Nach Jahren der Lähmung gibt es auf den Straßen wieder eine breite Massenbewegung gegen die AfD. Hunderttausende haben in den letzten Tagen gegen die Partei und ihre »Remigrations«-Pläne protestiert. Viele fordern ein AfD-Verbot. Warum diese Forderung mit vielen Fallstricken verbunden ist, begründet Daniel Kipka-Anton
Über 14 Millionen Euro nahm die AfD alleine 2020 durch staatliche Mittel, also Parteienfinanzierung und Mandatsträgerbeiträge ein. Keine Frage: Wären diese Mittel durch ein staatliches Parteienverbot plötzlich weg und könnten nicht mehr in die Finanzierung des Hetz-Materials, der Parteistrukturen und von gewaltbereitem Nazi-Personal fließen, würden sich AfD-Gegner:innen sicher nicht beschweren. Mit einem AfD-Verbot wäre nicht nur der Geldhahn zu, sondern auch ein umfassendes Betätigungsverbot verbunden. Die AfD und direkte Nachfolgeorganisationen dürften nicht mehr aktiv sein. Es wäre ein harter Schlag gegen die mächtigste rechte Struktur seit Jahrzehnten.
AfD-Verbot: Kein K.O.-Schlag
Ein K.O.-Schlag wäre es aber mitnichten, denn die Ursachen, die überhaupt erst für einen solch machtvollen und andauernden Aufstieg der Partei sorgen konnten, blieben bestehen. In aktuellen Umfragen hält sich die AfD seit vielen Monaten bei über 20 Prozent, in Sachsen, Brandenburg und Thüringen muss man sich an die realistische Möglichkeit gewöhnen, dass sie in allen drei Bundesländern aus den Wahlen als stärkste Kraft hervorgeht. Dafür gibt es nicht die eine Ursache. Aber eins lässt sich mit Sicherheit sagen: Der Nährboden für eine faschistische Kraft ist in Deutschland fruchtbar wie nie.
Die soziale Spaltung wird größer und größer. Während Millionen Menschen mit steigenden Lebensmittelpreisen, steigenden Nebenkosten und sinkenden Reallöhnen klar kommen müssen, verdoppelt sich das Vermögen der Milliardäre in diesem Land. Die Einsparungen der Ampel im sozialen Bereich, die götzenhafte Einhaltung der Schuldenbremse bei gleichzeitiger Freigebigkeit im 100 Milliarden-Rüstungshaushalt, lassen Menschen sprachlos und ohnmächtig zurück. Das bedeutet nicht automatisch, dass die Menschen rechts wählen. Aber um von den Ursachen der fortgesetzten Umverteilung von unten nach oben abzulenken, werden Sündenböcke aufgebaut und auf der Grundlage einer gespaltenen Gesellschaft lässt es sich leicht hetzen.
Nährboden des Faschismus
Die letzten Jahre zeigen, dass die AfD nicht an der Regierung sein muss, um ihre Forderungen und ihr Programm umzusetzen. Die GEAS-Reform, die eine weitere Abschottung und Militarisierung der Festung Europa und ihrer tödlichen Grenzen bedeutet, wird von der Ampel unter Zustimmung umgesetzt. Die Rhetorik und Tat in Bezug auf Rückführung ist kein Exklusiv-Material der AfD: Scholz (»Wir müssen endlich wieder im großen Stil abschieben«), Ricarda Lang (»Tempo bei Abschiebungen«) oder Friedrich Merz (»abgelehnte Asylbewerber lassen sich in Deutschland die Zähne machen«) greifen die Stichworte von Weidel, Höcke und Co. ohne Scham auf.
Der dadurch geschaffene Nährboden verschwindet durch ein AfD-Verbot nicht und daher ist es auch zutiefst zweifelhaft, ob »bereits die öffentliche Debatte über ein mögliches Verbot Diskussionsräume eröffnet, die im Kampf gegen Rassismus, Chauvinismus, Antisemitismus und Antifeminismus hilfreich sein können«, wie es der Rechtsanwalt Alexander Hoffmann in einem viel beachteten Beitrag im antifaschistischen Magazin »der rechte Rand« behauptet. Dazu ist eben dieses Gedankengut zu tief in der bürgerlichen Mitte verankert. Der Zulauf zur AfD ist inzwischen so stark, dass ein Verbotsantrag auch das Gegenteil zur Folge haben kann, weil sich die Partei damit brüstet, dass sich der Gegner nicht anders zu helfen weiß und sich als Opfer darstellt.
Kein Vertrauen in den Staatsapparat
Zugegeben, die Forderung nach einem AfD-Verbot ist verlockend – ein scheinbar erreichbares Etappenziel im Kampf gegen Rechts. Ein Verbotsverfahren dauert aber Jahre und ob es durchkommt, ist völlig offen. Wir sollten deswegen nicht auf den Staatsapparat vertrauen, der in der Vergangenheit immer wieder gezeigt hat, dass er auf dem rechten Auge blind ist. Der ehemalige Chef des Verfassungsschutzes ist ein politischer Rechtsaußen und verantwortlich dafür, dass der NSU jahrelang ungestört morden konnte. Bis heute werden Nazis, die Attentate auf Migranten oder Synagogen durchführen immer wieder als Einzeltäter dargestellt und damit verleugnet, dass Netzwerke von Nazis entstanden sind, die mit der AfD in Verbindung stehen.
Es kann nicht unsere Strategie sein, einzig auf eine soziale Revolution zu setzen, mit der sich der Faschismus dann erledigen wird. Ganz im Sinne von Trotzkis Bild vom primären Kampf gegen die Pistole des Faschismus in der Hand und dem kaum weniger wichtigen Kampf gegen das langsam wirkende Gift des Kapitalismus, muss es unser Ziel sein, erstmal dem Gegner die Waffe aus der Hand zu schlagen. Doch ein Verbot durch eben jenen Staat, der das Gift verabreicht, wird nicht mehr als eine Ladehemmung verursachen, um im Bild zu bleiben.
Klassensolidarität erfahrbar machen
Erreichbare Etappenziele gibt es: Betriebliche Kampagnen der Solidarität in der Tradition von »Mach meinen Kumpel nicht an«, Massenmobilisierungen, die bei aller Kurzlebigkeit der AfD und NPD schon in der Vergangenheit manche Niederlage beschert haben oder die ernsthafte linke Organisierung von Menschen mit Migrationsgeschichte und damit das Sammeln von Gegenkräften könnten einige davon sein. Entscheiden aber wird sein, ob es gelingt, die ohnmächtige Wut vieler AfD-Wähler aufzugreifen, indem ihnen eine Perspektive, die mit erfahrbarer Klassensolidarität verbunden ist, geboten wird. Soziale Bewegungen gegen die Umverteilung von unten nach oben und vor allem eine offensive Gewerkschaftsbewegung sind der Schlüssel dazu.
Wenn eine antifaschistische Bewegung sich geschlossen hinter einer Verbots-Kampagne versammelt, sollten wir nicht sektiererisch den Trotzkopf geben, aber uns muss bei allen strategischen Überlegungen eine Feststellung begleiten, ohne hier der politischen Ohnmacht das Wort zu reden: Ein Verbot wäre höchstens ein kleines Pflaster auf einer klaffenden Wunde, die sich durch eine gespaltene, kapitalistische Gesellschaft zieht. Der außerparlamentarische Kampf gegen Rechts hat auch in der jüngsten Vergangenheit Erfolge vorzuweisen und hat dabei immer wieder bewiesen, dass der Aufstieg von AfD und Co. nicht unaufhaltsam ist.
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