Konzerne beuten das wachsende Umweltbewusstsein von Konsumenten aus. Kathrin Hartmann beschreibt die Tricks
Kathrin, wie viele Quadratmeter Regenwald hast du heute vormittag schon gerettet?
Tja, da muss ich leider passen. Ich habe heute keinen Kasten Krombacher getrunken, Bier bekommt mir vormittags nicht so gut …
Krombacher greift mit Aktionen wie »Für jeden Kasten Bier wird ein Quadratmeter Regenwald unter Schutz gestellt« das berechtigte Bedürfnis vieler Menschen auf, etwas für die Umwelt zu tun. Aber funktioniert das?
Nein. Krombacher spendet lediglich pro Kasten ein paar Cent an den WWF für ein Regenwaldprojekt im Kongobecken. Das steht neuerdings im Kleingedruckten, nachdem Krombacher wegen irreführender Werbung verklagt wurde. Angeblich kann der WWF mit den gesammelten Spenden 83 Millionen Quadratmeter Regenwald schützen.
Aber erstens entspricht das einer Fläche, die nur ein wenig größer ist als der Chiemsee – so viel Regenwald wird weltweit in nur fünf Stunden abgeholzt. Zweitens ist in dem entsprechenden Schutzgebiet nicht der Holzeinschlag das Problem, sondern die Wilderei von Elefanten. Drittens müsste man mehr als hundert Kästen Krombacher trinken, um auf eine Spende im Gegenwert von zehn Euro zu kommen.
Offenbar geht es Unternehmen wie Krombacher nicht um die Umwelt. Aber was steckt dann hinter solchen Aktionen?
Die Geschäftsführer des Unternehmens sagen selbst, dass sie Bier verkaufen möchten. Das wollen sie aber auch an Leute, denen Umweltschutz egal ist: Krombacher präsentiert auch die Formel 1, dazu gehört ein Gewinnspiel, etwa eine Flugreise zum Großen Preis von Schanghai.
Pro Person bläst allein der Flug drei Tonnen CO2 in die Luft. Bei der Formel 1 selbst waren es im Jahr 2009 samt Flugreisen des Teams und Autoherstellung 215.588 Tonnen. Damit hat man die paar geretteten Quadratmeter Regenwald vermutlich schon wieder zunichte gemacht. Wenn ein Unternehmen Produkte, die mit Umweltschutz gar nichts zu tun haben, mit Öko-Versprechen verbrämt, nennt man das Greenwashing…
…ein Phänomen, das du in deinem Buch »Ende der Märchenstunde« anprangerst. Kannst du Beispiele für Greenwashing nennen?
Vor allem Konzerne, deren Kerngeschäft nicht im Geringsten umwelt-, klima- und sozialverträglich ist, lassen sich von ihrer PR-Abteilung ein Ökoimage zimmern. Damit wollen sie sich verbindliche Auflagen vom Hals halten, die sie zum umwelt- und sozialverträglichen Wirtschaften zwingen würden. Besonders virulent ist das bei Auto-, Energie-, Chemie-, Luftfahrt- und Mineralölkonzernen.
Berühmtestes Beispiel: der Mineralölkonzern BP. Der änderte zunächst den Namen von British Petroleum zu Beyond Petroleum (»Jenseits von Erdöl«), was suggerieren sollte, dass sich BP vor allem um die Entwicklung alternativer Energiequellen kümmern will. Im Vergleich zum Ölgeschäft ist aber das Geschäftsfeld »Alternative Energies« winzig. Wie verheerend die Auswirkungen des Kerngeschäfts sind, kann man im Golf von Mexiko sehen. Lustiges Greenwashing betreibt auch die deutsche Atomlobby – die erreicht man unter der Internetadresse www.klimaschuetzer.de. Auf ihren Plakaten sieht man Atomkraftwerke neben Windparks und Solaranlagen, darüber steht »Klimaschützer unter sich«. Mit der Behauptung, Kernkraft sei klimafreundlich, wollen die Energiekonzerne den Atomausstieg verhindern, weil ihnen jedes laufende AKW Milliarden Zusatzgewinne bringt.
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Was ist aber mit originär »grünen« Firmen wie Bionade oder dem Bodyshop?
