen sich die rassistischen Organisationen pudelwohl und können ihre Bewegung kontinuierlich aufbauen.
Die Antworten der Linken
Die Linke – im engeren Sinne die Partei und im weiteren Sinne die gesellschaftliches Linke – muss darauf zwei Antworten geben. Die soziale Frage von links zu beantworten und eine Umverteilung von Reichtum zu fordern ist die eine. Um zum Beispiel zu garantieren, dass Wohnraum, Arbeitsplätze, Bildung für alle zu bezahlbaren Bedingungen zur Verfügung stehen. Den erstarkenden Rassismus durch Gegenmobilisierungen zu konfrontieren und die Hoheit über Straßen, Plätze und Stammtische zu gewinnen ist die andere. Beides muss passieren, um den rassistischen Durchmarsch zu verhindern.
In den nächsten 2 Jahren stehen 8 Landtags- und die Bundestagswahl an. Nach aktuellen Umfragen könnte die AfD Ende 2017 13 Landtags- und eine Bundestagsfraktion kontrollieren – inklusive der gesamten Infrastruktur, die damit einhergeht und die sie für den Aufbau ihrer Bewegung nutzen kann. Dies muss die Linke mit aller Kraft verhindern.
Ein breites und entschlossenes Bündnis
Mit aller Kraft bedeutet: Wir brauchen ein breites gesellschaftliches Bündnis, das sich dieser Entwicklung entgegenstellt und die Flüchtlingshelfer mit den Erfahrungen der antirassistischen und antifaschistischen Organisationen verknüpft. Dieses Bündnis sollte sowohl versuchen, durch Medien und kulturelle Events eine antirassistische Gegenöffentlichkeit aufzubauen, als auch die geistigen Brandstifter von AfD und Pegida zu konfrontieren und ihre Aufmärsche und Parteitage zu blockieren.
Dafür muss sich die gesellschaftliche Linke verschiedene Erfahrungen anschauen und aus ihnen lernen: Wie konnte in den 70er Jahren der Aufstieg der NPD durch ein kulturelles Gegenprojekt – »Rock gegen Rechts« – verhindert werden? Wie können wir die Erfahrung von »Dresden Nazifrei« für heute fruchtbar machen? Wie konnte ein drohender Wahlsieg der FPÖ in Wien kurzfristig verhindert werden? Diese Erfahrungen sollten wir jetzt diskutieren und daraus schnell die richtigen Schlüsse ziehen. Die Linksfraktion im Bundestag richtet am 28. November in Berlin eine Aktiven- und Helferkonferenz aus, die ein Brennpunkt einer solchen Debatte sein könnte.
Foto: JamesReaFotos
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