Noch auf der Suche nach einem passenden Weihnachtsgeschenk? Der Kalender »Wegbereiterinnen« stellt Aktivistinnen vor, die für Gleichberechtigung und ein Leben ohne Unterdrückung und Armut gekämpft haben. Wir sprachen mit der Herausgeberin Gisela Notz.
Gisela, hierzulande kennt wahrscheinlich fast niemand Nuriye Ulviye Mevlan. Warum sollten wir uns mit ihr beschäftigen?
Weil sie eine ungewöhnliche Frau war: Sie hat vor über hundert Jahren feministische Arbeit in der heutigen Türkei gemacht und eine Frauenuniversität gegründet – also zu einer Zeit, in der wir uns das Land noch als sehr rückständig vorstellen. Deshalb wünsche ich mir, dass sich Leute mit Mevlan beschäftigen, und habe ihr ein Blatt in meinem neuen Kalender »Wegbereiterinnen 2016« gewidmet. Darin stelle ich Frauen aus der ganzen Welt vor, die für mehr Gleichberechtigung, für ein anderes Geschlechterverhältnis und für ein Leben ohne Unterdrückung und Armut gekämpft haben.
Du gibst den Kalender »Wegbereiterinnen« nun schon im vierzehnten Jahr heraus. Welche Intention verfolgst du damit?
Als Sozialwissenschaftlerin und Historikerin versuche ich seit vielen Jahren, Frauen ins gesellschaftliche Bewusstsein zurückzuholen, die es nicht verdient haben, vergessen zu werden. Beispielsweise habe ich ein paar Bücher über Frauen in der Nachkriegszeit oder auch über die Frauenbewegung der 1970er Jahre veröffentlicht. Als ich noch bei der Friedrich-Ebert-Stiftung gearbeitet habe, kam die Idee auf, einen Kalender mit Frauenporträts zu machen. Das hat mir sofort gut gefallen. Denn mein Ansatz ist es, Wissenschaft für alle zugänglich zu vermitteln. Der Kalender soll Menschen dafür begeistern, sich mit Geschichte zu befassen.
Welche Figur aus dem diesjährigen Kalender hat dich besonders beeindruckt?
Therese Giehse – den Beitrag über sie habe ich selbst verfasst. Im Vorfeld habe ich lange überlegt, welcher Person ich dieses Mal einen Text widme. Mein Forschungsschwerpunkt sind ja eigentlich Politikerinnen. Doch der Kalender ist viel breiter aufgestellt. Hier werden Frauen aus verschiedenen Zusammenhängen wie Kunst, Literatur oder Sport vorgestellt. Deshalb habe ich mich dieses Mal für Giehse entschieden. Sie war Schauspielerin und hat zur NS-Zeit politisches Kabarett gemacht, was ihr einige Schwierigkeiten einbrachte.
Auch die Fotografin Tina Modotti finde ich spannend. Sie lebte eine Zeit lang in Mexiko und machte Fotos der einfachen, armen Bevölkerung, die Ausdruck ihrer Liebe zu Land und Leuten waren (Foto). Im Kalender sind ja hauptsächlich links-politische Richtungen vertreten, also Frauen, die aus der emanzipatorischen (Frauen-)Bewegung stammen. Da passte Modotti als Kommunistin gut rein.
Wird es weitere Kalender geben?
Das will ich doch hoffen! Es wird den Kalender noch so lange geben, wie ich ihn machen kann, solange er gekauft wird und solange andere Leute daran mitarbeiten. Momentan sieht es ganz gut aus. Ich würde die »Wegbereiterinnen« als Erfolgsprojekt bezeichnen – nicht unbedingt ökonomisch, denn da steckt viel ehrenamtliche Arbeit drin. Aber das Interesse ist groß. Der Kalender hängt mittlerweile in vielen Küchen, Wohngemeinschaften und Büros. Außerdem gibt es eine lange Liste von Personen, die für die kommenden Ausgaben etwas schreiben möchten. Der Kalender für 2017 ist beispielsweise schon jetzt voll. Das Projekt zieht also weite Kreise. Das gefällt mir am besten daran.
Hast Du nicht Sorge, dass Dir irgendwann die Protagonistinnen ausgehen?
Wie gesagt: Es kommen immer wieder Leute mit Ideen auf mich zu. Denn an kämpferischen Frauen gibt es in der Weltgeschichte keinen Mangel. Dementsprechend ist es mein Anliegen, den nationalen Rahmen viel öfter zu verlassen – wie im Fall Mevlan. In Zukunft will ich auch indische, chinesische oder lateinamerikanische Frauen aufnehmen. Ich habe also überhaupt keine Sorge, dass mir die Protagonistinnen ausgehen.
Zur Person: Gisela Notz ist Sozialwissenschaftlerin und Historikerin. Zwischen 2004 und 2010 war sie Bundesvorsitzende von pro familia, jetzt arbeitet sie im Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung mit, das den Protest gegen den jährlich stattfindenden Aufmarsch der »Lebensschützer« organisiert. Den Kalender »Wegbereiterinnen« gibt sie zum vierzehnten Mal heraus.
Der Kalender: Gisela Notz (Hrsg.): Wegbereiterinnen XIV – Frauenkalender 2016, AG SPAK Bücher, Neu-Ulm 2015, 14 Seiten (DIN A3), 14,50 Euro.
Foto: „Tina Modotti – Two Women from Tehuantepec with jicalpextle – Google Art Project“ von Tina Modotti (1895 – 1942) (Italian) (Photographer, Details of artist on Google Art Project) – UAEVx5kh9fzHmw at Google Cultural Institute, zoom level maximum. Lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia Commons
Schlagwörter: Feminismus, Frauen, Frauenbewegung