Bionade ist nicht originär grün. Der Name sollte nur das biotechnische Herstellungsverfahren bezeichnen, eine Biolimo war nicht geplant. Aber weil nach der EU-Ökoverordnung Bio drin sein muss, wo Bio draufsteht, und die Einführung eines neuen Namens zu teuer gewesen wäre, bemühte sich die Brauerei um das Bio-Siegel. Viele der Zutaten kommen aber von so weit her, dass man das nicht gerade als ökologisch bezeichnen kann: Orangen, Ingwer und Litschi. Bionade ist reine Inszenierung. Der Start der Kampagne »Das offizielle Getränk einer besseren Welt« fiel ausgerechnet mit dem G8-Gipfel in Heiligendamm zusammen.
Bodyshop gehört heute zum hochkritisierten Konzern L’Oreal, sah sich aber schon vor zehn Jahren Vorwürfen ausgesetzt – etwa dass der faire Handel nur einen Bruchteil des Umsatzes ausmacht und dass viele Weltrettungsbehauptungen übertrieben sind.
Trotzdem: Ist es nicht besser, beispielsweise fair gehandelten Kaffee zu kaufen als gar nichts zu tun?
Der faire Handel ist ein tolle Einrichtung – aber er kann nicht die Weltwirtschaft ändern. Im Gegenteil verdankt sich der Aufstieg des fairen Handels nicht der Tatsache, dass ganz viele überzeugte Menschen in Weltläden einkaufen, sondern dass Supermärkte und Discounter faire Produkte vertreiben und Konzerne wie Nestlé einen kleinen Teil ihrer Rohstoffe fair einkaufen. Das ist zynisch: Denn es sind ja vor allem große Konzerne, Handelsketten und Discounter, die durch ihren Preisdruck und die gnadenlosen Lieferbedingungen die Produzenten weltweit in Armut und Abhängigkeit halten. Die haben nicht ihr Wirtschaften geändert, sondern die Produkte zusätzlich ins Sortiment genommen. Ihren Profit machen sie weiterhin mit Ausbeutung. Und wenn die fairen Produkte nicht genug Gewinn bringen, werden sie aussortiert. Deswegen ist der Anteil fair gehandelter Bananen im Jahr 2009 um elf Prozent gesunken. Auch das kommt bei den Bauern an!
Gegenwärtig wird viel über die Verlängerung der AKW-Laufzeiten debattiert. Könnten wir das Problem nicht einfach lösen, wenn wir alle zu Ökostromanbietern wechseln würden?
Klar wäre es toll, wenn alle Ökostrom nutzen würden – es wäre eine der ganz wenigen Möglichkeiten, über Konsum etwas zu bewirken. Das wird aber nicht passieren. Gegenwärtig tun das nur etwa drei Prozent der Haushalte. Außerdem ist der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht durch die Nachfrage entstanden, sondern durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das die Energieriesen dazu zwingt, Ökostrom in die Netze einzuspeisen und zu vergüten. Der Atomausstieg ist nur politisch zu erreichen: Die Netze sind immer noch vollgestopft mit Kohle- und Atomstrom – was dazu führt, dass manche Windräder stillstehen.
Du glaubst also, es ist nicht möglich, konsequent ökologisch und nachhaltig zu konsumieren?
Es ist jedenfalls nicht so einfach, wie die Ratgeber zur Weltrettung mittels Konsum behaupten. Konsum bedeutet: Dinge kaufen, verbrauchen oder wegschmeißen. Er ist der Motor des ressourcenintensiven Wirtschaftswachstums, das eben jene Probleme verursacht, die man durch Kauf ethisch irgendwie besserer Dinge beheben will. Tatsächlich müsste es darum gehen, wesentlich weniger zu konsumieren, Dinge so lange wie möglich zu benutzen und zu teilen. Außerdem sind Angebot, Nachfrage und Weltprobleme nicht deckungsgleich – es gibt nicht für jedes »schlechte« Produkt einen »korrekten« Ersatz, sondern allenfalls die etwas bessere Alternative.
Ein Gutteil des »nachhaltigen Konsums« ist persönlicher Ablasshandel: Man isst für’s gute Gewissen brasilianisches Biorindersteak, für das Regenwald gerodet wird, Bioerdbeeren im Februar, wegen deren Anbau der Grundwasserspiegel in Südspanien sinkt, oder man kauft Biobaumwollunterhosen, die in Sweatshops genäht werden. Wenn man nur ethisch verbrämten Ersatzkonsum betreibt, ändert das nichts, sondern es erhält das System – das ist das einzig Nachhaltige daran.
Kann sich denn überhaupt jeder leisten, nachhaltig zu konsumieren?
