Der Rohbau der Moschee in Köln-Ehrenfeld ist kürzlich fertiggestellt worden. Die extrem rechte Partei »pro Köln« mobilisiert – nach eigenen Angaben europaweit – für den 7. Mai zu Protesten gegen eine angebliche »Bedrohung« durch den Islam. Ein breites Bündnis ruft zum Widerstand gegen die rechtsextreme Demo auf. marx21 sprach mit Jörg Detjen, Fraktionsvorsitzender Die Linke im Kölner Stadtrat.
marx21: Der Moscheeneubau in Köln-Ehrenfeld hat europaweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Mittlerweile wurde der Rohbau fertiggestellt. Welchen Stellenwert hat das Gebäude für Köln und die Ehrenfelderinnen und Ehrenfelder?
Jörg Detjen: Die Moschee ist für ganz Köln ein Symbol von Toleranz und Weltoffenheit. Wer sich ein Haus baut, sagt, er will an diesem Ort leben. Die Kölnerinnen und Kölner haben dieses Symbol verstanden und sind stolz darauf, neue Freundinnen und Freunde gefunden zu haben. Das Gebäude selber ist von Böhm gebaut, einem Kirchenbauer. Er hat zum Beispiel in Köln-Vingst eine schöne, moderne Kirche gebaut. Es ist auch ein Symbol, dass er eine moderne Moschee entworfen hat. Auch wenn er den städtischen Wettbewerb gewonnen hat, muss der Investor, in diesem Fall DITIB, den Entwurf nicht umsetzen. Das haben sie aber trotzdem gemacht.
All das durfte ich als Mitglied des Beirates der Moschee mit erleben. Im Beirat sind alle demokratischen Kräfte vertreten. Als mich DITIB ansprach, war ich überrascht, habe aber sofort zugesagt, weil dies auch ein Zugehen auf die LINKE war und ist.
Und wie findest Du das Gebäude?
Der runde Bau, die transparente Architektur und die offenen Treppen, dass ist schon was ganz Besonderes. Für unseren Stadtbezirk Ehrenfeld ist das eine große, interessante Bereicherung. Wenn die Moschee erst einmal fertig ist, werden viele Menschen kommen. In der Diskussion vor dem Bau der Moschee sind die Minarette von 50 Meter auf 35 Meter begrenzt worden. Heute zeigt sich, sie hätten auch höher sein können, weil die angrenzenden Gebäude viel höher sind und die Proportion zur Kuppel besser wäre.
Du bist einer der Aktiven im Stadtteil gegen die rechte Hetze von »pro Köln« und bist aktiv im Ehrenfelder Bündnis gegen Rechtsextremismus. Wer macht da alles mit?
Wir haben gute Erfahrungen. In unserem Bündnis arbeiten von der LINKEN bis zur CDU und vom türkischen DITIB bis zur linken DIDF alle demokratisch orientierten Kräfte mit. Wenn wir Protestaktionen gegen »pro Köln« organisieren, sind auch alle Kräfte da. Das ist nicht so, dass die CDU nur auf dem Papier steht. Wichtig ist, dass unser Bezirksbürgermeister Wirges, SPD, eine sehr aktive und kommunikative Rolle spielt. Ohne ihn würden wir uns viel schwerer tun.
Warum sollten ausgerechnet Linke für den Bau religiöser Gebäude sein?
An der Stelle, wo jetzt die neue Moschee entsteht, stand vorher eine alte Fabrikhalle, die DITIB als Moschee nutzte. Nach Baurecht durfte sie da einen Neubau hinsetzen. Warum sollten wir dagegen sein?
Alle Demokraten und Antifaschisten sollten eines Bedenken: Die Religionsfreiheit ist der Artikel 4 im Grundrechte-Katalog. Dort sind zum Beispiel auch in Artikel 3 der Gleichheitsgrundsatz und in Artikel 5 die Meinungs- und Pressefreiheit als unabänderliche Grundrechte enthalten. Es geht weiter mit Artikel 8 Versammlungsfreiheit und dem Artikel 9 Vereinigungsfreiheit.
Damit will ich sagen: Das Recht auf Religionsfreiheit ist nicht irgendein Recht, sondern genauso stark verfasst wie die Koalitionsfreiheit. Man muss sich nicht zu einer Religion bekennen, als Demokrat und Linker sollte man aber dieses Grundrecht massiv verteidigen.
Trotz mehrmaliger gescheiterter Versuche ruft »pro Köln« wieder zu Protesten gegen eine angebliche »islamische Bedrohung« auf. Was planen die Rechten für den 7. Mai?
»pro Köln« will von der rechten Rheinseite auf die linke Rheinseite demonstrieren. Sie nennen das »Freiheitsmarsch«. Das hat für sie eine hohe Symbolwirkung, weil sie zur nächsten Europawahl europaweit im Bündnis mit Republikanern und anderen europäischen Rechtsparteien antreten wollen.
Wir diskutieren gerade über unsere Gegenwehr. Die wird auf jeden Fall wieder bunt und vielfältig sein. Näheres kann man jetzt noch nicht sagen. Auf jeden Fall sind alle demokratischen Kräfte alarmiert.
»pro Köln« ist ebenfalls im Kölner Stadtrat vertreten. Wie gehen die anderen Parteien und insbesondere die Fraktion Die Linke damit um? Und wie tritt »pro Köln« im Stadtrat auf?
Seit 2003 fokussiert »pro Köln« und dann später »pro NRW« ihre Politik auf das Thema »Moschee«. 2004 zog »pro Köln« mit diesem Thema in den Kölner Stadtrat ein – zu einem Zeitpunkt, wo noch gar nicht klar war, dass wir in Köln-Ehrenfeld eine wunderschöne Moschee bekommen werden.
»pro Köln« war in der Stadtgesellschaft lange Zeit total isoliert. Mit ihrer Hetze gegen Moscheen konnte sie aber ins konservative und neoliberale Lager einbrechen. Ein CDU-Bezirkspolitiker wechselte zu »pro Köln«.
Im Stadtrat kann man nicht auf jeden Antrag von denen reagieren. Normalerweise stellt man ein bis zwei Anträge pro Sitzung. »pro Köln« stellt sechs bis acht. Deshalb versuchen wir, diese rechtsextremen Demagogen punktuell zu stellen. Beispielsweise in der Februarsitzung, in der »pro Köln« die Halbierung der Fraktionszuwendungen beantragte und gleichzeitig ihr Ratsmitglied Jörg Uckermann kurz zur Sitzung erschien, sein Sitzungsgeld sicherte und wieder verschwand. Das haben wir dann angegriffen. Der Oberbürgermeister prüft jetzt den Fall.
(Die Fragen stellte Francis Byrne)
Zur Person:
Jörg Detjen, Fraktionsvorsitzender Die Linke im Kölner Stadtrat, ist aktiv in verschiedenen Gremien, Bürgerinitiativen und im Ehrenfelder Bündnis gegen Rechtsextremismus.