Trotz des engagierten und aktivistischen Wahlkampfs hat es für die LINKE in Baden-Württemberg nicht zum Einzug in den Landtag gereicht. Anstatt ihre Wunden zu lecken, gilt es nun jedoch den Kampf gegen die Gefahr von rechts aufzubauen. Von Daniel Anton, Julia Meier und Dirk Spöri
Der Einzug der AfD in den Landtag in Baden-Württemberg mit über 15 Prozent der Stimmen und 23 Abgeordneten ist eine Katastrophe. Die AfD ist eine Partei geistiger Brandstifter und wird zum Sammelbecken von Nazis. Sie ist eine Bedrohung für Flüchtlinge, Muslime, Juden, Schwule und viele andere.
Die LINKE hat ihr Ergebnis nur wenig verbessern können. Damit fehlt im Landtag eine Opposition, die Wohnungsnot und Armut hätte thematisieren und die Abschiebepolitik angreifen können, anstatt auf Sündenbockpolitik zu setzen. Diese Opposition gilt es nun außerhalb des Landtags aufzubauen.
Grüne aus Solidarität mit Flüchtlingen
Der zweite Gewinner der Wahl in Baden-Württemberg waren die Grünen. Ihr Wahlkampf war vollkommen auf den landesväterlichen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann zugeschnitten und hatte wenig Inhalte. Obwohl Kretschmann mitverantwortlich für die Asylrechtsverschärfungen der letzten Monate ist, erschienen die Grünen, angesichts einer rechtsgerichteten CDU und der Gefahr einer starken AfD, vielen Menschen als die flüchtlingsfreundlichere Wahl.
Im Gegensatz zu Angela Merkels Parteikolleginnen und -kollegen im Land, verteidigte der grüne Landesvater im Wahlkampf den »Wir-schaffen-das«-Kurs der Kanzlerin. Auch wenn dem in der Praxis wenig folgen wird, macht es Hoffnung, dass eine bedeutende Anzahl Menschen sich mit ihrem Kreuz für Solidarität mit Flüchtlingen entschieden hat. Auch dass die Wahl der LINKEN aufgrund der schlechten Umfragewerte als »verschenkte Stimme« galt, führte dazu, dass auch Linke die Grünen wählten.
AfD in Arbeiterbezirken
Die große Verliererin des Wahlabends ist die SPD, die sich mit 12,7 Prozent noch hinter der AfD wiederfand. Besonders alarmierend ist, dass die AfD sich in Pforzheim und Mannheim-Nord sogar zwei Direktmandate sichern konnte. Mannheim-Nord war die letzte Hochburg der Sozialdemokratie in Baden-Württemberg. Dort erhielt sie 2011 ihr letztes Direktmandat im Land.
Leider stellte sich dieser Wahlkreis als Symbol für den wohl beunruhigendsten Trend bei dieser Wahl heraus. Die AfD punktete nicht nur beim ländlichen Kleinbürgertum, sondern auch bei Arbeiterinnen und Arbeitern, Angestellten und Arbeitslosen.
Als etwa die »Republikaner« Anfang der 1990er Jahre mit einem zweistelligen Ergebnis in den baden-württembergischen Landtag einzogen, erzielten sie fast ausschließlich in ländlichen Regionen Erfolge. Das Vordringen der AfD auch in klassische Arbeiterbezirke zeigt, dass der Rassismus gegenüber Flüchtlingen nicht nur im konservativen Milieu immer weiter ausgreift.
LINKE profitierte nicht
Mit Bernd Riexinger als Spitzenkandidat setzte die LINKE auf ihre Kernforderungen: bezahlbarer Wohnungen, gerechte Löhne, mehr Personal in Pflege, Bildung und Gesundheit und Besteuerung von Reichtum. Gleichzeitig stellte sich die Partei solidarisch an die Seite der Flüchtlinge und bezog sich positiv auf die Hilfsbewegung, die auch im »Ländle« stark war.