Zielgruppe des nachhaltigen Konsums sind die Lohas, die Anhänger des »Lifestyle of Health and Sustainability« (»Lebensstil für Gesundheit und Nachhaltigkeit«), höher gebildete Besserverdienende. Mit ihnen lässt sich viel Geld verdienen. Den Lohas dient der »bessere« Konsum nicht nur zur Beruhigung des eigenen Gewissens, sondern zur Distinktion gegenüber schlechter gestellten Schichten. Ökojeans und viele Bioprodukte sind einfach teurer.
Eklig wird es, wenn elitäre Lohas so tun, als läge ihnen die Dritte Welt am Herzen, aber mit dem Finger auf die Unterschicht zeigen. Die könnten sich ja mal ordentliche Schuhe kaufen, statt fünfmal im Jahr zum Billigladen zu gehen, heißt es dann. Das ist Heuchelei: Denn die Hartz-IV-Empfänger haben vermutlich ungewollt das umweltschonendere Leben, weil sie es sich nicht leisten können, in gigantischen Wohnungen zu leben, Auto zu fahren oder in der Welt herumzufliegen wie die Lohas.
Kürzlich haben die Grünen einen neuen Gesellschaftsentwurf vorgelegt: Green New Deal nennt sich das Versprechen, die Wirtschaftskrise zu überwinden, soziale Gerechtigkeit zu schaffen und die Umwelt zu schützen. Im Zentrum ihrer Überlegungen steht ein ökologischer Umbau der Marktwirtschaft. Kann der Kapitalismus grün und gerecht werden?
Der Green New Deal hat zwar gute Ansätze, stellt das marktliberale System aber nicht infrage. Er will durch innovative grüne Technologien das Wachstum ankurbeln. Aber auch »grünes« Wachstum ist ressourcenintensiv – und es ist keine Antwort auf Fragen der Verteilungsgerechtigkeit und der Abhängigkeit armer Länder. Weder der Freihandelsliberalismus, der für einen Gutteil der Armut des Südens verantwortlich ist, wird infrage gestellt, noch geht es um eine gerechte Umverteilung von oben nach unten: Die Macht der Wirtschaftselite wird nicht hinterfragt. Der Green New Deal bedeutet keinen grundlegenden Umbau von Gesellschaft, Wirtschaft, Handel und Arbeitswelt – aber genau der wäre nötig, um wirklich etwas zu ändern.
Dein Buch endet mit den Worten: »Wir sollten uns also lieber wieder an Bäume ketten, anstatt von Autokonzernen welche pflanzen zu lassen.« Es müsste dich doch sehr freuen, was gegenwärtig in Stuttgart passiert?
Ich weiß nicht, ob das die Revolution ist, die ich mir wünsche. Es gibt beim Stuttgart-21-Protest viele Argumente, denen ich zustimme. Aber die unterschiedlichen Motive beobachte ich mit Skepsis. Etwa, dass diejenigen, die die konservative Landesregierung gewählt haben, jetzt um Bäume weinen. Das ist schlichte »Not in my Backyard«-Mentalität (»Nicht in meinem Hinterhof«, Anm. d. Red.). Wenn eine Protestbewegung das Gemeinwohl im Blick hat und nicht nur für Interessen einer kleinen Gemeinschaft kämpft, finde ich das großartig. Deswegen bin ich sehr begeistert von der gegenwärtigen Antiatombewegung, sie ist solidarisch und kraftvoll, daraus kann Großes entstehen. Und sie ist in ihrer Forderung, Haltung und Aussage eindeutig. Grundsätzlich finde ich aber bei Stuttgart 21 gut, dass sich Bürger gegen die mächtige Wirtschaftspolitik wehren – und dass man sehen kann, wie sehr Menschenmengen auf der Straße den Politikern den Angstschweiß auf die Stirn treiben und sie in die Bredouille bringen. Einkaufen gehen macht niemandem Angst – es ist das, was Politik, Konzerne und Wirtschaftselite von uns wollen.
(Die Fragen stellte Marcel Bois)
Weiterlesen: Kathrin Hartmann: Ende der Märchenstunde. Wie die Industrie die Lohas und Lifestyle-Ökos vereinnahmt (Karl Blessing Verlag 2009).
Zur Autorin: Kathrin Hartmann ist Autorin des Buches »Ende der Märchenstunde. Wie die Industrie die Lohas und Lifestyle-Ökos vereinnahmt« . Sie war Redakteurin der Frankfurter Rundschau und bei Neon, dem jungen Magazin des Stern. Sie arbeitet als freie Autorin in München und betreibt den Blog www.ende-der-maerchenstunde.de.