Die Beschäftigten der Gebäudereinigungsbranche haben mit ihrem Streik 2009 gezeigt, dass sie die Arbeitsverdichtung und Kettenbefristungen nicht mehr kampflos hinnehmen. Nun stehen die Zeichen wieder auf Arbeitskampf. Wir sprachen mit der Gebäudereinigerin und freigestellten Betriebsrätin Petra Vogel. Interview: Daniel Kerekeš
Momentan laufen die Tarifverhandlung im Gebäudereinigungshandwerk. Worum geht es euch konkret?
Zum einen geht es natürlich um höhere Löhne für die 550.000 Beschäftigten unserer Branche. Wir fordern für die unterste Lohngruppe 80 Cent mehr in der Stunde und für die höheren Lohngruppen eine Erhöhung um 6,4 Prozent. Außerdem verlangen wir endlich konkrete Schritte zur Angleichung des Lohnniveaus in Ost- und Westdeutschland. Bisher erhalten die Beschäftigten im Osten nur den Mindestlohn von 8,50 Euro, während es im Westen 9,55 Euro in der Stunde sind. Neben der Frage besserer Löhne geht es uns aber auch um ein sofortiges Ende der Arbeitsverdichtung. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass wir seit Jahren zwei Hauptforderungen haben: Erstens »Sauberkeit hat ihren Preis«, weshalb wir einen bundesweiten Mindestlohn von zehn Euro fordern. Und zweitens »Sauberkeit braucht ihre Zeit«, weshalb wir gegen eine weitere Arbeitsverdichtung kämpfen.
Wie äußert sich die zunehmende Arbeitsverdichtung in eurem Beruf?
Wir fordern ein Ende dessen, was wir als »Turbo-Putzen« bezeichnen. Das bedeutet konkret, dass die Fläche, die in einer vorgegebenen Zeit gereinigt werden muss, nicht weiter durch die Arbeitgeberseite erhöht werden darf. Das ist nämlich gängige Praxis und führt dazu, dass eine ausgehandelte Lohnsteigerung faktisch keine mehr ist, weil im Gegenzug deutlich mehr geputzt werden muss. Eine Beschäftigte hat zum Beispiel drei Stunden Zeit eine Krankenhausstation zu reinigen. Wird der Lohn dann um 50 Cent je Stunde erhöht, reagiert der Arbeitgeber darauf, indem er ihr weitere 50 qm Putzfläche zuweist. Das »Turbo-Putzen« hat dadurch in den letzten Jahren immer mehr zugenommen.
Die Arbeitgeber behaupten, dass es so etwas wie »Turbo-Putzen« nicht gäbe. Lügen sie?
Natürlich gibt es das »Turbo-Putzen«. Das erleben mindestens drei Viertel der Beschäftigten tagtäglich. Oft geht das damit einher, dass Beschäftigte in andere Objekte versetzt werden und die verbliebenen Kolleginnen und Kollegen das nun offene »Revier« mitputzen müssen. Als ich vor 28 Jahren in der Gebäudereinigung angefangen habe, habe ich in der normalen Unterhaltsreinigung im Krankenhaus gearbeitet. Da habe ich zwischen 140 und 160 qm in der Stunde geputzt. Mittlerweile sind es 250 bis 300 qm pro Stunde, die eine Kollegin oder ein Kollege dort putzen muss. Und damit ist nicht nur der Boden gemeint, sondern auch Fenster, Fensterbänke, Nasszellen, Duschen, Toiletten, Stühle, Tische und so weiter. Es gibt eine von der IG BAU in Auftrag gegebene Studie, welche untersucht hat, wie viel Putzfläche ein Mensch mittleren Alters ohne nennenswerte Erkrankungen schafft. Damals hat der Arbeitgeberverband versucht die Veröffentlichung der Studie zu verhindern, denn das Ergebnis war, dass heutzutage Raubbau an unserer Gesundheit betrieben wird.
Seid ihr bereit für eure Forderungen zu streiken?
Ich muss keinen Streik haben, aber inzwischen haben wir drei Verhandlungsrunden hinter uns. Jetzt haben die Arbeitgeber endlich ein Angebot vorgelegt. Das beinhaltet jedoch noch viel zu wenig. Sie bieten nur drei Prozent – sowohl im Osten als auch im Westen – und das bei 26 Monaten Laufzeit. Das bedeutet also lediglich eine Lohnerhöhung von 1,3 Prozent pro Jahr – ein Hauch von Nichts. Gleichzeitig behaupten die Arbeitgeber, dass sie überhaupt kein Mandat hätten, über die zunehmende Arbeitsverdichtung zu verhandeln. Darüber müsse in den Landesinnungen verhandelt werden. Aber selbst wenn das so ist, müssten die Arbeitgeber dort jetzt aktiv werden. Wir hoffen, dass bei der vierten Tarifrunde, die nun im Oktober in Essen stattfindet, ein besseres Angebot zustande kommt, das auch eine Regelung zur Arbeitsverdichtung und zur Angleichung der Löhne im Osten enthält. Falls nicht, sind wir aber auch bereit zu streiken.