Im Wahlkampf gab es viel Aktivität und viel Zustimmung. Die Großveranstaltungen waren – mit Spitzenzahlen von 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Tübingen und Freiburg – sehr gut besucht und oft die größten Veranstaltungen aller Parteien. Zahlreiche Mitglieder berichteten von vielen guten Gesprächen am Infostand, von Neueintritten und gelungenen Aktionen für mehr bezahlbaren Wohnraum, mehr Personal in der Pflege und gegen rechts. Das gilt sowohl für die Städte als auch für den – reichlich vorhandenen – ländlichen Raum.
Doch der subjektiv gute Eindruck täuschte. Die LINKE konnte an der Wahlurne kaum von ihrem guten Auftreten im Wahlkampf profitieren. In Mannheim I verlor sie sogar 0,7 Prozent. Im Hochhausviertel Freiburg-Weingarten, wo die SPD von 30 auf 15 Prozent abstürzte, erreichte die AfD 20 Prozent. Die LINKE konnte dort immerhin auf 12 Prozent zulegen (+3).
Insbesondere hat die LINKE es nicht geschafft, ihre Kernwählerschaft bei Arbeiterinnen und Arbeitern, Angestellten und Erwerbslosen zu mobilisieren. Unter Beschäftigten erreichte sie gerade einmal drei Prozent, bei den Erwerbslosen schwache sechs Prozent. Diese Menschen sahen keinen Nutzen oder Sinn in der Wahl der LINKEN. Sie zu gewinnen ist eine zentrale Herausforderung für die nächsten Monate. Immerhin: Im Unterschied zu Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz lag das Ergebnis bei Gewerkschaftsmitgliedern mit 4,5 Prozent über dem Landesschnitt.
Dort wo die LINKE auf der Straße und in Kämpfen präsent ist, konnte sie auch Wähler gewinnen. In den Wahlkreisen Stuttgart 1, Stuttgart 4, Mannheim 1, Tübingen und Heidelberg erzielte sie zwischen 5 und 7,3 Prozent. In Stuttgart 1 trat mit dem parteilosen Hannes Rockenbauch eines der Gesichter dee Stuttgart21-Proteste an. Im Wahlkreis Stuttgart 4 wurden gewinnbringende Erfahrungen mit einem »aufsuchenden Wahlkampf« gemacht, bei dem die Aktiven in Gesprächen an der Haustür den Kontakt mit den Menschen vor Ort suchten.
In Freiburg und Heidelberg konnte die LINKE nicht nur ihr Ergebnisse deutlich steigern, sondern auch ihre Stimmenzahl gegenüber 2011 nahezu verdoppeln. In Freiburg wählten 9500 Menschen die LINKE. Das entspricht einem Ergebnis von 8,4 Prozent. 58 Prozent der Wählerinnen und Wähler der LINKEN in Freiburg sind unter 35 Jahre alt. Das ist keine Ausnahme: bei einer U18-Wahl in Stuttgart wurde die LINKE stärkste Partei. Junge Menschen einzuladen, in und mit der Partei aktiv zu werden, ist ein Schlüssel zum Erfolg. Dafür braucht es eine Partei, die aktivistisch ist aber ebenso auf ihre Kernthemen setzt: teure Mieten, Befristung und Leiharbeit bestimmen auch das Leben junger Menschen. In Freiburg nannten 65 Prozent der Wählerinnen und Wähler »Soziale Gerechtigkeit« als Grund, uns zu wählen – mit Abstand das wichtigste Thema.
Rechte Mobilisierungsfähigkeit
Der AfD ist allerdings gelungen, was die LINKE nicht geschafft hat: Sie konnte sich als die Oppositionskraft gegen die etablierte Politik darstellen, als eine Anti-System- und Protestpartei. So konnte sie über 200.000 ehemalige Nichtwähler für sich gewinnen. Über die Hälfte der Wählerinnen und Wähler der AfD gaben an, ihr Kreuz als »Denkzettel« an die etablierten Parteien gemacht zu haben.
