Zum Artikel »Nicht in meinem Namen« von Nils Böhlke (Heft 16)
Vieles ist ja richtig in dem Artikel, insbesondere die Feststellung, dass hinter der patriotischen Begeisterung der Sinn für den Klassenkampf zurücktritt. Die Auffassung, dass der »neue Nationalismus« sich im Sinne und zur Zufriedenheit der Rechten auswirkt, erscheint mir aber zu einseitig.
In der deutschen Mannschaft spielen Menschen mit verschiedenen Migrationshintergründen. Diese Tatsache wird in dem Artikel zwar erwähnt, die Argumentation, warum das bedeutungslos sein soll, finde ich aber nicht stichhaltig. Menschen aller Herkünfte und Hautfarben malen sich die drei Farben auf die Wange oder fahren schwarz-rot-gold durch die Straßen. Seit der letzten WM wird diesem Phänomen auch mehr Raum in der Berichterstattung eingeräumt – beispielsweise durch das Einblenden dunkelhäutiger Deutschlandfans und durch Interviews mit Migranten. Das wirkt zurück auf die Vorstellung von dem, was »deutsch« ist.
Die Medien verbreiten natürlich eine massive »Wir-Stimmung«, berichten aber erstaunlich sachlich. Ein neurechter Kommentator in unserem Südhessenanzeigenblättchen hat sich gerade darüber mokiert, dass dadurch keine richtige Begeisterung erzeugt werde. So unterirdische Aussagen zum quasi genetisch angelegten Spielvermögen wie die von Böhlke zitierten kommen heute – bei Netzer, Kahn, Urs Meier und den anderen Studiogästen – eigentlich nicht mehr vor.
Die seit dem »Sommermärchen« verstärkt voranschreitende Verbreitung der nationalen Begeisterung funktioniert gerade deshalb, weil das »Multikulti« integriert wurde. Ich kann mir vorstellen, dass dies letztlich mehr zur Durchsetzung der Akzeptanz von Deutschland als Einwanderungsland beiträgt als jede politische Kampagne der Vergangenheit.
Das ist schlecht für den Klassenkampf, aber auch schlecht für Blut-und-Boden-Ideologien der Rechten, Rechtsradikalen und Rassisten.
Uli Franke, per E-Mail