Warum der Protest gegen den nächsten AfD-Bundesparteitag in Braunschweig wichtig wird und Klimaaktive Teil der antifaschistischen Mobilisierung werden sollten, erklärt Daphne Weber
Daphne Weber ist Mitglied der LINKEN und in feministischen und antifaschistischen Zusammenhängen aktiv. Sie war von 2017 bis 2019 im Bundesvorstand von Die Linke. SDS. Zuletzt engagierte sie sich im Bündnis »noNPOG – Nein zum niedersächsischen Polizeigesetz.«
marx21: Am 30. November und 1. Dezember 2019 wird die AfD zu ihrem Bundesparteitag in der Volkswagenhalle in Braunschweig mobilisieren. Du rufst zum Protest gegen den Parteitag auf. Warum?
Daphne Weber: Für die Hetze der AfD darf in der Stadt kein Platz sein. Der Rassismus der AfD vergiftet die gesellschaftliche Debatte und ihr Hass schafft ein Klima, in dem Angriffe gegen Geflüchtete, Schwarze, Obdachlose, Arbeitslose, Behinderte, Linke und viele andere passieren. Deswegen mobilisieren wir, das ist selbstverständlich.
Braunschweig gegen die AfD
Wer organisiert die Proteste?
Das lokale Braunschweiger Bündnis gegen Rechts ruft auf, da drin sind verschiedene Verbände, Gewerkschaften, Initiativen, Organisationen und Parteien. Aufstehen gegen Rassismus mobilisiert bundesweit. Sicherlich haben alle einzelnen Organisationen unterschiedlichen Motive, gegen die AfD zu kämpfen. Aber es gibt einen gemeinsamen Nenner: Keine Bühne für die Hetze der AfD.
Aber die AfD ist doch eine demokratisch gewählte Partei…
Auch demokratisch kann Antidemokratisches gewählt werden. Das ändert nichts am faschistischen Gehalt dieser Partei und ihren Verbindungen in die rechtsextreme Szene.
Woran machst du fest, dass die AfD eine neue Nazi-Partei ist?
In der AfD werden unwidersprochen offensiv rassistische und völkische Positionen bis zum faschistischen Systemumsturz vertreten, vor allem durch den »Flügel« um den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke. Die Partei hat keinerlei Berührungsängste mit der offenen Nazi-Szene – ob nun bei der Zusammenarbeit mit Pegida oder bei der Vergabe für Jobs der Partei in Landesparlamenten und im Bundestag.
Der neofaschistische »Flügel« um Höcke
Warum ist der »Flügel« so erfolgreich?
Der neofaschistische »Flügel« um Höcke macht derzeit 30 bis 40 Prozent der Mitglieder der AfD aus. Akteure wie der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland sind da eng eingebunden, obwohl sie nicht direkt Protagonisten des »Flügels« sind. Der »Flügel« stellt – mehr als der Rest der AfD – die Systemfrage und präsentiert sich als Alternative. Die AfD knüpft so an die weit verbreitete Frustration an und nährt Zweifel, dass irgendwas »da oben« nicht stimmt, obwohl weite Teile ihrer Funktionäre selbst zur gesellschaftlichen Elite gehören und die AfD die Eigentumsverhältnisse nicht angreifen will. Wenn jetzt die Linke die Frage und auch die Antwort nach der Systemalternative den Rechten überlässt, haben wir ein echtes Problem, denn so wie es gerade läuft, wird es nicht weitergehen können.
Was erhoffst du dir von dem Protest?
Tausende Mittelfinger für die Nazis, die sich beim AfD-Bundesparteitag in Braunschweig versammeln wollen. Der Massenprotest soll ein hoffnungsvolles Zeichen in die Zivilgesellschaft der Region hinein werden. Ich erhoffe mir, dass alle Beteiligten gestärkt daraus hervorgehen, um im Alltag gegen die schleichende Barbarei weiterzukämpfen. Noch nicht politisch Aktive sollen Lust bekommen, sich zu engagieren. In den Vorbereitungsprozessen zu solchen Protesten entstehen Netzwerke und Solidarität, die uns weiterhelfen werden, wenn sich die Situation verschärfen wird.
Wird sich die AfD am Ende nicht wieder als Opfer inszenieren können?
Ich wundere mich auch immer wie zart besaitet die Faschisten sind [lacht] … Aber im Ernst: Zur Inszenierung gehören immer zwei: Eine Seite, die produziert, und eine, die drauf anspringt. Journalistinnen und Journalisten haben es in der Hand, ob sie bei der Inszenierung der AfD mitmachen wollen oder nicht. Gesellschaftliche Ächtung ist genau das Richtige. Wer so einen Dünnschiss in die Welt bläst wie die AfD, muss mit Widerstand rechnen.
Konkrete Planungen und Mobilisierung
Was ist konkret am Wochenende des Parteitages geplant?
Am Samstag, den 30. November, sollen Kundgebungen rund um die VW-Halle stattfinden. Im Laufe des Vormittags wollen wir mit möglichst vielen Menschen den Protest in die Innenstadt tragen. Dort findet dann auch Abschlusskundgebung statt, mit Musik und interessanten Reden. Wir rechnen mit vielen Menschen, die nicht nur aus der Region kommen werden, sondern aus dem gesamten Bundesgebiet.
Die Klimabewegung hat zuletzt Hunderttausende auf die Straße gebracht. Warum sollten Klimaaktive zu den Protesten gegen die AfD mobilisieren?
Der erste und einfachste Grund ist, dass die AfD weiterhin den menschengemachten Klimawandel leugnet, also ein direkter Gegner der Klimabewegung ist.
Und der zweite Grund?
Die Klimabewegung stellt die Frage nach dem guten Leben für alle – überhaupt nach dem Leben auf diesem Planeten. Sie muss gegen eine Kraft mobilisieren, die denjenigen Menschen das Recht auf gutes Leben abspricht, die nicht in ihre Nazi-Ideologie passen.
Kannst du das genauer erklären?
Die AfD hetzt besonders gegen Flüchtlinge. Der Klimawandel ist neben Kriegen eine der Hauptfluchtursachen – diese Tendenz wird sich in den nächsten Jahren verschärfen. Wenn wir nicht nur über »Plastikstrohhalme-Verbieten-Krimskrams« reden, sondern über Klimagerechtigkeit, kommen wir um eine internationalistische Perspektive nicht herum. Der Kampf um Klimagerechtigkeit muss auch ein Kampf gegen Kolonialismus und Rassismus sein.
Wie können Menschen die Mobilisierung unterstützen?
Viele wissen gar nicht, dass Proteste in Braunschweig stattfinden. Jeder kann dabei helfen, das bekannter zu machen. Schreibt E-Mails an eure Freunde oder Bekannte, mobilisiert auf Facebook oder Instagram. Verteilt das Demomaterial bei euch im Kiez. Das Bündnis ist auch auf Spenden angewiesen und wir freuen uns über jeden Euro. Ebenso wichtig ist aber: Werdet vor Ort aktiv, macht Welle gegen die AfD. Die AfD setzt sich auf kommunaler Ebene fest, in den Behörden und Institutionen. Plötzlich sind AfDler nicht mehr der verrückte Höcke oder Opa Gauland, sondern der nette Kommunalpolitiker von nebenan. Wir müssen gegen Menschenverachtung und Faschismus an 365 Tagen im Jahr laut sein.
Das Interview führte Yaak Pabst.
Schlagwörter: AfD, Antifaschismus, Inland