Zwar ist zumindest in Baden-Württemberg auch die LINKE als klare Opposition aufgetreten, mit einem scharfen antirassistischen, sozialen und kämpferischen Profil. Allerdings konnte sie keine vergleichbare Dynamik erzeugen, wie die rassistische und antisoziale Opposition der AfD.
»Wir wollen kein Koalitionspartner von niemandem sein, weil wir diese Politik bis aufs Messer bekämpfen werden«, sagte der stellvertretende AfD-Vorsitzende und Strippenzieher des neofaschistischen »Flügels« Alexander Gauland nach den Wahlen. Die AfD propagierte sich erfolgreich als oppositionelle Kraft und als Protestpartei, unter anderem durch Unterstützung der Demonstrationen der »Bildungsplangegner« für konservativere Bildungspolitik und der rechtsgerichteten »Demo für alle« in Stuttgart.
AfD-Mitglieder meldeten Demonstrationen von Pegida-Ablegern an und unterstützen ihre Aufmärsche.
Obwohl die Versuche in Baden-Württemberg ähnliche Demonstrationen wie in Teilen Ostdeutschlands hochzuziehen zumeist an den antirassistischen Gegenmobilisierungen gescheitert sind, ist in dieser Stimmung auch ein weiterer Anstieg der Gewalt gegen Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte zu befürchten.
Faschisierung der AfD
Die AfD befindet sich in einem Prozess der Faschisierung, das heißt in der Umwandlung von einer rechtspopulistischen Protestpartei in eine neofaschistische Kampfpartei. Die zunehmenden Straßenmobilisierungen und der strikte Oppositionskurs, den der neofaschistische Flügel der AfD vorgibt, sind Ausdruck dieser Tatsache.
Während die Parteivorsitzende Frauke Petry von einer Regierungsbeteiligung der AfD im Jahr 2021 spricht, wollen die Neofaschisten in der Partei nicht die Regierung im bürgerlichen Staat übernehmen, sondern das politische System als Ganzes bekämpfen, mit dem Ziel letztendlich die Arbeiterbewegung, die Gewerkschaften und linken Parteien sowie die parlamentarische Demokratie insgesamt zu zerschlagen.
Nach der Spaltung im vergangenen Jahr ist auch in Baden-Württemberg der rechtsradikale Flügel der AfD stärker geworden. Bundesweite Bekanntheit erreichte das Freiburger AfD-Mitglied Dubravko Mandic, der auf Facebook nicht nur US-Präsident Barack Obama als »Quotenneger« bezeichnete, sondern auch schrieb: »… von der NPD unterscheiden wir uns hauptsächlich durch unser Auftreten, nicht so sehr durch unsere Inhalte«. Außerdem ist der Landesverband zum Sammelpunkt von Abtreibungsgegnern geworden und ihr Jugendverband hat enge Verbindungen zu rechtsradikalen Gruppen.
AfD stoppen
In dieser Situation ist es die Aufgabe der LINKEN sowie aller antirassistischen und antifaschistischen Kräfte, sich der AfD mit allen verfügbaren Mitteln in den Weg zu stellen und sie zu stoppen, solange sie sich noch nicht vollständig in der deutschen Parteienlandschaft festsetzen konnte.
Uns wird das nur gelingen, wenn die LINKE in der Flüchtlingsfrage standhaft bleibt und es schafft, alternative Lösungen zur Abschottung anzubieten. Die klare Haltung des Landesvebandes im Wahlkampf mit einem eigenen Plakat zu »Refugees welcome» und der Unterstützung der antirassistischen DGB-Kundgebungen in Stuttgart und Freiburg sowie zahlreichen Aktionen im ganzen Land waren richtig und wichtig.