Die überwiegende Teil der Beschäftigten im Reinigungsbereich ist weiblich und viele haben einen Migrationshintergrund. Welche Auswirkungen hat das auf die Ziele und die Strategie der Gewerkschaft?
Ungelernte Reinigungskräfte, bei denen es sich zumeist um Frauen handelt, sind für die Arbeitgeber natürlich praktisch. Sie sind günstiger und werden meist nur in Teilzeit angestellt. Ihre Arbeit wird überhaupt nicht angemessen gewürdigt. Deshalb geht es uns auch nicht nur um mehr Geld, sondern um ein Ende der Stigmatisierung, im Sinne »das sind doch nur Putzfrauen«. Wir putzen ja nicht einfach so, sondern nach einem bestimmten Plan. Man muss wissen, wo welche Putzmittel eingesetzt werden dürfen, die Keimbelastung in Krankenhäusern muss beachtet werden und vieles mehr. Wir fordern daher auch eine Anerkennung unserer Qualifizierung und unseres Berufsstandes. Der hohe Anteil von Migrantinnen und Migranten in unserem Gewerbe stellt uns als Gewerkschaft vor zusätzliche Herausforderungen. Einige von ihnen sprechen die Sprache nicht sehr gut, was dazu führt, dass sie ihre Rechte nicht wahrnehmen und einfordern. Deshalb ist es besonders wichtig, dass wir auch sie für eine gewerkschaftliche Organisierung gewinnen. Im Streik 2009 schickte die IG BAU Dolmetscherinnen und Dolmetscher mit zu den Streikaktionen. So konnten wir auch diejenigen ansprechen, die kein Deutsch verstehen.
Der Streik 2009 war der erste bundesweite Arbeitskampf der Gebäudereinigerinnen und Gebäudereiniger in der Geschichte der Bundesrepublik. Obwohl der gewerkschaftliche Organisationsgrad in der Branche damals unter zehn Prozent lag, waren die Kolleginnen und Kollegen erfolgreich. Wie habt ihr das geschafft?
Wir haben damals in einem zweiwöchigen Arbeitskampf eine deutliche Lohnerhöhung und eine höhere Anerkennung unseres Berufsstandes erstreikt. Vor allem aber haben wir bewiesen, dass wir kämpfen können. Die Arbeitgeber haben nicht mit unserer guten Mobilisierung der Basis gerechnet. Zudem standen Presse und Bevölkerung hinter uns. Das hat uns sehr geholfen. Mittlerweile sind aber auch viel mehr Kolleginnen und Kollegen in der Gewerkschaft organisiert. Wir sind seit 2009 von 42.000 auf heute 61.000 Mitglieder gewachsen. Das ist für mich der beste Beweis, dass sich der Streik gelohnt hat. Und in den aktuellen Tarifverhandlungen spürt man, dass wir an Stärke und Selbstbewusstsein gewonnen haben. Dennoch stehen wir natürlich bei der Organisierung der Kolleginnen und Kollegen immer wieder vor Problemen: Sprachbarrieren oder auch Angst sind Motive, nicht aktiv zu werden. Aufgrund der vielen befristeten Arbeitsverträge in unserer Branche trauen sich sehr viele Kolleginnen und Kollegen nicht, ihren Mund aufzumachen, weil ihr Vertrag sonst einfach nicht verlängert wird und sie ohne Job dastehen. Das macht in vielen Betrieben die Arbeit der Betriebsräte fast unmöglich. Es gibt Firmen, in denen drei Viertel der Angestellten befristet beschäftigt sind.
Wie kann man euch in eurer Tarifbewegung unterstützen?
Die nächste Verhandlungsrunde findet am 13. Oktober in Essen statt. Dort sind vor dem Verhandlungsort Aktionen geplant. Für die Kolleginnen und Kollegen wäre es klasse, wenn so viele Aktivistinnen und Aktivisten wie möglich dort ihre Unterstützung demonstrieren. Es muss zudem viel Öffentlichkeitsarbeit geleistet werden. Wir müssen unsere Forderung überall hintragen und klar machen, dass unsere Arbeit mehr wert ist. DIE LINKE sollte vor Ort den Kontakt zu den Sekretärinnen und Sekretären der IG BAU suchen und sich mit ihnen absprechen, wie eine weitere Unterstützung aussehen könnte. Das kann von der Teilnahme an Gewerkschaftskundgebungen bis hin zur Gründung von Solidaritätskomitees, wie sie in Berlin an den Universitäten während des Streiks 2009 existierten, reichen. Die Solidarität und Unterstützung aus der Bevölkerung war damals ein wichtiger Faktor. Daran wollen wir anknüpfen.
Foto: kohlmann.sascha
Schlagwörter: Arbeitskampf, Gewerkschaft, Gewerkschaften, Inland, Streik, Tarifauseinandersetzung