Es gibt keine Flüchtlingskrise
Gleichzeitig sollte die LINKE die von Rassisten vom Grünen-Oberbürgermeister Boris Palmer über Horst Seehofer bis Björn Höcke geschürten Ängste in der Bevölkerung ernst nehmen. Sie darf jedoch auf keinen Fall den Eindruck erwecken, dass an der rassistischen Hetze gegen Flüchtlinge auch nur ein Funken Wahrheit ist.
Nirgendwo, auch nicht in Baden-Württemberg, haben Menschen wegen der Flüchtlinge Wohnung, Arbeit oder Lebensunterhalt verloren. Nirgendwo im reichen Baden-Württemberg sind die Grenzen der Aufnahmefähigkeit erreicht oder auch nur getestet worden.
Aber die vorige Landesregierung hat versagt, etwas gegen die hohen Mieten und die Wohungsnot zu unternehmen. Niemand hat den Reichen und Superreichen die Schlüssel zu den Millionen leerstehenden Büros, Zweit- und Drittwohnungen abgenommen, sie stehen immer noch leer. Stattdessen werden Flüchtlinge in Turnhallen untergebracht und immer mehr Menschen aus ihren Wohnungen verdrängt. Solange der immense Reichtum nicht aufgebraucht ist, ist auch die Aufnahmefähigkeit nicht annähernd erschöpft.
Alternativen zur Abschottung
Als LINKE sollten wir von einer »Gerechtigkeitskrise«, nicht von einer »Flüchtlingskrise« sprechen. Die AfD profitiert davon, dass große Teile der bürgerlichen Mitte in der Flüchtlingsfrage eine Krisenstimmung verbreitet haben. Die LINKE muss dem mit aller Kraft entgegenwirken, anstatt mit dem Strom zu schwimmen, in der Hoffnung so nicht unterzugehen. Außerdem muss sie eine alternative Lösung zur Abschottungspolitik der EU anbieten.
Um die Kosten für die Aufnahme von Flüchtlingen zu finanzieren, müssen Reiche, Banken und Konzerne zur Kasse gebeten werden. Die LINKE sollte den Vorstoß von Sigmar Gabriel für ein »neues Solidarprojekt« offensiv aufgreifen und ein Sozialpaket für die »allgemeine Bevölkerung« fordern. Von Gabriels sozialen Forderungen kurz vor den Wahlen konnte seine Partei nicht profitieren. Finanzminister Schäuble tat sie als »Wahlkampfgetöse« der SPD ab und auch die Masse der Wähler sah darin offensichtlich lediglich ein Manöver.
Die LINKE wird jedoch nichts dadurch gewinnen, Gabriel zusammen mit Schäuble des Wählerbetrugs zu beschuldigen. Sie muss die Forderungen Gabriels aufgreifen und den Druck auf ihn und die SPD steigern, jetzt ernst zu machen. Allerdings muss auch Kraft wachsen, diesen Forderungen mit realen Bewegungen und Kämpfen Nachdruck zu verleihen.
Widerstand und Proteste aufbauen
Im Wahlkampf ist es der LINKEN nicht gelungen, die fehlgeleiteten Ängste und Verunsicherungen auf die eigentlichen Gefahrenquellen zu lenken: den Kapitalismus, seine Krisen und die damit verbundenen sozialen Missstände und Unsicherheiten. Anders als die geschürte Phantomangst vor den Flüchtlingen oder dem Islam sind diese Ängste real und begründet. Aber soziale Unsicherheit und Abstiegsängste führen nicht automatisch nach rechts.
Das Beispiel Griechenland zeigt, dass dort, wo sich die arbeitenden Klassen in Massenstreiks und mit Klassenkämpfen von unten zu Wehr setzen, der Rassismus geringe Chancen hat, selbst dann, wenn diese Kämpfe noch nicht erfolgreich sind. Es reicht also nicht, sozialpolitische Forderungen nach Wohnraum für alle, Recht auf Kitaplätze und Mindestrenten zu fordern, es muss auch die Kraft wachsen, diesen Forderungen mit realen Bewegungen und Kämpfen Nachdruck zu verleihen.
Es gibt auch hierzulande gute Erfahrungen, auf denen wir aufbauen können: in vielen Städten gab es im verganenen Jahr Solidaritätsbündnisse mit den Kolleginnen und Kollegen, die im Sozial- und Erziehungsdienst für die Aufwertung ihrer Berufe kämpften. An mehreren Orten, an denen die LINKE kommunal verankert ist, konnte sie im Bündnis mit anderen Kräften Sozialtickets durchsetzen. In Stuttgart, Freiburg und anderen Städten arbeiten wir eng zusammen mit Mieterinitiativen. Dort, wo wir Menschen aktivieren können, selber für ihre Interessen aktiv zu werden und die LINKE sie dabei unterstützt, kann sie einen realen Nutzwert beweisen und zeigen, dass es sich lohnt zu kämpfen. Dafür brauchen wir allerdings auch eine Stärkung der LINKEN mit mehr Mitgliedern und mehr Aktiven.
Rassismus direkt bekämpfen
Doch ein scharfes soziales und antikapitalistisches Profil wird nicht ausreichen, um die AfD und die Dynamik rassistischer Bewegungen wie Pegida zu stoppen. Die LINKE ist momentan schlicht nicht stark genug, um unmittelbar große Klassenkämpfe aufzubauen oder gar Abhilfe für die sozialen Missstände zu schaffen. Solange der Rassismus weiter auf dem Vormarsch ist, werden Rechte weiterhin Flüchtlinge und Migranten als Sündenböcke für soziale Probleme und Abstiegsängste missbrauchen. Nur wenn die LINKE den Rassismus direkt bekämpft, kann sie die soziale Frage von links besetzen.
Gerade im Hinblick auf den neofaschistischen Flügel der AfD reicht eine Kritik an den neoliberalen Verhältnissen und der wachsenden Armut erst recht nicht aus. Dieser Flügel tritt im Unterschied zu den bislang formal noch führenden Parteivorsitzenden nicht mehr neoliberal sondern »national-sozial« auf.
Einen solchen Auftritt hatte sein Wortführer Gauland kurz vor den Wahlen im Brandenburgischen Landtag. In Anlehnung an Gabriel hatte der AfD-Fraktionssprecher einen Sozialpakt für Deutsche gefordert und sich gegen die Aussetzung des Mindestlohns für Flüchtlinge gestellt, »wie es immer häufer von Wirtschaftslobbyisten gefordert« werde. Gauland betonte, die sozialen Probleme würden seit Jahren vernachlässigt und fragte, ob der »sozial bedürftige Deutsche erst mit dem Schlauchboot das Mittelmeer durchqueren« müsse, um wahrgenommen zu werden. Sein Stellvertreter Kalbitz forderte die sofortige Angleichung der Ostrenten an Westniveau.
»National-soziale« Parolen in der AfD
Der neofaschistische Flügel hat den Aufstieg der NSDAP gut studiert, die sich mit einem Programm des »nationalen Sozialismus« in Arbeiterkreisen und bei Arbeitslosen als antikapitalistische Kraft empfahl. Höcke schrieb im Mai letzten Jahres: »Sozial sollte die AfD sein, weil die Kluft zwischen Arm und Reich in der Bundesrepublik Deutschland immer größer wird und die soziale Marktwirtschaft unbedingt gegen einen entarteten Finanzkapitalismus verteidigt werden muss.«
Die Tage von Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel sind vorbei. Eine Kritik der AfD ohne einen Fokus auf ihren rassistischen Charakter wird zunehmend ins Leere zielen. Deshalb reicht es nicht, die AfD als neoliberale Partei der Unternehmer und Reichen zu kritisieren. Petry ist gegen den Mindestlohn, Höcke und Gauland verteidigen ihn hingegen vehement und zwar »gegen Flüchtlinge«.
Kampf der Armen gegen die Ärmsten
Eine linke Kritik der AfD muss diese Ambivalenz ihres Programms berücksichtigen. Vor allem dort, wo sie bereits mit »national-sozialen« Parolen auftritt, muss die LINKE den rassistischen, nationalchauvinistischen Charakter der AfD angreifen, der die Spaltung der Arbeiterklasse und damit ihre Ohnmacht gegenüber dem Kapital ebenso vertieft wie ein offen neoliberales Programm.
Der neofaschistische Flügel hat den Kampf der Armen gegen die Ärmsten auf seine Fahnen geschrieben. Auch das nützt nur den Reichen. Kein wohnungsloser Deutscher wird eine Wohnung bekommen, nur weil die Flüchtlinge wieder in die Kriegsgebiete zurückgeschickt werden.
Gleiche soziale und politische Rechte für alle – gegen die Spaltung in Deutsche und Migranten, lautet daher die zentrale Forderung für die LINKE. Antirassismus ohne Antikapitalismus ist zum Scheitern verurteilt, aber das gilt auch umgekehrt für einen Antikapitalismus ohne Antirassismus.
Aufstehen gegen Rassismus
Um die AfD zu stoppen, braucht es weit über die LINKE hinaus eine große bundesweite antirassistische Mobilisierung, die der Partei ihre national-konservative Tarnkappe entreißt. Ein guter Anfang waren die Großdemonstrationen des DGB im Januar und Februar in Stuttgart und Freiburg mit 10.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Ebenso gab es viele weitere Aktionen gegen Auftritte von Petry & Co. Im kleinen Breisach am Kaiserstuhl demonstrierten 1000 Menschen am Tag vor der Wahl, in Schwäbisch-Gmünd über 500. Im Dezember und Januar gelang es, die Aufmärsche von Pegida-Ablegern in Kandern und Weil am Rhein mit bunten und breit getragenen Gegenmobilisierungen zu stoppen.
In Freiburg trifft sich schon seit mehreren Monaten eine vom Studierendenverband Die Linke.SDS organisierte Anti-AfD-Kampagnengruppe, die mehrere kreative Aktionen entwickelte. Mit Erfolg: Die AfD konnte im ganzen Wahlkampf nur drei Infostände in der Innenstadt durchführen, und zwar unter starken Protesten und Polizeischutz.
Auf Initiative der Kampagnengruppe waren bei jedem der drei Versuche mindestens 10 Aktive vor Ort und rahmten den AfD-Stand ein. Mit Schutzanzügen (verkleidet als »Bundesamt für Rassismusbekämpfung«), Absperrband und inhaltlichen Flyern bewaffnet schränkten sie nicht nur den Zugang der AfD zum Publikum ein , sondern führten auch viele spannende Diskussionen mit Passantinnen und Passanten.
Wenn auch nicht nur Erfreuliches dabei zu hören war, die meisten bedankten sich für die Gegenwehr und ermutigten zum Weitermachen. Vermutlich auch aus dieser Erfahrung heraus sagte die AfD danach die einzige geplante Wahlkampfveranstaltung in Freiburg ab. Zahlreiche junge Leute haben begonnen sich in der Linksjugend und im SDS zu engagieren – insbesondere für Aktivitäten gegen rechts.
Diese Stärke kann und muss die Partei ausbauen, um der AfD die Straßen streitig zu machen: Am 30. April findet der Bundesparteitag der AfD in Stuttgart statt. Dort wollen wir gemeinsam mit möglichst vielen Menschen gegen die AfD protestieren.
Um dem Aufstieg der AfD eine bundesweite Initiative entgegenzustellen, hat sich nach den Wahlen das Bündnis »Aufstehen gegen Rassismus« gegründet. Als nächster Schritt wird am 23./24. April eine zentrale Aktionskonferenz in Frankfurt am Main stattfinden. Von dort ausgehend soll eine massenhafte Aktivitäts- und Aufklärungskampagne gestartet werden, die auch in Baden-Württemberg ein Schwerpunkt für die LINKE sein sollte.
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